Chad Crowley

vertritt die Ansicht, daß die Europäer den “faustischen Geist” [1]wiederbeleben müssen, um den Niedergang der westlichen Zivilisation zu bekämpfen, mit dem Streben nach individueller Exzellenz und der Wahrung der überlieferten Ideale.

 

In seinen Briefen ermahnt uns der römische Dichter Horaz, “nichts zu bewundern, damit ihr nicht träge werdet und erstarrt” – aus den Zeilen dieses prägnanten Aphorismus und seiner Verurteilung der Untätigkeit entspringen die unzähligen Probleme, die die westliche Zivilisation plagen. Viele in unserer Bewegung “bewundern” nicht nur tatenlos die Vergangenheit, sondern romantisieren sie, wie Narziß, der auf sein eigenes Spiegelbild blickt, bis hin zur Fetischisierung. Eine solche “Bewunderung” ist gleichbedeutend mit der Fixierung auf eine längst verblichene, reglose und inerte Vergangenheit und steht im Widerspruch zur europäischen Art des Seins.

Der Geist Europas und seiner Menschen ist durch Bewegung und Schwung gekennzeichnet. Es ist wichtig, die eigene historische und angestammte Vergangenheit zu respektieren, aber man darf sich nicht von ihr gefangen nehmen lassen. Die Gegenwart ist der Höhepunkt aller historischen Ereignisse der Vergangenheit. Daher sollte die Vergangenheit nur insoweit “bewundert” werden, als diese Bewunderung eine Bewegung hin zu einer gedeihlicheren Zukunft in Gang setzt.

Der griechische Philosoph Aristoteles begriff die Zeit als sempiternal, also ewig. Der große vorsokratische Philosoph Heraklit vertrat die Ansicht, das Leben sei wie eine Flamme: “Alles fließt, und nichts bleibt”, was besagt, daß das Leben immer im Fluß ist und sich somit in ständiger Bewegung befindet. Was diese Bedeutungen betrifft, so ist die Urflamme, die das europäische Gefühl des Seins belebt, dieses strahlende Licht des faustischen Europas, ewig lebendig und brennt seit jeher hell in den Seelen aller Europäer.

In diesem Sinne ist die Idealisierung und regelrechte Fetischisierung längst vergangener Völker, Ideen und ästhetischer Bilder der Sache Europas abträglich und dient an und für sich keinem anderen Zweck als dem der Ablenkung. Die faustische Seele Europas, das lebendige Feuer, das belebt und vorantreibt, ist die Fortführung desselben Geistes, der schon die Völker unserer Vorfahren beseelt hat und jedem von uns innewohnt.

Diese brennende Flamme durchdringt und veredelt alle Völker Europas und treibt uns an, Grenzen zu sprengen und neue Wege zu beschreiten. Wir Europäer ehren diejenigen, die uns vorausgegangen sind, und zwar nicht, indem wir uns als gefühllose Wesen im Nebel antiquierter historischer Kleinigkeiten verlieren, sondern indem wir danach streben, dem Geist nachzueifern, der unsere Vorfahren zu immer größeren und höheren Leistungen anspornte. Wir “bewundern” und würdigen die Vergangenheit durch unser Handeln hier in der Gegenwart.

Der Begriff “faustisch” wird oft verwendet, um die Seele Europas und seiner Völker zu beschreiben, aber woher kommt der Begriff und was bedeutet er? Die Legende von Faust reicht Jahrtausende zurück in die Tiefen unseres indoeuropäischen und später indogermanischen Erbes und unserer Mythologien. Christopher Marlowe und später Johann Wolfgang von Goethe brachten die Faust-Legende über die Kunst der Literatur in den modernen Sprachgebrauch ein, insbesondere durch die “Tragische Geschichte vom Leben und Sterben des Doktor Faustus” bzw. “Faust”. In den beiden literarischen Versionen des Faust-Mythos von Marlowe und Goethe war Faust ein Gelehrter und Alchimist, der im Austausch für Wissen und irdisches Glück einen Handel mit dem “Teufel” einging [2]. In historischer und zivilisatorischer Hinsicht wurde der Begriff von Oswald Spengler in seinem Hauptwerk ›Der Untergang des Abendlandes‹ wiederbelebt und neu interpretiert. Spengler zufolge läßt sich die westliche Zivilisation hinsichtlich ihrer zivilisatorischen Ausrichtung am besten als faustisch charakterisieren. Genauer gesagt zeichnete sich die westliche Zivilisation für Spengler durch einen dynamischen, ruhelosen und wagemutigen Geist aus, der ständig nach neuen Horizonten, nach Fortschritt und technologischer Innovation strebte.

