Konstantin Alexejewitsch Wassiljew

3. September 1942 in Maikop/Krasnodar/Rußland         29. Oktober 1976 in Wassiljewo/Tatarstan/Rußland

Selbstporträt

Ein russischer Maler, dessen kreatives Erbe mehr als 400 Gemälde und Grafiken umfaßt: Porträts, Landschaften, surreale Kompositionen, Gemälde epischer, mythologischer und Kampfgenres.

Zu den berühmten Werken zählen die Zyklen ›Episches Rußland‹ und ›Ring der Nibelungen‹, eine Reihe von Gemälden über den ›Großen Vaterländischen Krieg‹, grafische Porträts sowie das letzte Werk des Künstlers ›Mann mit einer Eule‹.

 

Jugendfoto

 ›Nord-Adler‹: Anmerkung zum Beitragsbild

Wassiljew konnte seinen eigenen Stil lange nicht finden. Er schrieb: „Alles, was ich gezeichnet habe, war der größte Unsinn, das letzte Bild habe ich zerstört und einen völlig anderen Weg eingeschlagen.“

In den 1960er Jahren experimentierte der Künstler viel – er wandte sich verschiedenen Richtungen und Genres zu. 1969 malte Konstantin Wassiljew ›Northern Eagle‹, ›Nordadler‹.

Das Werk hat eine interessante Geschichte. Eines Tages erzählte ein Freund des Künstlers Oleg Shornikov, er habe im Wald einen großen Adler gesehen, der auf einem umgestürzten Baum saß und sein Gefieder putzte. Shornikov beschrieb den markanten, durchdringenden Blick des Adlers, den er in einem Mann entdeckte.

Es war der adleräugige Blick eines mutigen Mannes, eines Herrn der Taiga, der von der Natur veredelt wurde und die Urelemente des Waldes durch seine Arbeit, seinen Mut und seinen Willen vergeistigte.

Das Gemälde erfreut mit seinem leuchtenden Ton und verblüfft durch die Komplexität des subtilen Lichtspiels in dem endlosen Muster aus Raureif, schneebedeckten Nadeln, Zweigen und Stämmen.

Rußland wird weltweit als nördliches Land wahrgenommen, obwohl es das unterschiedlichste Klimazonen hat. Die Landschaft in den meisten seiner Bildwerke ist unwirtlich und hart. Starke Menschen, die diese Welt bewohnen, sind sparsam mit Emotionen, in ihren Bewegungen und Körperhaltungen ist Würde und innere Stärke des Geistes sichtbar.

Konstantin Wassiljew gehörte zu der seltensten Kategorie von Menschen, die ausnahmslos von Intuition geleitet werden, diese sich dessen aber nicht bewußt sind, weil dies für sie ein vertrauter Zustand ist. Sie scheinen von der Geburt bis zum Tod im gleichen Atemzug in einem erhöhten Ton zu leben. Konstantin liebte die Natur, liebte die Menschen, liebte das Leben … die ganze Zeit. Er war ständig auf alles aufmerksam. Diese Aufmerksamkeit, diese Liebe, dieses Streben nach allem Guten war Wassiljews Inspiration. Und das war sein ganzes Leben.

Ein außergewöhnliches Talent, eine reiche spirituelle Welt und die erhaltene Ausbildung ermöglichten es Konstantin Wassiljew, seine eigene, unvergleichliche Spur in der russischen Malerei zu hi nterlassen. Seine Gemälde sind leicht zu erkennen. Einige seiner Werke sind umstritten, und wenn man einmal das Werk von Wasslijew betrachtet, kann man auf jeden Fall nicht gleichgültig bleiben.

Konstantin Wassiljew starb unter sehr seltsamen und mysteriösen Umständen. Die offizielle Version besagt, daß er zusammen mit seinem Freund Arkady Popov an einem Bahnübergang von einem vorbeifahrenden Schnellzug erfaßt wurde. Die Leichen wurden auf den Eisenbahnschienen gefunden. Viele Menschen behaupten heute, es sei ein Mord gewesen … und damals zweifelten nur wenige daran. Es geschah am 29. Oktober 1976. Dieses Unglück schockierte viele. Sie begruben Konstantin in einem Birkenhain in dem Wald, in dem er gerne war.

Das Schicksal, das in Bezug auf große Menschen von außen so oft böse ist, geht immer sorgfältig mit dem um, was in ihnen innerlich und tief ist. Der Gedanke, zu leben, stirbt nicht mit seinen Trägern, selbst wenn der Tod sie unerwartet und versehentlich erwischt. Und der Künstler wird so lange leben, wie seine Bilder leben.

Große Anerkennung und Würdigung fand Konstantin Wassiljew erst nach seinem Tod, als seine Werke auf Ausstellungen in der Sowjetunion und im Ausland präsentiert wurden.

