Gerhard Hess

 

Ein Palmbaum in Jerusalem
stand hoch am Galgen-Ort -,
er lebt als heidnisches Emblem
in unseren Zeiten fort !

Er beugte sich einst demutsvoll
vor Jesu Kreuzes-Tod,
es beugten ihn auch Leid und Groll
im Anblick solcher Not.

Es schmerzte ihn als „Lebensbaum“
auf Golgatha das Graun’n -,
des „Menschensohnes“ Lebenstraum
musst’ er zu Ende schau’n.

Doch geht die Sonne ihren Gang,
den Nächten folgt das Licht,
beugt sich auch Leben unter Zwang,
kein „Lebensbaum“ zerbricht !

Was in Judäa einst geschah,
was kümmert uns das heut’ ?!
Wir kommen ohne Jesus klar,
sein Tod uns nicht gereut.

Auch dieser Baum der Dattelfrucht,
den man im Orient ehrt,
entstammt er zwar der Gartenzucht,
gilt uns nicht ehrenswert !

Der „Lebensbaum“ ist ein Idol,
das war Germanien fremd,
er tut dem Morgenlande wohl,
das seine Datteln schlemmt.

Sein Bildnis hat es weit gebracht,
am Tigris nicht allein,
es ward Symbol der Kaisermacht,
bis hin zum Externstein !

Dort sah’s ein irrtumsträcht’ger Mann –
er war nicht somnambul –
doch kündete er den Wahn fortan,
es sei die „Irminsul“ !

Drum ehren deutsche Heiden jetzt,
des Orients Palmbaum-Bild -;
wer’s besser weiß ist bass entsetzt -,
die Zornesader schwillt !

 

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Abbildungen:

1. Dattelpalme (der „Lebensbaum“ des Orients)

2. Externstein-Palme: Diese ist in symbolischer Ausdrucksweise ohne Wipfelblätter als toter Baum gekennzeichnet, weil er die weltliche Macht des christl.-röm.-dt. Kaisertums vertreten soll, die von der Partei papsttreuer gregorianischer Mönche (Investiturstreit) im Sieg über Heinrich V. in der Schlacht vom Wel­fes­holz 1115 gedemütigt wurde. Von der Papstpartei wurde der Kaiser gehaßt, hatte er doch 1111 den Papst Paschalis in Rom gefangen genommen und seine Kaiserkrönung erzwungen. Der Gestus der Verbeugung bzw. Wegbeugung jener Palme im Externsteiner Kreuzigungsbild transportierte eine vielschichtige Symbolsprache für die damaligen Gläubigen. Da der kaiserliche Palmbaum durch das Drauftreten des Nikodemus vom Kreuz weggebeugt ist, kommt auch die mönchisch unterstellte Abkehr vom christlichen Papsttum durch den „Ketzer-König“ Heinrich V. zum Ausdruck.

3. Scheinheidnische Palmbaum-Ehrung, als vermeintliche Irminsul, ausgelöst durch den Laienforscher Wilhelm Teudt, der die Palmbaum-Ikonographie des Orients nicht studiert hatte. – Schauerlich mutet die Metapher deshalb an, weil ein deutsches Paar den gewissermaßen kastrierten orientalischen Palmbaum (ohne Mittelsproß) als ihr Leitbild hochhält.

4. Palmbaum auf dt. Kaisermantel – Es handelt sich um den Krönungsmantel des Normannenherrschers Roger II. (1134/35), der nach Heirat (1186) seiner Tochter Konstanze mit Barbarossa-Sohn Heinrich VI. (1165-1197), deutscher Kaisermantel wurde.

5. altsemitisches hl. Palmbaumbildchen

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Das Palmbaum-Zepter war Symbol des christl.-röm.-dt. Kaisertums, das auch das Königtum über Jerusalem besaß!

Salier-Kaiser Heinrich IV. übergibt seinem Sohn Heinrich V. die Herrscherinsignien (1106) in  idealisierter Darstellung (Krone, Reichsapfel und Palmbaum-Zepter). (Weltchronik des Ekkehard von Aura. Staatsbibliothek Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Cod. Lat. 295, fol. 99r) – Das was man in der Heraldik „Lilie“ nennt, ist aus dem variabel reduzierten Palmbaumbild des Orients hervorgegangen.

Heinrich VI. (1165-1197) mit Palmbaum-Zepter in der Hand. (Bildausschnitt aus Motiv der Begnadigung von Richard Löwenherz) aus „Liber ad honorem Augusti“ des Petrus de Ebulo, 1196

Grabplatte Rudolf von Rheinfelden, Dom zu Merseburg

Rudolf von Rheinfelden (1025-1080), Gegenkönig von Heinrich IV., auf ältester Grabplatte Mitteleuropas im Dom zu Merseburg. Deutlich sind die Palmblattrippungen auf der Unterseite beider Blätter zu erkennen.

