Evolas Differenzierung des Freiheitsbegriffs („Freiheit wofür und Freiheit wovon“) ist wohlbekannt und läßt sich auch auf die Freizügigkeit selbst anwenden: einer der grundlegenden Parameter zur Messung der Bedingungen für die Autonomie und Unabhängigkeit des Menschen. Sie ist in der Tat eine der Freiheiten, die heute am meisten eingeschränkt und gefährdet sind.
Bei den jüngsten „technischen Testläufen“ der Tyrannei unter dem Vorwand des pandemischen Notstands erhielten wir einen kleinen Vorgeschmack auf das, was in Zukunft möglich ist und was nicht. Einen bedeutsamen (aber nicht endgültigen!) Vorgeschmack auf den definitiven Endpunkt des Überwachungskapitalismus und den Käfig, in dem die menschliche Existenz in Kürze eingesperrt werden soll. Aber, um es noch einmal mit Evola zu sagen: Es ist wichtig und grundlegend, die Beweggründe zu hinterfragen, die die Bewegung bestimmen: sich zu bewegen, warum? wohin zu gehen? was zu tun?
Dem enormen Reichtum an spirituellen Möglichkeiten, den die traditionellen Gesellschaften garantieren, steht die sterile moderne Tendenz zur Uniformität der Individuen gegenüber, die sich in der Klassifizierung und Kategorisierung (zivilrechtlich, gesundheitlich, finanziell, kulturell und sogar religiös) jedes einzelnen Subjekts niederschlägt und konkretisiert, das in immer engere und begrenztere Räume der Existenz gezwungen wird. Und dies trotz der gepriesenen intellektuellen und vitalen Überlegenheit des modernen Menschen, der von seinen Verwaltern auf eine anonyme Zahl reduziert und auf eine unbestimmte Vielfalt festgelegt wird.
In einem solchen Kontext besteht die Gefahr, daß das unablässige Streben nach ständiger Veränderung, die geistlose Bewegung und die unaufhaltsame Ortsveränderung auf den einzigen bösen und auflösenden Aspekt reduziert werden, der der Instabilität des Charakters und dem Mangel an innerem Gleichgewicht eigen ist. Das Ergebnis ist eine enorme Konzentration des menschlichen Ameisenhaufens in immer größeren und bevölkerungsreicheren Megastädten, die im schlimmsten und gröbsten Materialismus gefangen sind; die periodische Massenwanderungen wagen – echte Herden in Transhumanz! – um dann unweigerlich in ihre tägliche Gefangenschaft zurückzukehren.
Die alldemokratische Besessenheit von den (mehr oder weniger intelligenten!) Abreisewellen unbestimmter Urlauberströme und akribischer „Urlaubsbrücken“-Nutzer versucht, das als Bewegungsfreiheit auszugeben, was nur ein Versuch ist, sich selbst zu entfliehen und ein wiederholtes Eintauchen in den gewöhnlichen Konformismus der gleichen täglichen Monotonie durch diejenigen, die nichts zu tun haben; deren Hintergrund einfach ausgetauscht wird, deren Panorama verändert wird oder – wie die geistig Kolonisierten zu sagen pflegen – deren Standort verändert wird.
Diese Manie, in Massen an überfüllten Stränden oder durch die entweihten und geschändeten Gassen der sogenannten „Kulturmetropolen“ zu wandern, ist nur ein Alibi und eine Gelegenheit, das Schlimmste in sich zum Vorschein zu bringen, seine Fehler zu sublimieren, seinen schlimmsten Instinkten freien Lauf zu lassen, sich berechtigt zu fühlen, dem Lärm und der Vulgarität zu frönen; in einer erzwungenen Migration der Korrektheit, der Höflichkeit, der Nüchternheit, der Regel und dem Maß zu entfliehen und zu entgehen.
So ist es nicht verwunderlich, daß die modernen Migrationen nichts mehr mit den einstigen religiösen Pilger- oder Initiationsreisen zu tun haben, sondern in ihrer scheinbaren Freiwilligkeit aufgrund der absoluten inneren Leere ihrer Protagonisten eine pathologische Bedeutung erlangen. Und selbst wenn sie einen stark utilitaristischen und ökonomischen Zweck haben sollten, wie zum Beispiel in der wilden Jagd nach den westlichen Territorien des amerikanischen Epos,, dessen anarchisches Abenteurertum „on the road“ der Beat-Generation mit seinem Nomadentum und seiner Umherzieherei eine literarische und intellektuelle Sublimierung darstellen wollte, so bestätigt sich doch das völlige Fehlen nicht nur eines spirituellen und religiösen Sinns, sondern einer wahren Daseinsberechtigung solcher Phänomene.
