Constantin von Hoffmeister
untersucht die Parallelen zwischen Trumps populistischem Ethos und Johann Gottlieb Fichtes Ermahnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert und stellt fest, daß deren Appelle an die wahre Stimme ihrer Nationen eine dauerhafte Resonanz haben.
Was diesselbe Sprache redet, das ist schon vor aller menschlichen Kunst vorher durch die blosse Natur mit einer Menge von unsichtbaren Banden aneinander geknüpft, es versteht sich unter einander und ist fähig, sich immerfort klarer zu verständigen, es gehört zusammen und ist eins und ein unzertrennliches Ganzes.
Johann Gottlieb Fichte, ›An die deutsche Nation‹ (1806)
Als der deutsche idealistische Philosoph Johann Gottlieb Fichte 1808 seine bahnbrechenden ›Reden an die deutsche Nation‹ veröffentlichte, konnte er kaum vorhersehen, dass mehr als zwei Jahrhunderte später ein Staatsmann in der Neuen Welt auftauchen würde, der in Geist, Rhetorik und Visionen Parallelen hervorruft.
Donald Trump, dem 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten, wird oft nachgesagt, eine populistische Revolution ausgelöst zu haben, die an den glühenden Nationalismus anknüpft, den Fichtes Worte einst inspiriert hatten. In diesem Aufsatz wird versucht, die Gemeinsamkeiten zwischen Trumps Populismus und Fichtes leidenschaftlichem Aufruf herauszuarbeiten. Dabei wird argumentiert, daß beide Figuren trotz der großen Kluft zwischen Zeit und Kontext für ähnliche Anliegen eingetreten sind: die Stimme des Volkes, die Seele der Nation und eine Vision für neue Größe.
Fichtes Aufruf: Der Geist des Volkes
Fichtes Reden an die deutsche Nation waren nicht nur eine philosophische Abhandlung, sondern ein Aufruf zum Kampf. Die deutschen Staaten waren unter der napoleonischen Besatzung zersplittert und demoralisiert. Fichte versuchte, den kollektiven Geist wieder zu entfachen, indem er seine Landsleute aufforderte, ihr gemeinsames Erbe zu erkennen. Ihm schwebte eine einheitliche deutsche Nation vor, die sich über regionale Loyalitäten hinwegsetzen und eine größere, tiefere Identität repräsentieren sollte.
Das Volk war für Fichte nicht nur eine demografische Einheit, sondern die eigentliche Verkörperung des deutschen Geistes, der nicht nur in der gemeinsamen Sprache, sondern auch im tieferen zivilisatorischen, moralischen und intellektuellen Erbe des germanischen Volkes verwurzelt war. Fichte hielt den deutschen Geist für reiner und ursprünglicher als den anderer Nationen, zumal er seiner Meinung nach weniger durch fremde Einflüsse korrumpiert war.
Trumps populistische Resonanz: Die Stimme der schweigenden Mehrheit
Wir befinden uns im einundzwanzigsten Jahrhundert: Amerika befindet sich an einem Scheideweg. Wirtschaftliche Herausforderungen, politische Spaltungen und ein wachsendes Gefühl der Desillusionierung haben sich in vielen Teilen der Gesellschaft breit gemacht. In dieses Milieu trat Trump mit seinem Versprechen, „Amerika wieder groß zu machen“.
Seine populistische Botschaft ist klar: Die Elite in Washington hat den Kontakt zu den echten Amerikanern, den einfachen Arbeitern, den stummen Massen verloren. Trumps Populismus ist nicht nur eine politische Strategie; es ist ein Drang, sich wieder auf die Grundprinzipien Amerikas zu besinnen, ähnlich wie Fichtes Bestreben, die Deutschen an ihr gemeinsames Schicksal zu erinnern. Trump fordert die Wiederherstellung der amerikanischen Souveränität, die Zurückdrängung des Einflusses globalistischer Institutionen, die Verjüngung der wirtschaftlichen und kulturellen Grundlagen der Nation und die Stärkung der Infrastruktur als greifbare Manifestation seiner patriotischen Vision.
