„DIE HÖLLE VON SCHWANDORF“

Hocken in den Maschinen Reptilien-Seelen,
wie sie Kinderfleisch von den Knochen schälen,
sind das noch Soldaten in staatlicher Kluft,
die Tausende bomben in Grauen und Gruft ?
 
Maschinenbleche, sie rattern und beben,
„töten – töten“, ihr geistloses Streben.
Gedanken des Mitleidens kennen sie nicht,
darin lenken die Henker mit starrem Gesicht.
 
Der kleine Bahnhof, die Plätze, die Straßen -,
sieht ein Gott die brennenden Menschen rasen ?
Lebendige Fackeln -, ein Taumeln, ein Fall -;
schwarz-schwelende Klumpen dann all überall.
 
Gestalten hasten, sie suchen nach Leichen,
ob sie Großvater oder dem Brüderchen gleichen ?
Ein schlotterndes Mädchen an Mutters Hand,
es stiert in den Wirbel der Furien gebannt:
 
„Sag‘, Mutter“, gellt sie im Donner-Gerölle,
„Mutter, sind wir jetzt in des Teufels Hölle ?“
Und sie drehen die Köpfe der Toten herum,
sie suchen den Vater, die Mutter bleibt stumm.
 
Auf Gleisen des Bahnhofes stehen die Wagen,
Schienen wie Schwurfinger himmelwärts ragen.
Voll wimmernder Kinder, ein ganzer Waggon,
sie kamen von Schlesien und doch nimmer davon.
 
Hoch erhaben in Lüften, die silbernen Geier,
die Brand- und Splitter- und Phosphor-Speier.
Zwei dünne Beinchen, sie hasten im Trab –,
„Da rennt eine Nazi, so schießt sie doch ab !“
 
Das Kind schaut auf zum blitzenden Schatten,
für Jäger-Piloten sind die Kinder nur Ratten,
den Einmann-Bunker erreicht sie mit Müh‘,
schon rattern die Salven der stählernen Sprüh.
 
Der Hölle von Schwandorf zagt sie noch heute,
nächtens gequält von der Alpträume Meute,
wo sind sie, wo sind sie, die einstigen Lieben ?
Sie sind in der Hölle von Schwandorf geblieben.

(Nach dem Erlebnisbericht der im Jahre 2016 80-jährigen Helga Sura aus Fürth)

 

Schwandorf ist eine Kreisstadt im Regierungsbezirk der Bayerischen Oberpfalz. Zum Ende des Zweiten Weltkrieges, am 5. April 1945 wurde der Bahnhof zum wiederholten Mal von strategischen Flächenbombern und Tieffliegern angegriffen. Warum gerade diese kleine Stadt derart höllisch – in den letzten Kriegstagen wo der Krieg für die Alliierten längst gewonnen war – heimgesucht wurde, ist nicht ersichtlich. Acht US-Tiefflieger nahmen am 10. April 1945, um 13:45 Uhr die Züge in Schwandorf unter Beschuss. Die feindlichen Jabos schossen – wie vielfach bezeugt worden ist – auf einzelne Erwachsene und Kinder. Ob das auch in Schwandorf geschah ist nicht bezeugt. Einige wenige MG-Schützen soll es gegeben haben, laut Wikipedia. Sie – wenn tatsächlich vorhanden – müssen absolut überfordert gewesen sein, angesichts einer feindlichen Luftkriegsmassierung an abgelegener Ortschaft. Meine Augenzeugin hat weder MG-Schützen gehört noch gesehen.

Am 17. April 1945 warfen nächtens zwischen 3:52 Uhr und 4:07 – also innerhalb einer Viertelstunde – die Flugzeuge der Alliierten 633,3 Tonnen Bombenmaterial ab. Es waren kanadische und britische Bomber der „Royal Air Force“ die mit 167 Lancaster-Bombern und acht Mosquito-Jagdbombern den Bahnhof und die Stadt niedermachten. Das Bombardement verwüstete die Innenstadt bis hinüber zum Kreuzbergviertel. In dieser Nacht standen mehrere voll besetzte Züge auf den Bahnhofsgleisen, darunter vier Verwundetentransporte und ein Zug mit 60 aus Prag (?) evakuierten Kindern. Sie alle waren dem Bombenhagel schutzlos ausgeliefert, viele von ihnen starben. Die Lazarettzüge hatten – wie üblich – Rotkreuzmarkierungen auf den Dächern. Die Überlebenden erlebten unvorstellbare Szenen.