Und gerade in Bezug auf das Nomadentum gilt noch immer, was Guénon über das Theater und seine ursprünglich religiöse Funktion als Wanderbühne gesagt hat; mit den relativen Risiken, die mit der Entweihung des Phänomens verbunden sind, wenn es in Verfall gerät, denn das Mißtrauen, wenn nicht gar die Abneigung, die man im Mittelalter gegenüber Schauspielern und Wanderbühnen im allgemeinen empfand, ist wohl bekannt.
Kantarowicz berichtet, daß für Friedrich II. die „umherziehenden Ritter und auch die Troubadoure, die seine Ruhe mit ihren Liedern störten, im festen Organismus seines Staates zweifellos unerwünscht waren, und er versuchte, soweit es ihm möglich war, das Umherziehen und Reisen zu verhindern, es sei denn im Dienste der Regierung“. Und vielleicht ist es gerade die moderne Ersetzung des Theaters durch das Kino, die in den Protagonisten des letzteren eine wirkliche Entfesselung aller negativen und auflösenden Kräfte eines „gefährlichen“ Berufs gesehen hat, der einst jeglichen rituellen Schutzes beraubt war.
Guénon erinnert uns erneut daran, daß die „kleinen Mysterien“, die sich auf die Gesetze des Werdens beziehen, sich gemäß dem kosmischen Rad vollziehen, während die „großen Mysterien“ sich auf die unveränderlichen Prinzipien beziehen und „die unbewegte Kontemplation in der ›großen Einsamkeit‹ erfordern, in dem festen Drehpunkt, der das Zentrum des Rades ist, in dem unveränderlichen Pol, um den sich die Umdrehungen des manifestierten Universums vollziehen, ohne daß er an ihnen teilnimmt“ (A propos des Pèlerinages, Le Voiles d’Isis, Juni 1930).
Die Rotationsbewegung um ein Zentrum stellt im Prinzip die einzige sinnvolle und motivierte Bewegung dar – mit ihrem intrinsisch „revolutionären“ etymologischen Wert –, damit sich das Leben eines jeden in Ordnung, Harmonie und nach der höheren Norm entfaltet. Je stärker der anziehende Einfluß des Zentrums ist, desto größer ist die Möglichkeit einer sicheren Bewegung im Umkreis. Der zyklische und sich wiederholende Charakter der verschiedenen Etappen stellt lediglich eine Bestätigung und Verstärkung jeder einzelnen Wertigkeit und Eigenschaft der auf dem Weg berührten und durchquerten Punkte dar.
Es genügt, an die Bewegung der Himmelskörper (im Himmel) zu denken, oder an den Transit durch die verschiedenen Himmelsrichtungen (auf der Erde); nicht zu vergessen die jährliche Abfolge der Jahreszeiten, mit der Fülle an spirituellen Einflüssen und materiellen und subtilen Manifestationen, die sie in sich bergen; wo wahrhaftig die vitale Dynamik der Manifestation ihren maximalen Ausdruck findet, wie im Fall der überschwänglichen Frühlingsblüte, im Gegensatz zum sterblichen Stillstand der endgültigen Unbeweglichkeit eines jeden Zyklus der Existenz, bis zur Erfüllung all ihrer Möglichkeiten: wo sich die unveränderliche Stabilität des Prinzips in umgekehrter Form widerspiegelt.
Und genau deshalb nimmt der Körper des Praktizierenden auf allen Wegen der Verwirklichung und bei jeder asketischen Technik (wie beim Lotussitz des Yoga, beim Gebet des muslimischen Gläubigen, beim Knien des Christen) eine Position unveränderlicher Stabilität und fester Konzentration ein, die auf die Beherrschung der Sinne und Gedanken, auf ruhigen Gleichmut und völlige Abgeschiedenheit und Unempfindlichkeit gegenüber den Rufen der Außenwelt abzielt und so den eigenen körperlichen Halt in die perfekte Darstellung eines festen und unerschütterlichen Berges verwandelt.