Joakim Andersen
erklärt die Anthropologie der „Neuen Rechten“ [1] und die Bedeutung von Gruppen, die ein „langes Gedächtnis“ besitzen.
Im Mittelpunkt der Kritik der „Neuen Rechten“ an der „modernen Welt“ und am Liberalismus steht das jeweilige Verhältnis dieser beiden zur Identität. Der „Liberalismus“ ist ein Feind der Identität, zum Teil deshalb, weil er keine Rücksicht auf das Nicht-Individuelle nimmt. Der Liberalismus ist in der Praxis ein Universalismus, der wurzellose „Individuen“ auch dort hervorbringt, wo es vorher keine gab.
Im Gegensatz dazu setzt sich die „Neue Rechte“ für das Recht auf Verschiedenheit und für Gruppen mit einem langen Gedächtnis ein. Die Art und Weise, wie die „Neue Rechte“ Kultur betrachtet, ist stark von dem deutschen philosophischen Anthropologen Arnold Gehlen beeinflußt.
Gehlen vertrat die Auffassung, daß sich der Mensch von anderen „Tierarten“ dadurch unterscheidet, daß er sich eine „zweite Natur“ schafft: eine Kultur. Dies ist auf die Unzulänglichkeit der menschlichen Instinkte im Umgang mit der Welt zurückzuführen. Wenn man die Kultur abschafft, bleibt wenig von den Eigenschaften übrig, die wir im allgemeinen als menschlich empfinden. Die Kultur ist die Summe dieser zweiten Natur, was bedeutet, daß sie sich in ständiger Entwicklung befindet. Wir lernen ständig neue Dinge und bewerten die Dinge, die wir zuvor gelernt haben, neu, wodurch sich unsere Kultur weiterentwickelt. Diese Entwicklung findet jedoch immer vor dem Hintergrund der bestehenden Kultur statt: Alles Neue, das uns begegnet, interpretieren wir mit Hilfe der Kultur, die wir bereits erworben haben. Dies ist eine organische und metamorphe Sicht der Kultur, die sich vom Haß der Liberalen auf Gewohnheiten und Traditionen sowie von der unveränderlichen, monolithischen Idealkultur der hypothetischen Erzreaktionäre unterscheidet.
Die von Heidegger beeinflusste „Neue Rechte“ vertritt die Auffassung, daß wir authentisch sind, uns selbst treu bleiben, wenn wir unsere Kultur leben. Unsere Kultur liefert uns Modelle für ein gutes Leben, und wenn wir diese uralten Vorbilder in unserer eigenen Zeit, mit unseren Artgenossen verkörpern, sind wir uns selbst treu und unser Leben wird dadurch wirklich sinnstiftend. Die Kultur verleiht uns einen Sinn und erklärt uns, wer wir sind und warum wir hier sind; unsere Kultur gibt uns eine Identität.
Mit der Betonung der unterschiedlichen Kulturen und Identitäten ist der Ethnopluralismus oder das „Recht der Völker“ verbunden. Das bedeutet, daß Ideen wie „die menschliche Rasse“ und „Menschenrechte“ weitgehend leere Konzepte sind, wenn man bedenkt, daß die Eigenschaften, die uns zu Menschen machen, in der Kultur verwurzelt sind und daß die Menschen nicht nur eine einzige Kultur haben, sondern unzählige, die sich alle voneinander unterscheiden. An dieser Stelle kommt das Konzept der Biokultur ins Spiel, das sich weder auf die biologische Rasse noch auf das bürgerlich-nationalistische Verständnis von Kultur reduzieren läßt.
Die Zukunftsvision der „Neuen Rechten“ ist eine, in der die europäischen und europäischstämmigen Völker in der „Neuen Welt“ ihren Lebenswillen und ihr langes Gedächtnis wiedererlangt haben. Die lange Erinnerung ist seit jeher in der Kultur bewahrt worden und hat im Laufe ihrer Geschichte immer wieder zu großen Leistungen geführt. Dabei geht es nicht um nostalgische Sehnsucht nach irgendetwas außerhalb der Realität oder der eigenen Gegenwart, sondern darum, diese Erinnerungen zu leben, so wie sie mit jeder neuen Generation immer wieder von neuem zum Leben erweckt werden.
Auf diese Weise sind unsere langen Erinnerungen immer auf die Zukunft ausgerichtet, und sie werden weiterleben, solange es Europäer gibt. Diese Sichtweise wird als ›Archäofuturismus‹ bezeichnet – ein nützliches Konzept, das der stets kreative Guillaume Faye in seinem gleichnamigen Buch weiter ausgearbeitet hat. In diesem Werk tritt Faye für eine Synthese zwischen archaischen Werten und futuristischer Technologie ein. Sie erinnert nicht so sehr an Evola oder Klages, sondern eher an Nietzsche und Locchi. Faye erklärt seinen philosophischen Ausgangspunkt als „vitalistischen Konstruktivismus“ und skizziert eine faszinierende Zukunft, die sowohl Hochtechnologie als auch kleinbäuerliche ökologische Landwirtschaft umfaßt.