Sein letztes Gemälde, das gemeinhin ›Der Mann mit der Eule‹ genannt wird, trägt keinen Autorentitel. Es blieb am Tag seines Todes auf der Staffelei stehen.

Konstantin Wassiljew hat sein ganzes kurzes Leben damit verbracht zu verstehen: Wer sind wir? Warum sind wir in dieser Welt? Viele Kenner der Arbeit des Künstlers betrachten das Gemälde ›Ein Mann mit einer Eule‹ als seine letzte Botschaft an die Nachwekt, eine Art philosophisches Erbe.

Das Bild ist voller Symbolik, für deren Verständnis man kein besonderer Experte sein muß.

In seiner Hand ist eine Kerze, ein Symbol des spirituellen Feuers, gleichmäßig und unauslöschlich, fähig, die ganze Welt zu begreifen, indem man sich selbst begreift. In den Augen des alten Mannes gibt es immer noch dasselbe uralte spirituelle Vertrauen, Kraft und Durchhaltevermögen.

Der Alte erhebt sich wie ein Berg über der frostigen Welt, Wolken unter ihm. Was begleitet den Weisen auf einem schwierigen Weg,  ähnlich dem Lebenweg vieler Generationen, um zwei Prinzipien zu verbinden und Harmonie in der Welt zu erreichen?

Er braucht nicht viel. Er hat so viel im Leben gesehen und erlebt. Nur zwei Dinge hat er mitgenommen: eine Kerze als treuen Begleiter ––  Symbol der Wahrheit , die ihm den richtigen Weg weist, und eine Peitsche – die seine Macht schützt.

Der alte Mann konzentriert sich auf die Flamme seiner Kerze, er überdenkt alles, was in einem langen, turbulenten Leben geschehen ist, er versucht, durch die Zeit den weiteren richtigen Weg zu sehen.

Jahre und Verluste, die Falten im Gesicht hinterlassen haben, haben den Sohn des ›großen Nordens‹ nicht gebrochen. Er ist müde, aber er hat einen langen harten Weg vor sich.

Der Weise erhebt sich über der schneebedeckten Erde und blickt mit strengem Blick in die Ferne. Der auferstandene Riese verband zwei Welten: Himmel und Erde, wie der mythologische Baum des Lebens – das Verbindungsglied zweier Sphären.

Als wären die Wurzeln des alten Menschenriesen in die Erde gewachsen, die noch nicht aus einem kalten Schlaf erwacht ist. Das Fell seines Pelzmantels, in seiner Textur den frostigen Baumkronen ähnlich, zeugt von der einstigen Verbundenheit mit dem Winterwald.

Der Mensch ist aus der Natur selbst aufgestiegen und hat in Einheit mit ihr solche Höhen erreicht, daß das Himmelsgewölbe mit seinem Haupt gestützt wird.

Über seinem grauen Kopf in der linken Hand hält er eine Peitsche, als Symbol der Vergeltung für Ungerechtigkeit, denn ohne Selbstbeherrschung ist die Wahrheit unverständlich.

Der Reisende ist auf jede Wendung der Ereignisse vorbereitet, in allen kritischen Situationen behält er seine Würde, Ausdauer, sein Selbstvertrauen und seine Bereitschaft, sich jederzeit zu wehren.

Auf dem Ärmel sitzt eine ominöse und düstere Eule, darüber ein schwarzer Sternenhimmel, das Universum.

Ihr „lebendes“ Auge – das allsehende Auge – vervollständigt die Aufwärtsbewegung: weiter ist die unendliche Weite des unbekannten Kosmos.

Der Uhu (Eule) ist ein Vogel, der auch in der Dunkelheit, im Schutz der Nacht alles sieht, in einem tiefen mystischen Sinne, er ist das allsehende Auge des Kosmos, der absoluten Idee, des Universums, Gottes.

Das ist die Offenbarung, nach der der kommende Mensch strebt und die er früher oder später erreichen wird. Ein Auge, das hart, aber gerecht ist, das sieht und wenn nötig lenkt, auch mit der Peitsche. Aber das ist auch der Meilenstein, der auf den Weg in die Ewigkeit führen kann.

Der Vogel sitzt mit weit ausgebreiteten Flügeln auf der Hand des alten Mannes, als würde er sich auf den Abflug vorbereiten, er erhebt sich über die Welt und die Menschen und vollendet die Wiedervereinigung von Himmel und Erde.

Der Mensch hat den Gipfel erreicht, der Kopf geht in die Unendlichkeit des Wissens und der Weisheit des Kosmos.

Unsterbliches Wissen wurde durch das Feuer der Kreativität auf der Erde hinterlassen! Die Schöpfung ist einer der großen Ausdrucksformen des menschlichen Geistes!

Ein Einblick in das Schaffen von Konstantin Alexejewitsch Wassiljew