Laut Wikipedia gab es auch einen Eisenbahnzug mit KL-Häftlingen, welcher wie alle anderen im Bombenfeuer lag. Davon hat meine Zeitzeugin nichts wahrgenommen, was nicht viel besagen will, sie war ein achtjähriges Kind. Aber gestreifte Häftlingskleidungen wären ihr aufgefallen. Die Häftlinge sind offenbar nicht durch den Bahnhof geführt worden. Ihr Vater lag in einem der Waggons des letzten mit Verwundeten aus Brünn herausgekommenen Züge. Während die Mutter den Vater unter den Überlebenden in den Leichenhaufen suchte, wurde das Kind– in dichterischer Zusammenschau – von „Jabos“ beschossen und konnte sich einem Einmannbunker vor den Tieffliegersalven retten. Dieses „Einmannbunker-Erlebnis“ des Mädchens fand allerdings bereits zuvor in Oberschlesien auf dem großen Hof der „Emmagrube“ statt, als die Mutter den Papa im Brünner Lazarett besuchte. Einmannbunker waren zuckerhutähnliche Betonkegel.

Mit dem letzten Verwundeten-Zug kam die Familie Sura aus Brünn heraus, der Vater als Verwundeter, Mutter und Kind – unerlaubt aber geduldet – im Küchenwaggon. Als der Zug in Schwandorf einfuhr, begann das Bombardement, in dessen Verlauf die letzten drei Waggons umstürzten. Mutter Sura suchte dort unter Toten und Verwundeten ihren Mann. Die Zeitzeugin hörte währenddem Männerschreie: „Zieht um Gotteswillen den Zug heraus“. Dabei muß es sich um einen Munitionszug gehandelt haben.

Zuerst befanden sich etliche Menschen in und vor dem nicht getroffenen Postgebäude. Bei der weiteren Flucht in Richtung Stadt brannte der Asphalt. Dort lagen verkohlte Menschenleiber und das Kind fragte die Mutter, was das sei. Da sagte die Mutter: „Da haben Kinder ihre Puppen weggeworfen.“ Hier fragte das Kind seine Mutter, ob das nun die Hölle wäre, von der ihr als Katholikin erzählt worden ist.

Von einer Verteidigung Schwandorfs kann zu dieser Zeit keine Rede sein, da während der überfallartigen nächtlichen Luftterrorangriffe eine Abwehr völlig ausgeschlossen war. Es standen weder Flugabwehrkanonen (Flak) in Stellung, keine Scheinwerfer, keine Jägerabwehr in der Luft. In der Dunkelheit und der extremen Rauchentwicklungen wäre eine Verteidigung ohnehin unmöglich gewesen. Es ging dem Kriegsgegner in dieser Endkriegsphase allein noch um die Auslöschung möglichst vieler Deutscher. Anders sind die vielen Angriffe auf Innenstädte und Lazarettzüge nicht zu deuten. Ebenso ergänzen das dergestalte Bild die eindeutigen Befehle von US-Generalen und unteren Truppenführern, keine Gefangenen zu machen, so daß beim Vormarsch der US-Truppen deutsche Soldaten, die sich ergeben wollten, vielfach niedergemäht wurden.

Selbst „waffenlose“ Kriegsberichterstatter, wie wir aus den freimütigen Bekenntnissen von Ernest Hemingway erfuhren, durften ungeahndet deutsche Kriegsgefangene „beim Verhör“ erschießen. Der berühmte Autor und Nobelpreisträger bekannte sich unverfroren zu über hundert Morden an deutschen Männern, ein ca. 12-Jähriger war darunter. Die sog. „Genfer Konvention“ war wohl den meisten der Täter völlig unbekannt geblieben. Bei der Weiterwanderung der Helga Sura in Richtung Kloster Ettmannsdorf sah sie erschossene deutsche Soldaten auf den Wiesen liegen, die ihre Hände im Nacken gefaltet hatten. Bei Fronberg fiel ein Kinderschänder in einem der vielen Bombentrichter über sie her, der aufgrund seines fremden Aussehens wohl ein entlaufener Sträfling gewesen sein muß. Die anderen Kinder kannten ihn schon und riefen Hilfe herbei.

