Pierre Krebs

Zeiten der Dekadenz sind Zeiten einer anbrechenden, anfänglich kaum spürbaren Verschiebung und allmählichen Metamorphose der Gefühle von Harmonie und Sinnhaftigkeit der Normen und Werte in jene des Chaos und der Leere.

Doch Zeiten der Auflösung sind auch Zeiten einer wachsenden Hilflosigkeit, die die Menschen vor bedrohenden Geschehnissen, die es zu erkennen und zu bändigen gilt, ergreift, und zwar im Individuellen wie im Kollektiven – als ob sie einem unausweichlichen Fatum der geistigen Lähmung unterliegen würden.

Eine Kultur bricht nicht wie ein Gebäude zusammen; sie leert sich allmählich aus ihrer Substanz bis auf die Hülle, bemerkte schon Georges Bernanos.

Die Dekadenz ist aber viel mehr als das Ausbrechen des Schwachen, Krankhaften, Disharmonischen, oder viel mehr als die Machtergreifung des Häßlichen, die Erscheinung der Unförmigkeit an sich, die Verherrlichung der Verblödung.

Die Dekadenz sprießt zuerst aus einer Geistesverfassung heraus, die das Krankhafte als Norm empfindet, das Häßliche als Schönheit wahrnimmt, die Unordnung als Ordnung betrachtet, die Gesichter mit menschlichem Antlitz hinter den hohlen Masken der Gleichheit versteckt.

Sie hat unser inneres Reich, d.h. unseren Mut, unseren Willen, unseren Stolz geraubt, unser Denken getäuscht, unsere Ehre genommen, unser Gedächtnis belogen. Sie trägt einen Namen, der wie ein Fluch auf dem gesamten Schicksal Europas lastet, seine Selbstbehauptung als Geschichtsträger lähmt, sein Werden als Völkergemeinschaft unterbindet: Unter den ausgespannten Flügeln der Gleichheitslehre judäochristlicher und liberal-amerikanischer Prägung, die sich Globalismus nennt, schwebt bedrohlich der Hauch des Todes, der Dunst des Ethnosuizids.

Für den berühmten Indianisten Jean Daniélou, nimmt man die heiligen Texte der ›Purana‹ zur Kenntnis, gilt die Rassenvermischung ohne Frage als Vorzeichen einer Zerstörung der gesamten Menschheit.

Jede vom Sog des Zerfalls ergriffene Gesellschaft erzeugt aber eine eigene Chemie und eine eigene Zeitspanne ihres Verwesungsprozesses. Je giftiger die politische Chemie wirkt, desto verderblicher und unerträglicher entwickeln sich die Verhältnisse, desto schneller entlädt sich der gesellschaftliche Brechreiz (dies nennt man ›Ernstfall‹), der das morbide Konstrukt ein für alle Mal in die Müllsäcke der Geschichte schleudert (dies nennt man ›Umbruch‹). Je intensiver, fundierter, umfangreicher dagegen die kulturpolitische Vorarbeit, die das neue Gesellschaftsmodell tragen soll, stattgefunden hat (dies nennt man ›Metapolitik‹), desto dauerhafter bildet sich der neue politische Konsens, gestützt auf das kulturelle Fundament der hervorbrechenden neuen Weltanschauung (dies nennt man ›Revolution‹).

Zwischen Dekadenz und Neugeburt – zwischen dem Ende einer Zivilisation und dem möglichen Anfang eines neuen Zeitalters gibt es aber einen historischen Zeitraum, den der italienische Philosoph Giorgio Locchi ›Interregnum‹ genannt hat: die tragische, verhängnisvolle Zwischenzeit, die gleichzeitig Zusammenbruch und Regenerierung umschließt, entscheidende Jahre an der Schwelle des Lebens und des Todes, in denen wir uns heute gerade befinden –, und es geht darum diese Zeit zwischen Hammer und Amboß metapolitisch zu erfassen.

Ich gelte folgerichtig als Befürworter der Metapolitik, die bekanntlich besagt, daß die entscheidende Macht von geistiger bzw. kultureller Art ist – was heißen will, daß eine politische Mehrheit sich immer zuerst auf eine kulturelle, sprich auf eine ideologische Mehrheit stützt: Eine Avantgarde des Geistes dient als Vorbote des ersehnten politischen Aufbruchs und bemüht sich, einen umfassenden Einfluß auf allen kulturellen Ebenen zu gewinnen: Dichtung, Theater, Volksmusik, Film, Bildende Kunst, Presse u.v.m.

Ich bin daher an keine politische Partei gebunden, an keine Parteidogmen gefesselt, an keiner Parteipolitik beteiligt und zu keinen Parteiorthodoxien verpflichtet. Wohlgemerkt ist dies weder mit politischer Unbedarftheit noch mit politischer Inaktivität zu verwechseln.

Der Kampf der Ideen tobt dabei nicht auf der Bühne der schöngeistigen Literatur, sondern ähnelt in seiner Brutalität – um den Dichter Rimbaud zu paraphrasieren – dem Kampf ›Mann gegen Mann‹. Alle unter uns, die in die metapolitische Auseinandersetzung involviert sind, werden demzufolge von dem klaren Bewußtsein geführt, daß es sich hier um Leben oder Tod Europas handelt – des Europas indoeuropäischer Herkunft, versteht sich –, weil es im Grunde um alles geht, was Europäer „jemals geschaffen haben“, wie Moeller van den Bruck 1931 schon voraussah.

 

 

Beitragsbild: Drei Schmiede Statue, Helsinki
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