Mircea Eliade

 

Der rumänische Religionswissenschaftler Mircea Eliade (1907-1986) ist sowohl für Akademiker als auch für Zivilisationskritiker lohnend, für letztere nicht zuletzt deshalb, weil seine Kritik von einer „rechten“ Perspektive ausgeht. In seiner Jugend stand er der nationalistischen ›Eisernen Garde‹ nahe, im Exil bewegte er sich im Umfeld von Evola, Dumézil , Bataille und dem Eranos-Kreis von Carl Jung.

Seine Zivilisationskritik stützt sich auf eine umfassende Kenntnis historischer Gesellschaften und Kulturen, die eindringlich zeigt, wie abartig der moderne Westen geworden ist. Nicht zuletzt fehlt hier etwas, was, wie der Vergleich mit anderen Kulturen zeigt, universell menschlich ist, die mythische Dimension, deren Fehlen mit Pseudo-Mythen, Wahn und Krankheit gefüllt ist.

Eliade schrieb eingängig und spannend über alles, von der Initiation und den Waffenschmieden bis zu den Schamanen und der ewigen Wiederkehr. Ein interessantes Werk ist ›Zalmoxis – The “’Vanishing God‹. Es ist eine Sammlung von Artikeln, „Vergleichende Studien zu den Religionen und der Folklore Dakiens und Osteuropas“. Was die Religionsgeschichte betrifft, so eint sie das Interesse an religiösen Schöpfungen, die keinen schriftlichen Ausdruck und oft auch keine chronologischen Kriterien haben.

Eliade schrieb, daß er beim Studium der rumänischen Folklore oft auf ähnliche methodische Probleme stieß wie beim Studium der „primitiven“ Völker. Gleichzeitig war er sich bewußt, wie fruchtbar die Begegnung mit archaischen religiösen Werten für den modernen Menschen sein kann:

Diese Universen archaischer spiritueller Werte werden die westliche Welt auf andere Weise bereichern als durch die Erweiterung ihres Vokabulars (Mana, Tabu, Totem usw.) oder der Geschichte der sozialen Strukturen.

Hier erkennen wir Eliade als Zivilisationskritiker, der den modernen Menschen daran erinnern will, was er verloren hat. Ein interessanter Aspekt in Zalmoxis ist der Versuch, Aspekte der ›Volksseele‹ zu identifizieren, da sich die Artikel auf Eliades Heimatland konzentrieren. Er war sich wohl bewußt, daß die religiöse Welt der Geto-Daker nicht unbedingt direkt mit derjenigen übereinstimmt, die wir in der rumänischen Folklore finden, aber der Ansatz ist fruchtbar und kann sinnvollerweise auch auf Schweden angewendet werden.

 

In der Einleitung zu ›Die Daker und die Wölfe‹ stellt Eliade fest, daß die Rumänen ein Wolfsvolk sind. Viele indoeuropäische Stämme identifizierten sich mit dem Wolf, auch durch ethnische Namen wie daoi/daker, hyrkanoi, orkoi und hirpi sorani. Es besteht eine klare Verbindung zu den kultischen Männerbünden, in denen der Wolf oft eine zentrale Rolle spielte. Manchmal scheinen ganze Stämme den Wolfsnamen von diesen Verbänden übernommen zu haben, manchmal eroberten Männer-Verbände andere Gruppen und gaben ihnen ihren Namen. Das ist eine faszinierende Lektüre, aber wahrscheinlich nichts Neues für die Leser von Motpol. Eliade faßte das Ganze mit den Worten zusammen:

Der wesentliche Teil der militärischen Initiation bestand darin, den jungen Krieger rituell in eine Art „wildes Raubtier“ zu verwandeln. Dabei ging es nicht nur um Mut, körperliche Kraft oder Ausdauer, sondern um eine magisch-religiöse Erfahrung, die die Seinsweise des jungen Kriegers radikal veränderte. Er mußte seine Menschlichkeit in eine aggressive und furchterregende Wut umwandeln, die ihn zu einem rasenden Raubtier machte.

 

Eliade hielt die Rumänen in dreierlei Hinsicht für ein Wolfsvolk. Sie stammten von den Dakern ab, die von den Römern erobert worden waren, die ihrerseits von Remus und Romulus abstammten („die Söhne des Wolfsgottes Mars, gesäugt und aufgezogen von der Wölfin des Kapitols“). Nur ein solches Volk konnte die Daker assimilieren. Das moderne Rumänien entstand dann als Ergebnis der Invasion der dako-römischen Länder durch Dschingis Khan und seine Nachkommen; auch hier finden wir den Wolfsmythos wieder („der genealogische Mythos der Dschingis-Khaniden verkündet, daß ihr Vorfahre ein grauer Wolf war, der vom Himmel herabkam und sich mit einer Wölfin paarte“).