Flüchtlingskind aus Fröbel/Oberschlesien, Helga Sura, Sommer 1945

Angeblich sollen 1.250 Menschen, unter diesen Flüchtlinge und Heimatvertriebene aus den deutschen Ostgebieten und ca. 500 Schwandorfer Zivilisten unter diesem Luftterror auf grausamste Weise gemordet worden sein. Getötet wurden fast fünf Prozent der damaligen Einwohner. In Wahrheit ist jedoch die Gesamtsumme nie zu ergründen gewesen, da die verbrannten Leichen als solche oftmals gar nicht mehr zu erkennen waren, wie es Augenzeugenberichte darlegen. Hätte es nicht die unterirdischen Stollen gegeben wäre der Butzoll unter den Zivilisten noch höher gewesen. 514 Häuser wurden beschädigt und 674 vollständig zerstört. Vor dem Angriff hatte Schwandorf 1.361 Gebäude. Besonders betroffen war das Bahnhofsviertel, in den getroffenen Zügen starben unzählige Flüchtlinge, Soldaten und Verwundete. Einige Tage später am 23. April 1945 erreichten die ersten US-Verbände die Stadt Schwandorf. Die Stadt wurde anschließend von amerikanischen Truppen der 3. Armee besetzt. Erst nach einem vollen Monat waren die meisten Leichen geborgen. Die Bergungsarbeiten waren pietätlos: Körperteile und ganze Leichen wurden wie Schutt beiseitegeschafft. Der Krieg war zwar vorbei, seine Grausamkeit hallte aber auch in Schwandorf noch lange nach. Der Wiederaufbau von Schwandorf dauerte, entsprechend der verheerenden Bombardements, noch viele Jahre.

 

Bericht von Cornelia Lorenz

Es war einer der schlimmsten Tage in der Geschichte der Stadt: Die Bombennacht vor 70 Jahren kostete rund 1250 Menschen das Leben, 674 Häuser wurden zerstört und weitere 514 beschädigt. Alfred Wolfsteiner, Leiter der Stadtbibliothek, hat 2005 einen Bildband über die Ereignisse veröffentlicht. So einen Schicksalstag habe Schwandorf zuletzt vor rund 500 Jahren erlebt, sagt er. Am 10. August 1505 brannte die Stadt in den Wirren des Landshuter Erbfolgekriegs bis auf fünf einzelne Häuser komplett nieder.

Wie viele Schwandorfer damals den Tod fanden, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. Wolfsteiner vermutet aber, dass den meisten Bürgern die Flucht gelang, als sich das Feuer über die Stadt ausbreitete. So viel Zeit zur Flucht hatten die Menschen in der Bombennacht 1945 nicht: Sie mußten den Luftangriff der Royal Air Force mit 167 Lancasters und acht Mosquitos über sich ergehen lassen.

Warum die britisch-kanadischen Flieger so kurz vor Kriegsende Schwandorf mit einer Bombenlast von 633 Tonnen in Schutt und Asche legten, kann sich Wolfsteiner nur so erklären: „Es ging darum, letzte mögliche Widerstandsnester kaputt zu schießen“, vermutet er. Damit hätten die Alliierten den ungehinderten Vormarsch ihrer Bodentruppen sichern wollen. Den häufig genannten Grund, die Briten hätten mit der Bombardierung Schwandorfs einen wichtigen Eisenbahnknotenpunkt zerstören wollen, hält Wolfsteiner aus militärischer Sicht im Nachhinein für weniger sinnvoll.

Denn im April 1945 habe der Schwandorfer Bahnhof schon längst nicht mehr seine frühere Bedeutung gehabt, sagt Wolfsteiner: Die Eisenbahnlinien in Richtung Amberg und Weiden seien damals schon zerstört gewesen. Auch in Richtung Süden ging zu der Zeit nicht mehr viel: Nach der Bombardierung der Schwabelweiser Brücke in Regensburg sei auch der Bahnverkehr in diese Richtung zum Erliegen gekommen. Deshalb hätten sich im April 1945 die Züge im Schwandorfer Bahnhof richtig gestaut, da in die meisten Richtungen kein Fortkommen mehr möglich war.

