Karl-Heinz Hoffmann

27. Oktober 1937

Eine deutsche Familiengeschichte
gibt Einblick in die gesellschaftlichen
Verhältnisse vergangener Zeiten

Erzählt von
Karl-Heinz Hoffmann und
Hans Schwinger

 

Jeder von uns trägt in sich das genetische Erbe seiner Ahnen. Der genetische Pool in seiner Gesamtheit bestimmt neben den auf uns einwirkenden äußeren Einflüssen die Entwicklung und Entfaltung unserer Persönlichkeit.

Beileibe nicht jeder ist sich dessen bewußt, aber die Frage, warum man so ist, wie man ist, beschäftigt von Fall zu Fall mehr oder weniger uns alle.

Vor einiger Zeit überraschte mich jemand, der die Mitte seines Lebens schon überschritten hatte, mit der Frage: „Warum ist der Eine gut und der Andere schlecht?“

Ich gebe zu, um eine spontane Antwort verlegen gewesen zu sein, doch die Frage beschäftigte mich längere Zeit. Heute würde ich antworten: Abgesehen von der wichtigen Erkenntnis, daß die Begriffe „gut“ und „böse“ keineswegs absolut, sondern relativ aufzufassen sind, kann gesagt werden: Was der Mensch tut oder unterläßt, wie er auf die Herausforderungen des Lebens reagiert, was er leistet und was er fühlt, wird in seinem Gehirn entschieden.

Soweit es erlernbares Wissen angeht, ist nichts im Kopf, was nicht zuvor von außen hineingekommen ist. Auf welche Weise, mit welchem Resultat die aufgenommenen Eindrücke und Informationen emotional, intellektuell und praktisch verarbeitet werden, ist als Erbanlage im Gehirn angelegt.

„Dumm geboren und nichts dazu gelernt“, in diesem Sprichwort liegt viel Weisheit. Der Volksmund hat den Nagel auf den Kopf getroffen.

Positive Anlagen können nur dann entwickelt und zur Entfaltung gebracht werden, wenn sie vorhanden sind. Glauben wir, über besondere Fähigkeiten zu verfügen, so sollten wir versuchen zu ergründen, mit welchen vererbungsfähigen Elementen der uns bestimmende genetische Pool in der Zeit vor uns angereichert wurde.

Um etwas über unsere persönliche genetische Bestimmung zu erfahren, um zu erkennen, warum wir so sind, wie wir sind, müssen wir uns mit den Lebensgeschichten unserer Vorfahren befassen. Wir müssen so nah wie möglich an unsere familiären Wurzeln heranzukommen versuchen. Dazu bedarf es entsprechender historischer Informationen.

Unter der Prämisse „Soweit die Wurzeln reichen“, habe ich mich mit der Betrachtung meiner Vorfahren bemüht zu ergründen, warum ich so bin, wie ich bin. Dabei hat mich der Umstand begünstigt, über zahlreiche, bis in vergangene Jahrhunderte hineinreichende historische Dokumente zu verfügen.

Vier in ihrer Art unterschiedliche Familienstämme sind es, die ich in meine Betrachtungen einbezogen habe. Die aus dem mainfränkischen Raum stammenden Freiherren von Bibra zu Schwebheim, die Winzer-, Braumeister- und Beamtenfamilie Hoffmann, die thüringische Fabrikantenfamilie Lehmann und die Gutsherrnfamilie Blöttner aus dem thüringischen Hexengrund.

Schloß Schwebheim, Rekonstruktion, Gouache von Karl-Heinz Hoffmann

Wenn ich dabei beinahe durchgehend nur die Lebensleistungen der männlichen Vertreter des jeweiligen Familienzweiges würdige, so soll damit die Bedeutung der Frauen keineswegs als unwichtig erachtet werden. Die Vernachlässigung der zu jeder Zeit von den Frauen erbrachten Leistung ergibt sich vielmehr zwangsläufig aus der gesellschaftlichen Stellung der
Frau in den hier behandelten Epochen.

Auch wenn unbestritten hinter jedem erfolgreichen Mann eine starke Frau steht, so bleibt es – von wenigen Ausnahmen abgesehen – Tatsache, daß die gesellschaftlichen Verhältnisse in den vorangegangenen Jahrhunderten bis zu Anfang des 20. Jahrhunderts von Männern bestimmt wurden. Deshalb sind nur berichtenswerte Informationen über männliches Handeln auf uns überkommen, während wir von den Frauen kaum mehr als ihre Geburts- und Sterbejahre, sowie Eheschließungsdaten und Angaben zur Anzahl und Geschlecht der von ihnen auf die Welt gebrachten Kinder in Erfahrung bringen können.

Daß wir zu wenig, in den meisten Fällen nichts über das Wesen und die Lebensleistungen der Frauen erfahren, ist bedauerlich, weil natürlich bei der Vereinigung von Mann und Frau beide den gleichen Anteil an der Weitergabe des Erbgutes haben.

