Karl Richter

 

Die sogenannte Künstliche Intelligenz (KI) hat gerade erst angefangen, unsere Arbeitswelt, aber auch alle sonstigen Bereiche unseres täglichen Lebens zu durchwuchern. Noch sprechen wir nur von immer raffinierteren Sprachprogrammen – also Textrobotern wie ChatGPT oder „Alexa” von Amazon – und Bildgeneratoren wie Image Creator, Midjourney oder Leonardo.

Weil die Entwicklung im digitalen Zeitalter aber exponentiell verläuft, wird die KI schon in naher Zukunft immer leistungsfähiger werden, immer mehr Aufgaben übernehmen, die bislang menschlicher Intelligenz vorbehalten waren, und uns im wörtlichen Sinne noch viel dichter auf die Pelle rücken.

Der Amazon-Sprachassistent „Alexa“ und jede Menge „smarter“ Haushaltstechnik lassen erkennen, in welche Richtung es geht. Wir umgeben uns mit einem immer engmaschigeren Kokon digitaler Daten-Vampire, die nichts weniger tun, als unsere Identität abzugreifen.

Man muß sich vor Augen halten, daß das alles mit „Intelligenz“ – also der Einsicht im komplexe Zusammenhänge – nichts zu tun hat. In Wirklichkeit handelt es sich nur um komplexe Verrechnungsprozesse (Algorithmen), die auf der Wahrscheinlichkeit beruhen, mit der z.B. im Textfluß einem bestimmten Wort ein anderes folgt, oder im Aufbau von Grafiken oder Bildern bestimmte Strukturelemente einander zugeordnet werden.

Diese mathematischen Wahrscheinlichkeiten „lernt“ die KI im Zuge ihrer Optimierung, um schließlich, nach unendlich vielen Arbeitsstunden, Ergebnisse zu liefern, die Operationen des menschlichen Gehirns, also dem Denken möglichst nahekommen sollen. Hier sind in Zukunft noch drastische Leistungssteigerungen zu erwarten.

Noch ein Aspekt ist wichtig, der leicht aus dem Blick gerät: all die kleinen „bots“, ob Text-, Dialog- oder Grafikprogramme, sind Bestandteil der transhumanistischen Agenda. Letztlich geht es darum, das menschliche Gehirn für Computer „lesbar“ zu machen und Daten in beide Richtungen transferieren zu können – vom Gehirn auf den Computer (bzw. Speichermedien), aber auch vom Computer ins Gehirn, etwa mittels eines implantierten Chips.

Aufwendig berechnete Bild- und Textdateien könnten irgendwann das entscheidende Mittler-Medium sein. Endziel ist – neben der totalen Kontrollierbarkeit der Menschheit – die Speicherbarkeit des menschlichen Bewußtseins, um es dadurch von seiner körperlichen Existenz unabhängig und schließlich unsterblich zu machen.

Hollywood thematisiert das seit vielen Jahren, und Stichwortgeber wie der israelische Publizist Yuval Harari („Homo Deus“, 2017), der auch bei Klaus Schwabs Weltwirtschaftsforum gerngesehener Gast ist, machen dazu unmißverständliche Ansagen.

Einer der prominentesten Forscher auf der Suche nach der „Mensch-Maschine-Schnittstelle“ ist übrigens Elon Musk. Schon seit 2017 läßt er unter dem Dach einer eigens dafür gegründeten Firma, Neuralink, Möglichkeiten untersuchen, um das menschliche Gehirn mit Computern zu vernetzen. Es gehe um ein „direktes Interface zur Hirnrinde“.

2020, mitten im Corona-Jahr, präsentierte Musk der Öffentlichkeit den Prototypen seines Gehirn-Chips: acht Millimeter dick, 23 Millimeter im Durchmesser. Für die hochpräzise Implantation ins Gehirn entwickelte Neuralink eigens einen Spezialroboter. Offiziell soll der Chip die Gesundheit überwachen und anhand seiner Sensoren zum Beispiel bei Gefahr von Herzinfarkt oder Schlaganfall Alarm schlagen – vorerst. Musk vertritt schon seit längerem den visionären Standpunkt, „daß Menschen ihre Gehirne in der Zukunft mit Computern verknüpfen müßten, um mit der kommenden künstlichen Intelligenz mithalten zu können“.

Hier schließt sich der Kreis. Die immer anspruchsvolleren KI-Programme werden nicht nur unseren Alltag und unsere Arbeitswelt revolutionieren. Sie werden über kurz oder lang direkt mit dem Gehirn kommunizieren können, indem sie dessen „Sprache“ verstehen, die auf unglaublich vielen und unglaublich komplexen Rechenvorgängen und Algorithmen beruht. Millionen von Nutzern weltweit tragen dazu bei, daß die Programme weiter trainiert und optimiert werden. Der US-amerikanische Sprachwissenschaftler und Publizist Noam Chomsky bringt in diesem Zusammenhang noch einen weiteren Aspekt ins Gespräch. Im März 2023 forderte er in der „New York Times“ dazu auf, aufzuhören, die einschlägigen KI-Programme „Künstliche Intelligenz“ zu nennen, vielmehr:
(…) nennen wir sie das, was sie ist und tut, ‚Plagiatssoftware‘, denn sie ‚erschafft‘ nichts, sondern kopiert bestehende Werke bestehender Künstler und verändert sie so weit, daß sie den Urheberrechtsgesetzen des Autors entgeht. Es handelt sich um den größten Diebstahl geistigen Eigentums seit der Ankunft europäischer Siedler auf dem Land der amerikanischen Ureinwohner.
Und: natürlich bleibt jedes Bildchen, jeder Entwurf, jede Eingabe des Nutzers bei Google, Microsoft und den anderen Großen Brüdern gespeichert. Zusätzlich zu allen anderen Datenspuren, die jeder tagtäglich am Computer oder am Handy hinterläßt, ergibt das ein ziemlich aussagekräftiges Profil über Interessen, individuelle Vorlieben, mit einem Wort: über die Persönlichkeit des Nutzers. Natürlich machen sich staatliche Überwachungsinstanzen das längst zunutze, nicht nur in China. Der Lohn fürs Mitmachen sind hübsche, bunte Computergrafiken ohne intellektuellen und politischen Nährwert. Das ist dürftig genug. Jeder sollte entscheiden, wie weit er dem KI-Moloch zuarbeiten möchte. Alles zusammengenommen sind die auf vermeintlich „intelligente“ Weise zustandegekommenen Bilder und Texte riskant. Man sollte überlegt damit umgehen.
Quelle: https://www.facebook.com/karl.richter.798
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