Für viele Menschen, die sich in der Bombennacht gezwungenermaßen am Schwandorfer Bahnhof aufhielten, gab es deshalb auch keine Rettung. Besonders dramatisch: Auch ein Zug, der mit Kindern besetzt war, die eigentlich in sichere Gebiete verreisen sollten, wurde im Bombenhagel zerstört.

Warum sich die Bombardierung nicht auf den Schwandorfer Bahnhof beschränkte, sondern auch die benachbarten Areale wie Linden-, Rothlinden- oder Kreuzbergviertel massiv zerstört wurden, lässt sich im Nachhinein schwer beurteilen. Auch Wolfsteiner kann hier nur Vermutungen anstellen. Das Zielgebiet, der Bahnhof, sei eigentlich viel zu klein für einen Pulk von 175 Flugzeugen gewesen. Sein Fazit: „Wenn die Kriegsmaschinerie einmal läuft, dann läuft sie eben.“ – Wie naiv die meisten dt. Leute doch sind, dass es den Alliierten hauptsächlich darauf ankam, möglichst viele Deutsche umzubringen, hat noch immer kaum einer begriffen, obwohl die diesbezüglichen Zitate von z.B. Winston Churchill eindeutig sind.

 

MÖRDERISCHER ALLIIERTER LUFTTERROR GEGEN EINE KLEINSTADT

Fremdberichte: „Am 17. April 1945 wird Schwandorf von britischen und kanadischen Fliegern angegriffen und zu zweidrittel durch Bomben zerstört. Es war ein unvorstellbares Inferno. Niemand konnte die Toten zählen, aber es waren mindestens 1.250. Die meisten davon Schwandorfer, doch auch viele Flüchtlinge und Vertriebene, die heimatlos durch die Stadt irrten, verwundete Soldaten in Lazarettzügen am Bahnhof und viele andere. Im 3 km entfernten Ettmannsdorf brannten die aneinander gereihten Scheunen der Bauern Bäuml, Trummet und Fischer. Eine Bombe schlug in der heutigen Blumenstraße ein, direkt vor dem Wohnhaus der Familie Weigl. Das Haus wurde schwer beschädigt. Andere Bomben fielen hinter der Häuserzeile in die Felder. Zum Glück hatte Ettmannsdorf keine Toten zu beklagen. Wären die Bomben nur einige Meter anders gefallen, wären Wohnhäuser zerstört worden. Das Kloster, das schon in der Kriegszeit zu einem riesigen Lazarett umfunktioniert worden war, muße hunderte von Verletzten aufnehmen.“

Kirche und Kloster wurden beim Bombenangriff auf Schwandorf am 17. April 1945 fast vollständig zerstört. Frater Edmund fiel dem Angriff als einziger Bruder zum Opfer. Pater Leo und Frater Servaz konnten nach Pittersberg fliehen. Doch es gab einen Lichtblick inmitten von Zerstörung und Tod: das Gnadenbild hatte den Bombenangriff unbeschadet überstanden. Pater Otho brachte es sofort in den Felsenkeller des Pfarrhofs von St. Jakob. Am 24. April 1945 wurde das Gnadenbild schließlich in der Pfarrkirche St. Jakob aufgestellt und am 2. September 1945 in die neu errichtete Notkirche auf dem Kreuzberg überführt. Ein kleines Stück Normalität kehrte am 3. September 1945 mit der ersten Fußwallfahrt aus der Pfarrei Teublitz auf den Kreuzberg zurück. Die Teublitzer hatten in den letzten Kriegstagen eine Wallfahrt auf den Kreuzberg gelobt und lösten dieses Gelöbnis sofort ein.“

Beitragsbild: Bombardierter Bahnhof von Schwandorf
Quelle: https://www.oding.org/index.php/poesie-2/poesie/die-hoelle-von-schwandorf?highlight=WyJzY2h3YW5kb3JmIl0=