Die Anthropologie der Neuen Rechten ist nicht monolithisch und hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Ursprünglich war sie von den Biowissenschaften beeinflußt, einschließlich der Soziobiologie, der Ethologie und der Humangenetik (Teile der letzteren werden heute manchmal als HBD, Humanbiodiversität, bezeichnet, aber dazu später mehr). Dies rückte die Ansichten der „Neuen Rechten“ in die Nähe derjenigen von Hans Eysenck und Konrad Lorenz. Seitdem haben sich de Benoist und andere allmählich einer eher soziologischen Anthropologie angenähert und sich vom Biologischen distanziert.
De Benoist wendet sich heute gegen Rassentheorien, in denen einige Gruppen als von Natur aus unterlegen gegenüber anderen angesehen werden. Andere Teile der „Neuen Rechten“ haben ihren Schwerpunkt jedoch nicht in der gleichen Weise verlagert wie de Benoist und haben ihre Anthropologie weiter in eine soziobiologische Richtung entwickelt. Die Unterschiede zwischen den Auffassungen sind graduell, und der wertvollste Beitrag der „Neuen Rechten“ zu diesem Bereich ist die Synthese von biologischer und kultureller Soziologie, die als ›Biokultur‹ bezeichnet wird. Dies erinnert an die Erkenntnis von Klages und Woltmann, daß einige Menschentypen in einem sich selbst verstärkenden Prozeß kontinuierlich aus dem Genpool einiger Gesellschaften ausgeschlossen werden.
In einer Kultur, in der der Profit über allem steht, sind es nicht die Träumer und Krieger, die am erfolgreichsten werden. Mit der Zeit prägt die Genetik die Kulturen und umgekehrt. Die „Neue Rechte“ zieht es vor, als ethnodifferentiell und nicht als „rassistisch“ bezeichnet zu werden, da es bei ihren Ansichten keineswegs um Haß (Xenophobie), sondern um die Anerkennung und Wertschätzung der Unterschiede zwischen verschiedenen Gruppen geht. Im Vergleich dazu sind die sogenannten Antirassisten meist nicht in der Lage oder nicht willens, solche Unterschiede anzuerkennen, und mißachten selbst die eindeutigsten wissenschaftlichen Beweise.
Auch die Ansichten der „Neuen Rechten“ über das multiethnische Europa, das aus einer jahrzehntelangen Massenzuwanderung hervorgegangen ist, sind sehr unterschiedlich. De Benoist hält eine vollständige Repatriierung nicht für realistisch und schlägt stattdessen eine Bevölkerungspolitik vor, die von der Anerkennung der Gruppen geprägt ist. Seine Lösung ist nicht die jakobinische Assimilation und Homogenisierung, sondern im Gegenteil eine Politik, die eher an das Hegelsche Konzept der wechselseitigen Anerkennung sowie an die „Minderheit und Mehrheit“ des deutschen Soziologen und Historikers Henning Eichberg erinnert.
Die derzeitige Situation, in der die Existenz der verschiedenen Gruppen geleugnet und zum Schweigen gebracht wird, ist verwirrend und unhaltbar. Andere in der Bewegung schlagen stattdessen die Rückführung vor, da sie der Ansicht sind, daß die multiethnische Gesellschaft andernfalls zu einem Bürgerkrieg und letztlich zum Untergang der europäischen Völker führen wird.
Anmerkung der Redaktion
[1] Das ›Thule-Seminar‹ wird üblicherweise der „Neuen Rechten“ zugeordnet, gleichwohl es sich selbst als „Neue Kultur“ kennzeichnet.
Die Gefährten des ›Thule-Seminars‹ in Deutschland, von ›Terre & Peuple‹ in Frankreich, ›Tierra i Pueblo‹ in Spanien, ›Terra i Povo‹ in Portugal verstehen sich primär als Ethnosozialisten, sprich: Ethnohumanisten, d.h. als die Avantgarde einer post-modernen, volklichen Welt- und Lebensanschauung – dem egalitären, kapitalistischen und globalistischen Moloch radikal entgegengesetzt. Nach ihrem Verständnis liegt die Ursache der gegenwärtigen Katastrophe auf volksbiologischer, politischer, kultureller, religiöser, wirtschaftlicher und ökologischer Ebene im Judäochristentum.
Angesichts der tödlichen Bedrohung der europäischen Völker muß allerdings die Religionsfrage in den Hintergrund treten und unsere viel wichtigere gemeinsame biokulturelle Herkunft uneingeschränkt im Mittelpunkt stehen, mit anderen Worten: Es ist von ausschlaggebender Bedeutung, unsere naturgegebene Einheit hervorzuheben und diese gegen alle zur Zeit nicht zielführenden Dissensen zu schützen.
Unser Neologismus ›Racialismus‹ (Pierre Krebs hat diesen Neologismus bereits Ende der 70. Jahre entworfen) oder ›Rassensurhumanismus‹ bedeuten Bewahrung und Schutz aller Rassen dieses Planeten. Er impliziert den Respekt, den man allen Rassen zollt, denn Rassenkenntnis fördert Rassenachtung, während Rassenleugnung zu Rassenverachtung und unweigerlich zu Rassenmord führt. ›Transmenschismus‹ bezeichnet dagegen die globale Panmixie, d.h. Vermischung aller Rassen auf diesem Planeten. [Zusammengesetzt aus: trans = über etwas hinaus, jenseits von etwas und Menschismus = identitätsloses Menschenkonglomerat]
Beitragsbild: Foto: Anne Schäfer-Junker
Quelle: https://arktos.com/2023/04/29/anthropology-identity-and-long-memories/
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