Für uns heutige Europäer ist die Legende von Faust viel mehr als die Geschichte eines Mannes, der seine “Seele” an den “Teufel” verkauft. Er verkörpert das lebendige Feuer, das unserem eigenen ontologischen Wesen innewohnt. Faust war ein Mann, der sein Leben, seinen Leib und seine Seele für das Streben nach umfassendem Wissen opferte, ähnlich wie in den nordischen Sagen von Odin berichtet wird, der sein Auge opferte und sich selbst opfernd neun Tage am großen Weltenbaum Yggdrasil hing [3].

Die außergewöhnliche Geschichte, Kultur und Zivilisation Europas sind die Folge eben dieses feurigen Geistes, der in der Seele aller europäischen Völker wohnt. Es ist der Urgeist, das große, lebendige heraklitische Feuer, das tief in der Seele des europäischen Menschen lodert und seine Leidenschaften und seinen Drang zur Überwindung aller Grenzen in einem Streben nach Unsterblichkeit antreibt, das sich im Handeln und in Taten manifestiert. Unter dem Firnis der solipsistischen Fäulnis, von der es derzeit befallen ist, wird das faustische Europa überleben, sofern wir, die Hüter seiner heiligen Flamme, bereit und in der Lage sind, das Feuer am Brennen zu halten. Nach Nietzsche ist der Mensch der Zukunft derjenige, der durchhalten kann. Als lebendige Verkörperungen des faustischen Europas ist es an uns, die harten Realitäten dieses postmodernen Zeitalters der dissolutiven Fragmentierung zu ertragen und zu überdauern.

Im altnordischen ›Hávamál‹ erinnert uns Odin daran, daß “[k]attle sterben, und Verwandte sterben, und wir selbst werden sterben; aber der gerechte Ruhm stirbt nie, für die, die ihn erreichen können”. Dieses altnordische Sprichwort ist im Zeitalter des Verfalls und der Demokratie von besonderer Bedeutung. Darüber hinaus ruft Odin uns auf, durch unsere Taten und Werke, ob heldenhaft oder alltäglich, ewig fortzuleben. Wenn wir die unerträgliche Gegenwart ertragen und heldenhaft handeln können, bleiben wir uns, unserem Volk und unseren Vorfahren treu.

Von der pleistozänen Eiszeit über die eurasischen Steppen und die Punischen Kriege bis hin zur Eroberung der “Neuen Welt” hat der europäische Mensch eine Vielzahl von Kämpfen zu bestehen gehabt. Und doch sind wir den Widrigkeiten stets mit triumphierender Ehre begegnet und haben uns ihnen erhobenen Hauptes gestellt. Die Herausforderungen von heute sind subtiler, nuancierter und komplexer als die der Vergangenheit, aber gerade in dieser Komplexität des Umbruchs haben wir die Möglichkeit, uns durch unser Handeln und unsere Taten auszuzeichnen.

In seinen Briefen schreibt der römische Stoiker Seneca: “Solange es Leben gibt, gibt es Hoffnung”. Doch heute, in unserem dekadenten Zeitalter, ist das Leben bis zur Unkenntlichkeit verzerrt und verdreht worden durch die Oberflächlichkeit und Selbstsucht. Aber wir sollten nicht vergessen, daß Seneca diese Zeile als Warnung an den griechischen Tyrannen Telesphorus schrieb, der in seinem verzweifelten Festhalten am Leben um jeden Preis seine Ehre verlor und seine Seele verkaufte.

Denn was ist das Leben wert, wenn es durch Betrug und Unehre erhalten wird? Ein solches Leben ist nichts anderes als ein wandelnder Tod, ohne die Vitalität und die Ehre, die das lebendige Feuer ausmachen, das die Seele Europas ist. Wir dürfen nicht zulassen, daß wir die Vergangenheit fetischisieren, denn damit würden wir sie pervertieren und ihrer Bedeutung berauben. Vielmehr müssen wir begreifen, daß die Bedeutung der Vergangenheit in der Gegenwart durch unser Handeln, durch unsere Entscheidungen und Taten zum Ausdruck kommt. Als Erben des Erbes von Seneca, der alten Römer, der Griechen und der germanischen Gründer des modernen Europas sind wir ein und dasselbe. Unsere wahre Bestimmung ist es, die Flamme des faustischen Geistes, die durch unsere Adern fließt, neu zu entfachen und das gesunde und kraftvolle Europa, das in uns lebt, wieder aufleben zu lassen. Wie Hilaire Belloc uns daran erinnert, ist Europa der Glaube und der Glaube ist Europa.