Gemeinsames Ethos: Die Nation an erster Stelle
Sowohl Trump als auch Fichte haben den Vorrang der Nation betont. Für Fichte war ein geeinter deutscher Staat nicht nur ein politisches Ziel, sondern ein heiliger Imperativ. Er glaubte, daß die germanischen Staaten nur dann über ihre Herausforderungen hinauswachsen und ein einzigartiges, gemeinsames Schicksal finden könnten, wenn sie ihren spezifischen deutschen Charakter erkennen und pflegen würden.
In ähnlicher Weise beruht Trumps „America First“-Doktrin auf der Überzeugung, daß nationale Interessen Vorrang vor globalistischen Agenden haben sollten. Seine Politik, ob im Bereich des Handels, der Auslandsbeziehungen oder der Innenpolitik, zielt darauf ab, amerikanische Arbeitnehmer, Industrien und Werte in den Vordergrund zu stellen. Ähnlich wie Fichtes Vision eines eigenständigen und autarken Deutschlands, das in der Sprachgemeinschaft verwurzelt ist, setzt sich Trump für die wirtschaftliche Unabhängigkeit Amerikas durch heimische Produktion ein. Beide Staatsoberhäupter positionieren sich somit als Befürworter der nationalen Autarkie gegenüber externen Abhängigkeiten.
Der Bildungsimperativ: Fichtes Vision und Trumps Strategie
Einer der Eckpfeiler von Fichtes Reden war die Rolle der Bildung. Er vertrat die Ansicht, daß das deutsche Volk nur dann wirklich geeint werden könne, wenn es einen gemeinsamen Bildungsrahmen habe, der ein Gefühl von Nationalstolz und Pflichtbewußtsein vermittle. Für Fichte war die Schule der Schmelztiegel, in dem die deutsche Seele geschmiedet und verfeinert werden sollte. Er propagierte eine nicht nur akademische, sondern auch moralische und transzendentale Bildung, die sowohl das individuelle Selbstbewußtsein als auch die kollektive Verantwortung kultivieren sollte.
In ähnlicher Weise unterstreicht Trump die Bedeutung der Bildung für die Gestaltung der Zukunft Amerikas. Seine Regierung setzt sich für die Schulwahl ein und vertritt die Ansicht, dass Eltern die Freiheit haben sollten, die für ihre Kinder am besten geeigneten Bildungswege zu wählen. Durch die Förderung eines dezentraleren Bildungsansatzes versucht Trump, die Monotonie eines Einheitslehrplans zu durchbrechen und den Geist des amerikanischen Erfindungsreichtums und der Eigenständigkeit wiederzubeleben.
Schlußfolgerung: Zwei Epochen, ein fortdauernder Geist
Dem flüchtigen Betrachter mögen Fichte und Trump als Figuren erscheinen, die in ihren jeweiligen Epochen verwurzelt und durch die einzigartigen Herausforderungen und Kontexte ihrer Zeit gebunden sind. Eine genauere Betrachtung offenbart jedoch verblüffende Parallelen. Beide Führungspersönlichkeiten traten in Zeiten nationaler Umwälzungen und Unsicherheiten auf. Beide setzten auf eine tief sitzende Sehnsucht nach Erneuerung und Rückgewinnung. Beide setzten sich für die Sache des Volkes ein – sei es das deutsche Volk, das sich nach Einheit sehnte, oder die amerikanische schweigende Mehrheit, die nach Anerkennung suchte.
Sowohl Fichte als auch Trump sahen sich bei ihrem Einsatz für ihre Anliegen mit einer Reihe von Gegnern konfrontiert. Dennoch haben ihre Botschaften Anklang gefunden, weil sie zeitlose Wahrheiten ansprechen: die Bedeutung der nationalen Identität, die Rolle des Volkes bei der Gestaltung seines Schicksals und der Glaube an eine bessere, größere Zukunft.
Trumps populistischer Aufstieg und Fichtes bodenständige Reden erinnern uns daran, daß der Geist einer Nation, ihr Wesen und Ethos, die Zeiten überdauert. Führer mögen kommen und gehen, aber die Sehnsucht nach Identität, Stolz und Zielsetzung bleibt eine Konstante, die in den Annalen der Geschichte widerhallt.