Zalmoxis-Höhle, Dorf Polovragi, Bulgarien

 

Interessant ist auch der Abschnitt über Zalmoxis, dessen Kult Eliade sowohl mit Initiationsmysterien wie den eleusinischen als auch mit dem Schamanismus vergleicht. Er erörtert die Unsterblichkeit der Seele, Höhlensymbolik, Katabasis, Unsterblichkeit, Pythagoras, Bärengötter, Jordanes, die Verwechslung von Ziegen und Goten und Spuren des Schamanismus im alten Griechenland. Faszinierend ist dabei nicht zuletzt, wie der Schamane als Figur teilweise in den Erzählungen von Philosophen wie Parmenides und Pythagoras auftaucht. Eliade kam jedoch zu dem Schluß, daß Zalmoxis eher ein Vertreter der Mysterien als der Schamanen war.

Er erwähnte auch, daß Zalmoxis schnell von Christus assimiliert wurde, was angesichts der großen Ähnlichkeiten zwischen den beiden Figuren logisch ist. Andere Figuren überlebten in der rumänischen Folklore bis in die Neuzeit, aber Zalmoxis verschwand fast vollständig. Zumindest so lange, bis eine nationale Renaissance in der Neuzeit den einheimischen Archetyp wiederbelebte: „Immer und überall wird Zalmoxis wiederbelebt, weil er den religiösen Genius der Dako-Geten verkörpert, weil er letztlich die Spiritualität der ›Autochthonen‹, der fast mythischen Vorfahren, die von den Römern erobert und assimiliert wurden, repräsentiert“. Die Verbindung von religiöser und weltlicher Macht zieht sich wie ein roter Faden von der dakischen Zeit über die ›Eiserne Garde‹ bis hin zu Ceausescu als nationales Merkmal durch.

Ein faszinierendes Kapitel über die Religionsgeschichte befaßt sich mit einem Schöpfungsmythos, der bei Rumänen, Bulgaren, Russen, Polen und siebenbürgischen Roma, aber auch bei einigen asiatischen und nordamerikanischen Völkern immer wieder auftaucht. Die Welt ist mit Wasser bedeckt, Gott und der Teufel treffen aufeinander, und der Teufel holt Schlamm vom Meeresboden. In einigen Versionen des Mythos versucht er dann, einen schlafenden Gott zu ertränken, indem er ihn ins Wasser rollt, aber stattdessen wächst die Landmasse. In anderen, weniger dualistischen Versionen hilft ein Vogel Gott während des Schöpfungsprozesses. In mehreren Varianten ist Gott dann unerwartet passiv und braucht Hilfe, um die Schöpfung zu vollenden.

Eliade hat hier eine Beziehung zu einem eher fernen Himmelsgott, einem ›deus otiosus‹, bei mehreren eurasischen Völkern festgestellt. In einer christlichen Gesellschaft könnte auch eine Trennung zwischen dem Schöpfer und Elementen der Schöpfung wie dem Bösen und der Sünde bestehen: „Gottes Distanz wird direkt durch die Verderbtheit des Menschen gerechtfertigt. Gott zieht sich in den Himmel zurück, weil die Menschen das Böse und die Sünde gewählt haben.“ Eliade stellte auch fest, daß es sich hierbei um einen uralten Mythos zu handeln scheint, der sowohl Nordamerika als auch Europa erreicht hat, oft beeinflußt vom iranischen Dualismus, in dem der Teufel Gottes Gehilfen in Tiergestalt ersetzt hat.

Eine interessante Passage in Zalmoxis handelt davon, wie Fürst Dragos Moldawien als Ergebnis einer Jagd auf einen Auerochsen gründete, eine Version von Mythen über rituelle Jagd und tierische Begleiter. Unter anderem war es ein wildes Tier, das den Vandalen den Weg über Gibraltar wies; in ähnlicher Weise fanden die Hunnen ihren Weg zu zivilisierteren Jagdgründen jenseits der Sümpfe. Eliade erörterte auch die Symbolik des Hirsches und des Stieres.

In anderen Kapiteln behandelt er die Alraune, das Mönchtum, den rumänischen Schamanismus und die wichtige Miorita-Ballade. Letztere ist bei den Rumänen sehr beliebt, da sie laut Eliade die Volksseele zum Ausdruck bringt („wir befinden uns in der Gegenwart einer immer noch lebendigen Schöpfung des Volkes, die die Volksseele wie keine andere berührt; mit anderen Worten, es gibt eine totale und spontane „Anhänglichkeit“ des rumänischen Volkes an die poetischen Schönheiten und die Symbolik der Ballade“). In dem Kapitel über Miorita geht er auch auf das sogenannte kosmische Christentum ein, eine südosteuropäische Version des Glaubens.

Insgesamt ist das Buch, wie stets, sehr lesenswert. Einige Abschnitte mögen relevanter sein als andere; ich persönlich profitiere am meisten von den Kapiteln über das ›Wolfsvolk‹ und den Schöpfungsmythos, aber Eliade ist ungeachtet dessen, worüber er schreibt, interessant. Der Ansatz, die rumänische Volksseele durch das Studium von Bräuchen und Folklore zu erforschen, ist inspirierend und kann denen, die etwas Ähnliches für Schweden tun wollen, als Anregung dienen.

Quelle: https://www.terreetpeuple.com/les-indo-europeens/7107-le-zalmoxis-de-mircea-eliade.html

 

Originalquelle: https://motpol.nu/oskorei/2023/10/30/mircea-eliade-zalmoxis/
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