Parallel dazu ist das faustische Feuer Europas eines der Überwindung und Transzendierung aller Begrenzungen, ein Geist, der durch Nietzsches aktiven Nihilismus verkörpert wird, eine monumental vitale Macht, deren zerstörerische Kraft den Weg für neues Leben ebnet. Unser Ziel ist nicht nur die Selbstüberwindung, sondern die Gestaltung der Welt nach unserem Willen.

Die Welt, in der wir uns befinden, ist eine kaputte und wir dürfen uns bei ihrer Überwindung nicht von ihrer Entartung auffressen lassen, sondern müssen, wie bei Nietzsche, der Hammer sein, der sie zertrümmert. Um auf die weisen Worte Senecas zurückzukommen: Wir leben in einer Welt des Todes, der libido moriendi (lateinisch: “Todeslust”), einer Welt, die der unbändigen Vitalität der faustischen Flamme Europas zuwiderläuft. Als Hüter dieser Flamme sind wir nicht durch irgendeine tangentiale Abstraktion gefesselt und kontrolliert, nicht im Schlamm des Pessimismus oder des Optimismus versunken, sondern vielmehr von dem unstillbaren Impuls geleitet, alles zu überwinden, was unser Volk und unsere Zivilisation gefangen hält. Wie Julius Evola meinte, ist es unser Schicksal, die Grenzen der Welt zu überwinden und eine Wiedergeburt des faustischen Geistes herbeizuführen.

Sowohl übermäßiges Glück als auch übermäßiger Kummer sind Leiden, die den Menschen schwächen und verderben und den Beginn einer auf den Tod fixierten Zeit markieren. Unser gegenwärtiges Zeitalter ist durch eine Fixierung auf den Tod gekennzeichnet, was sich in den Handlungen der Menschen und in der Weltanschauung, die ihr Wesen durchdringt, zeigt.

Ist es der selbstmörderische Altruismus, der die Einwanderungspolitik der westlichen Zivilisation leitet, oder ist es etwas noch Unheilvolleres? Sind Männer, die zu Frauen werden, und Frauen, die zu Männern werden, das Ergebnis eines organischen Prozesses oder Phänomens? Ich glaube nicht. Ein perverser Einfluß, ein Geist, der der Seele Europas zuwiderläuft, hat die Vorgaben unserer evolutionären Programmierung ausgenutzt und manipuliert. Unser kollektives Scheitern als Individuen, als Teile eines größeren zivilisatorischen Ganzen, ist das Ergebnis unserer Abweichung von den faustischen Prinzipien, die unsere Vorfahren geleitet haben. Und genau hier, in dieser Abweichung von unserer wahren Natur, schlägt der Feind zu!

Wenn wir, die Hüter der Flamme, unserem angestammten Selbst und der Reinheit des Handelns, die ihm zugrunde liegt, treu bleiben, ist die zivilisatorische Regeneration möglich. Obwohl wir uns in einem Zustand des Niedergangs befinden, in einem Zeitalter der Entartung und des Todes, können wir den kleinen Tod, der uns umgibt, überwinden, sofern wir uns selbst und unserem Volk treu bleiben. Wie Henry Wadsworth Longfellow in seiner Schrift verewigt hat: “Es gibt keinen Tod! Was so scheint, ist ein Übergang; dieses Leben des sterblichen Atems ist nur ein Vorort des elysischen Lebens, dessen Pforte wir Tod nennen.” Der Weg des höheren Typs, des Nietzsche’schen Übermenschen, verlangt von uns, daß wir den Geist der Überwindung in uns aufnehmen, indem wir die Grenzen von uns selbst und der uns umgebenden Welt übersteigen.

