Andrea Marcigliano

 

Ein Gespenst geht um in der Welt. Ein ruheloses Gespenst, das zwischen dem Maghreb und den Ländern südlich der Sahara umherwandert. Aber es macht sich auch zunehmend im Norden bemerkbar. In Europa.

Es ist der Geist von Thomas Sankara. Er, der Burkina Faso seinen Namen gab. Denn vorher hieß es einfach Obervolta. Der Name, den die französischen Kolonialisten dem Land gegeben hatten. Und Burkina Faso bedeutet in der Sprache der ›Mossi‹ das „Land der Aufrechten Männer“. Ein Name, der allein schon für das Programm steht, das Sankara zwischen 1980 und 1988 umzusetzen versuchte. Manche bezeichnen es heute als drittweltlich und sozialistisch. In Wirklichkeit war es ein Versuch, das Land aus den Fängen der französischen neokolonialen Ausbeutung zu befreien. Und jener der westlichen multinationalen Konzerne.

Ein gewagtes Unterfangen, das mit dem Leben bezahlt wurde.

Ein fremdgesteuerter Staatsstreich, ein Attentat. Und die „Sankara-Praxis“ schien endgültig überwunden.

Doch heute spukt sein Geist wieder in den verwahrlosten Gebieten des subsaharischen Afrikas.

Die gesamte Sahelzone, das „alte“ (jetzt muß man es wirklich so nennen) französische Afrika, ist in Aufruhr. In der Tat, in offener Revolte. Militärputsche in Mali, Burkina Faso, Niger… und jetzt in Gabun. Der Tschad zittert. In Nigeria weht der Wind des endemischen Bürgerkriegs. Und selbst im bisher treuen Senegal beginnt es zu brodeln.

Der größte afrikanische Aufstand seit der Kolonialzeit ist im Gange. Dabei geht es nicht, wie uns einige Medien glauben machen wollen, um einen einfachen Staatsstreich. Es geht um interne Probleme, Stammes- und Familienkämpfe um die Macht. Die Soldaten, die die Fahne der Revolte hissen, werden überall von der Bevölkerung stark unterstützt. Und es sind bis jetzt friedliche Aufstände. Ohne Blutvergießen. Aber immer gefolgt von großen Volksdemonstrationen gegen die französische Präsenz. Und gegen die Vereinigten Staaten.

Für Paris ist es eine Katastrophe. Und auch für den Rest von Europa, insbesondere für Deutschland, ist es ein Desaster. Denn die Gegenreaktion ist unvermeidlich.

Aus diesen Regionen Afrikas kommt Öl, Gold. Uran. Edelmetalle aller Art. Gabun ist, um nur ein Beispiel zu nennen, der weltweit größte Produzent von Mangan. Ohne das kein Stahl hergestellt werden kann.

Doch von diesem immensen Reichtum bleibt in den afrikanischen Ländern fast nichts übrig. Und das Wenige geht in die Hände der Regierungsmarionetten, die von Paris und den multinationalen Konzernen gesteuert werden.

Männer wie der gabunische Präsident Ali Bongo. Dessen Familie regiert seit über fünfzig Jahren ohne Unterbrechung.

Und dann hat die Europäische Union, einschließlich des italienischen Außenministeriums, die Unverfrorenheit, von einem „Staatsstreich“ zu schwadronieren, der eine „legitime und demokratische“ Regierung gestürzt hat.

Sankara war der erste, der versucht hat, diese Kette zu durchbrechen, die den Sahelgürtel versklavt. Sie beutet ihn aus und läßt über 80 % der Bevölkerung in Elend und Erniedrigung, in Hunger leben.

Es war zu früh. Der internationale Bezugsrahmen war zu unterschiedlich. Und feindselig. Sankara bezahlte sein Wagnis mit seinem Leben.

Aber er bleibt in der Erinnerung als der „Bolivar“ (Simón Bolívar/Che Guevara) der afrikanischen Länder südlich der Sahara.

Jetzt ist die Situation jedoch eine völlig andere.

Und sein Geist wird zum Alptraum. Für viele in Paris, Washington und anderen westlichen Kanzleien.

Quelle: http://euro-synergies.hautetfort.com/archive/2023/09/02/la-fantome-de-sankara.html
Originalquelle: https://electomagazine.it/il-fantasma-di-sankara/