Gebeugtes Palmbaum-Symbol des Todes (ohne Wipfelblätter bzw. Mittelsproß) vom Externstein-Kreuzabnahme-Relief, 1118/19, mit den beiden gerippten Palmblattranken. – Das Palmbaum-Lebensbaum-Sinnbild ist säuberlich zu trennen von dem anders gearteten Sinnbild, nämlich der kosmischen Allsäule-Irminsul, welche als Doppelspiral-Säule schon aus germ.-skandinav. Bronzezeit-Felsbildern belegt ist!  (Himmelssäule = Welterhaltungssymbol kombiniert mit Doppelwendel = Sonnenweg-Heil-Metapher)

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Es gibt etliche unwissende Neuheiden der überholten Schule der 20er/30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, welche meinen, dieses Palmbaum-/Lilien-Zeichen sei ein altheidnisches Symbol. Wie erklären es sich diese Leute, daß es auch auf der Parierstange des „Joyeuse“ (Freudvoll), dem Schwert von „Karl dem Großen“ prangt?  Leute wie ein Wolf-Dieter Schröppe („Die Irminsul am Externstein“), die sich von ihren anachronistischen  Gedankenmodellen nicht trennen möchten, muten wie mittelalterliche Scholastiker an, die es nicht wahrhaben wollen, daß ihre Position längst rettungslos überholt ist. Ich stelle mittlerweile seit einigen Jahren faktische  Quellenzeugnisse vor, meine Kontrahenten antworten mit langatmiger Rabulistik, ohne einen einzigen Gegenbeweis erbringen zu können !

Das Schwert wird im Pariser Louvre ausgestellt und wurde jahrhundertelang als  Krönungsschwert der französischen Könige genutzt. Es befand sich bis zur Revolution im Kronschatz von St. Denis. Eine Gruppe ist der Auffassung, es handele sich aufgrund seiner Ornamentik wirklich um Karls Originalschwert, andere vertreten die Meinung, es sei ein späteres Werk. Der Louvre selbst gibt für die Entstehung der Parierstange 2. Hälfte 12. Jh. an.

Frankenkönig Karl hätte wohl kaum die sächsische Irminsul zerstören lassen, wenn er selbst ein ganz ähnliches Symbol auf seinem Schwert führte! Stammt aber die Parierstange aus dem 12. Jahrhundert, bestätigt das exakt meine Sichtweise vom damals als weltliches Herrschaftssymbol verstandene Zeichen, gegen das die gregorianischen Mönche und ihre Gesinnungsgenossen, die Papstfanatiker, damals zu Felde zogen.

Möbelverzierung aus Elfenbein: Genius vor dem Lebensbaum, Phönizisch, 9. Jh. v. Chr. aus Arslan Tasch am Euphrat,
Badisches Landesmuseum Karlsruhe

Phönizische Möbelverzierung aus Elfenbein 9. Jh.v.0: Lebensbaum (Dattelpalme) im Schmuckstil mehrstöckig vervielfacht, flankiert von zwei Genien – aus Arslan Tasch am Euphrat, Badisches Landesmuseum.

Aus dieser orientalischen Tradition der ikonographierten Lebensbaum-Darstellungsweise ging das Palmbaumbild im Kreuzabnahmerelief des Externsteines hervor.

Alle künstlerisch-symbolischen Details – stimmen überein: Am oberen Schaftende 2 Schnecken nach unten (vertreten die Fruchtstände), darüber die beiden Voluten (Palmblattranken), auch das nach oben weisende Dreieck (wahrscheinlich Gottessymbol).

Die wahre germanische Irminsul war eine Säule – die kosmische Allsäule – mit der aufliegenden jährlichen Sonnenbahn in Gestalt der Doppelspirale. Hier im Bild die von mir gefundene bronzezeitliche älteste Felsbild-Darstellung (auf Kupferblech eingepresst) im schwedischen Bohuslän / Uddevalla / Kasen) mit davor vollzogenem Stieropfer. 
Die mittelalterlliche Irminsul-Brosche von Haithabu (Schleswig) zeigt die Doppelspiral-Säule, darüber das glockenförmige Himmelsdach mit den an Ketten festgemachten Wandelsternen.
Zwei Beispiele für falsche und für richtige Nachbildungen von Irminsulen. Im Hintergund eine mit Dattelbaumcharakter, im Vordergrund eine in Form der authentischen Sonnenspiralsäule.
Beitragsbild: Fotografie vom Papier-Handabrieb des Objekts – Das 80 bis 120 gr. Offsetdruckpapier wird mittels Chlorophyll-Tampons – bestehend aus Fingerkraut oder Kamillestängeln – im Darüberreiben eingefärbt. Die tiefgeschliffenen oder -gepickten Felsuntergründe rufen keinen Farbeffekt hervor, bleiben also hell, da sie beim Chlorophyll-Farbauftrag keinen Gegendruck erzeugen.