Beweise für den zivilisatorischen Niedergang gibt es zuhauf, von der massenhaften demografischen Verdrängung bis zur jüngsten Absurdität des Transgenderismus, und das Erkennen dieser Entartung in all ihren Formen ist der erste Schritt, der notwendig ist, um sie zu überwinden. Unsere heutige Gesellschaft zelebriert das Banale und Mittelmäßige, und durch unsere eigene Gleichgültigkeit und unser Festhalten an anti-faustischen Idealen haben wir die Hochkultur, die einst im Westen blühte, zugrunde gerichtet bzw. lassen sie durch Untätigkeit sterben.

Die westliche Zivilisation mag im Sterben liegen, aber die Völker Europas und der Geist der Flamme, die wir alle in uns tragen, sind es nicht. Doch wie können wir den Abwärtstrend der westlichen Zivilisation aufhalten? Welche Maßnahmen können wir ergreifen, um ihren Niedergang aufzuhalten und umzukehren? Die Antwort ist einfach: Wir müssen zuerst auf der Ebene des Einzelnen tätig werden. Mehr noch, durch das individuelle Streben nach Exzellenz, Schönheit und Ruhm können wir die Perversität der heutigen Zeit überwinden.

Die postmoderne Welt und die westliche Zivilisation werden durch den Todeskult des Liberalismus beherrscht, der auf die Zerstörung aller wahren Werte und Identitäten aus ist. Die morbide Kultur des Todes, die uns umgibt, ist aus unserer eigenen inneren Schwäche entstanden, die von einem fremdartigen Anderen ausgenutzt wurde, und als solche kann sie durch eine Demonstration von Stärke durchbrochen werden. In diesem Zusammenhang bedeutet Stärke die Fähigkeit, durchzuhalten, sich gegen alle Widerstände durchzusetzen und in allen Dingen nach dem Höchsten zu streben.

Wir erweisen unseren Vorfahren die Ehre, nicht indem wir sie einfach imitieren, sondern indem wir uns die Qualitäten wieder zu eigen machen, die die Europäer groß gemacht haben. Wir müssen uns in Bewegung setzen, handeln und uns selbst weiterentwickeln, um die westliche Zivilisation erneut auf ihre einst glorreichen Höhen zu bringen.

Das faustische Feuer Europas wohnt in den Herzen aller europäischen Völker, ungeachtet der gegenwärtigen schlimmen Umstände, und solange wir leben und unserem angestammten Selbst treu bleiben, lebt Europa.

Wie Dominique Venner schrieb: “Die Natur als Fundament, die Exzellenz als Ziel und die Schönheit als Horizont”. Wenn es uns gelingt, diesen Idealen treu zu bleiben und die Verwerfungen der heutigen Zeit zu ertragen, wird die Zukunft Europas und seiner Zivilisation hell und strahlend sein!

Quelle: https://arktos.com/2023/04/16/europe-the-flame-that-burns/

 

Anmerkungen der Redaktion

[1] “Faustischer Geist” verstanden als das Streben nach Wissen und Weisheit, als evolutiver Drang, evolutive Kraft

[2] Der “faustische Geist” in seiner entarteten Form, die wir gegenwärtig in der Maßlosigkeit der Technik, den gigantischen Finanzspekulationen, im uferlosen Profitstreben und  anderen Exzessen erleben, ist jene “Hybris”, die die Völker der Antike verurteilt hatten. Das Wort “Hybris” kommt zuerst in den Gedichtsepen Homers vor. Das griechische Zeitwort ›hybrizein‹ bedeutet “maßlos handeln, übereifrig sein, ungerechtfertigte Gewalt an den Tag legen”. Die Gewalt der Menschen rief die Gewalt der Götter hervor: Nemesis, die Göttin der Empörung und der gerechten göttlichen Rache, trat auf den Plan.

[3] Strebend nach Wissen und Weisheit opferte Odin sein Auge, als er Mimir aufsuchte, den Hüter einer Quelle der puren Weisheit, die sich unter dem Weltenbaum Yggdrasil befindet. Odin bat Mimir um einen Schluck aus der Quelle, doch forderte dieser als Opfer für die Weisheit, daß Odin sein Auge in den Brunnen legte. Nachdem Odin sein Auge geopfert hatte, brachte es sich selbst als Opfer dar, indem er sich neun lange Tage an den Weltenbaum Yggdrasil hängte, um im Gegenzug noch mehr Weisheit und Erkenntnis zu erhalten.
 Odins Opferung für Wissen und Weisheit wird anhand von Überlieferungen als symbolischer Tod beschrieben, der anschließend mit einer Wiederauferstehung einhergeht.

 

 

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