Mit fortschreitendem Werdegang meiner historischen Studien ist mehr daraus geworden, als nur eine pietätvolle selbstbezogene Familiengeschichte. Es wurde zu einem Sittengemälde der Ständegesellschaft in vergangener Zeit und dürfte somit für einen größeren Kreis historisch interessierter Leser von Belang sein.

Karl-Heinz Hoffmann mit seinem Freund, dem Puma

Im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen zwei, weit in die Vergangenheit zurück verfolgbare Familien, die von Herkunft und Lebensführung unterschiedlicher nicht sein könnten. Die uradelige Familie der Freiherren von Bibra zu Schwebheim und die bürgerliche Unternehmerfamilie Lehmann.

Während der Adel seine geschichtliche Stellung vornehmlich tradierten Privilegien zu verdanken hatte, konnten gesellschaftliche Karrieren nicht „hochwohlgeborener“ Bürger nur durch Geschick und unermüdliche Energie und nicht zuletzt auch durch Wagemut und Risikobereitschaft zustande kommen.

Wie am Beispiel meiner Betrachtungen erkennbar ist, war der mit wirtschaftlichen Erfolgen verbundene Aufstieg zu Rang und Namen über Generationen hinweg kontinuierlich anhaltenden Anstrengungen zu verdanken. Dabei konnte das mit dem freien Unternehmertum verbundene Risiko jederzeit durch nicht beherrschbare äußere Einflüsse zum Absturz ins
Nichts führen.

Die Adligen konnten, je nach der Qualität ihrer Erbanlagen, das ererbte materielle Gut pflegen und vermehren, oder durch Nichtstun verkommen lassen, oder einfach aussterben. Auch das wird in der hier vorliegenden Arbeit deutlich gemacht.

Das Buch will sachlich korrekt informieren, soll aber auch unterhalten. Im literarischen Ausdruck bleibe ich absichtlich, dem gewählten Sujet entsprechend, etwas „biedermeierlich”.

Ebenso bewußt verzichte ich auf eine streng chronologische Abhandlung der Fakten, denn ich wollte keinen sterilen genealogischen Almanach verfassen, sondern lebendige Einblicke in die Lebenswirklichkeit der Menschen vergangener Zeiten ermöglichen.

Ich steige irgendwo ein, plaudere vor mich hin und wechsle bei passender Überleitungsmöglichkeit Zeit und Ort der Geschehnisse.

Nicht zuletzt ist es auch mein ganz persönliches Anliegen, herauszuarbeiten wie stark die Söhne der Lukretia von Bibra, darunter mein Vater, von der Lebensleistung ihres berühmten Urgroßvaters Dr. med. et phil. Ernst Freiherr von Bibra inspiriert waren, weil auch ich selbst davon nicht unberührt geblieben bin.

Der erste, aus meiner Feder geflossene Teil des Buches läßt, soweit es die Beschreibung des unnachahmlichen Lebenswerkes meines Ur-Urgroßvaters Ernst Freiherr von Bibra betrifft, aus gutem Grund eine weiter ausholende und tiefer gehende Erörterungen vermissen.

Dr.med.et phil. Ernst Freiherr von Bibra

Die Erzählung dieser zur Abrundung meiner Familiengeschichte unverzichtbare Beleuchtung des hervorragendsten Sohnes seiner Familie habe ich mit großer Freude meinem über diese Arbeit zum Freund gewordenen, aus Schwebheim stammenden Historiker und Buchautor Hans Schwinger überlassen. Ich selbst hätte das Thema nicht in dieser umfassenden und spannend geschriebenen Darstellung umreißen können.

Hans Schwinger hat über Jahre hinweg mit bewundernswerter Sorgfalt Quellenmaterial zur Familie der Freiherrn von Bibra, ganz besonders zu dem Wissenschaftler, Romancier und Schöngeist Dr. Ernst von Bibra gesammelt und die Ergebnisse der Quellenbearbeitung in mehreren Büchern zusammengefaßt.

Zu nennen sind hierzu neben dem im hier vorliegenden Werk vorgestellten Titel:

Ein Humboldt aus Franken Dr. Ernst von Bibra,
Sein Leben und Wirken in Zeiten der Unruhe und des
Wandels

auch

Die Schwebheimer Linie derer von Bibra

sowie

Ein Söldner und Diplomat, Johann Ernst von Bibra
und seine Zeit

und die von Hans Schwinger bearbeitete Schrift:

›Freimüthige Beleuchtung der gegenwärtigen Verhältnisse des Adels

zu Fürst, Bürger und Bauer‹

von Freiherrn von Bibra, Dr. med et phil.

 

Meinem Freund Hans Schwinger gebührt mein aufrichtigster Dank für die unerschrockene Zusammenarbeit mit einem nicht allseits geliebten Kritiker der in unserer Zeit herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse.

Dies ist der Prolog aus einem bislang unvollendeten Manuskript von bisher 279 Seiten, reich bebildert und mit historischen Dokumenten, das auf die Veröffentlichung wartet.

Wer durch eine Spende oder Buchpatenschaft das Projekt unterstützen möchte, möge sich bitte direkt an den Autor wenden.

Kontaktadresse: 

karl-heinz.hoffmann@mein.gmx