Nicolas Bonnal

›Der letzte Mensch‹ und Nietzsches Kritik am modernen Staat

Ein Freund erzählt mir, daß in Frankreich alle mit Covid und Urlaub beschäftigt sind. Ansonsten, so erzählt mir ein anderer, warten sie ungeduldig auf die Rationierung von Le Maire und Ursula. Nichts beschäftigt sie wirklich, außer der Maske und der nächsten Impfdosis. Was die Energie angeht, sind sich alle oder fast alle einig: Man muß für BHL und seinen Propheten sterben.

Die Lage ist verzweifelt, aber nicht schlimm: Es ist so, daß Macrons neues Volk – das von Marine und Co. so gut unterstützt wird – eine Entsprechung zu Nietzsches letztem Menschen ist. Lesen wir ›Also sprach Zarathustra‹ also erneut:

Ich will ihnen also von dem Verächtlichsten erzählen, was es gibt: ich meine den letzten Menschen.

Nietzsche fügt in seinem unübertrefflichen poetischen und prophetischen Schwung hinzu:

Wehe! Die Zeiten sind nahe, in denen der Mensch keinen Stern mehr in die Welt setzen wird. Wehe! Die Zeiten sind nahe für den verächtlichsten aller Menschen, der sich selbst nicht mehr zu verachten weiß. Siehe! Ich zeige euch den letzten Menschen. ” Liebe? Schöpfung? Verlangen ? Stern? Was ist das?” – So fragt der letzte Mensch und er blinzelt.

 Nietzsche sieht nicht die große Erneuerung, sondern die große geistige, spirituelle und zerebrale Schrumpfung voraus :

Die Erde wird dann kleiner geworden sein, und auf ihr wird der letzte Mensch hüpfen, der alles verkleinert. Seine Rasse ist unzerstörbar wie die der Blattlaus; der letzte Mensch lebt am längsten. “Wir haben das Glück erfunden”, – sagen die letzten Menschen und blinzeln. Sie haben die Gegenden verlassen, in denen es schwer zu leben war: denn man braucht Wärme. Man liebt noch seinen Nachbarn und reibt sich an ihm: denn man braucht Wärme.

Ach, die lange Lebenszeit!

Man ist besessen von Krankheiten und Medikamenten:

Krank werden und mißtrauisch sein gilt bei ihnen als eine Sünde: Man schreitet vorsichtig voran. Ein Narr, wer noch über Steine und Menschen stolpert! Hier und da ein wenig Gift, um sich angenehme Träume zu verschaffen. Und viel Gift schließlich, um angenehm zu sterben.

RTT? Lesen Sie Nietzsche:

Man arbeitet noch, denn die Arbeit ist eine Ablenkung.

Danach schafft man eine Gesellschaft à la Jospin, eine etwas faule Gesellschaft :

Aber man achtet darauf, daß die Ablenkung nicht schwächt. Man wird nicht mehr arm oder reich: Das sind zwei Dinge, die zu anstrengend sind. Wer will noch führen? Wer will noch gehorchen? Das sind zwei zu lästige Dinge.

Die Cancel Culture ist im engeren Sinne bereits da (lesen Sie die bewundernswerte ›Zweite unzeitgemäße Betrachtung‹ über das ›Ende der Geschichte‹), die darin besteht, daß man seine Vergangenheit oder seine nationale oder andere Geschichte nicht mehr ertragen kann (siehe Biden, Macron oder Bergoglio):

Kein Hirte und nur eine Herde! Jeder will das Gleiche, alle sind gleich: Wer anders denkt, geht freiwillig in das Haus der Narren. “Früher waren alle verrückt”, – sagen die, die am feinsten sind, und zwinkern. Man ist vorsichtig und weiß alles, was geschehen ist: So kann man endlos spotten. Man streitet noch, aber man versöhnt sich bald wieder – denn man will sich den Magen nicht verderben. Man hat sein kleines Vergnügen für den Tag und sein kleines Vergnügen für die Nacht: Doch man respektiert die Gesundheit. “Wir haben das Glück erfunden” – sagen die letzten Menschen und zwinkern mit den Augen.

Soviel zum letzten Menschen, über den Fukuyama so schlecht gesprochen hat (wahrscheinlich, weil der bemitleidenswerte hegelianische Bürokrat Kojève selbst schlecht über ihn gesprochen hatte). Dann kommt der Staat in dem fabelhaften Kapitel ›Über das neue Idol‹. Einige erfrischende Zitate, darunter das bekannteste über das kalte Monster:

Der Staat ist das kälteste aller kalten Monster: Er lügt kalt und hier ist die Lüge, die aus seinem Mund kriecht: “Ich, der Staat, bin das Volk”.

Der Staat wurde mit den Kriegen, mit Europa, mit den Zentralbanken und den ekelhaften Schulden, mit dem Sozialismus, wie Céline es nannte, gestärkt. Das ist der ›Warfare State‹ und der ›Welfare State‹ von Rothbard. All dies, schreibt Nietzsche, ist mit ›Appetiten‹ verbunden:

Es sind Zerstörer, die den Vielen Fallen stellen und das einen Staat nennen: sie hängen ein Schwert über sich und hundert Appetite. Wo immer es noch Volk gibt, versteht es den Staat nicht und verabscheut ihn als den bösen Blick und als Abweichung von Sitte und Gesetz.

Nietzsche erinnert zu Recht daran, daß der moderne Staat alles gestohlen hat:

Eine Verwirrung der Sprachen von Gut und Böse – ich gebe euch dieses Zeichen, als das Zeichen des Staates. In Wahrheit ist es der Wille zum Tod, auf den dieses Zeichen hinweist, es ruft die Prediger des Todes! Es kommen viel zu viele Menschen auf die Welt: Der Staat ist für die Überflüssigen erfunden worden! Seht also, wie er sie anzieht, die Überflüssigen!

Die Kultur des Todes und der Wille zum Tod sind mit dem Staat verbunden :

Eine Verwirrung der Zungen von Gut und Böse – ich gebe euch dieses Zeichen, als das Zeichen des Staates. In Wahrheit ist es der Wille zum Tod, auf den dieses Zeichen hinweist, es ruft die Prediger des Todes! Es kommen viel zu viele Menschen auf die Welt: Der Staat ist für die Überflüssigen erfunden worden! Seht also, wie er sie anzieht, die Überflüssigen!

Dieser Begriff des überflüssigen Menschen erinnert an die nutzlosen Esser (wir alle oder fast alle), die die Globalisten jetzt ausrotten wollen. Sie haben diese Herde an den Stränden oder vor den Fernsehern herangezüchtet, und jetzt wollen sie sie ausrotten. Und die Herde läßt sich liquidieren, ohne sich zu wehren, vor allem im Westen. Sie fühlt sich weder sehr nützlich noch sehr selbstbewußt, das ist wahr!

Nietzsche sieht, daß der Wohlfahrtsstaat die Vorsehung ersetzen wird (lesen Sie diesbezüglich den Australier Charles Pearson, der Nietzsche oder Tocqueville in diesem Königsjahrgang der analytischen Jahrhunderte – dem neunzehnten – Konkurrenz macht):

Gewiß erahnt er euch, auch euch, Bezwinger des alten Gottes! Der Kampf hat euch ermüdet, und nun stellt sich eure Müdigkeit in den Dienst des neuen Götzen!

Das moderne Leben wird zu einem langsamen Selbstmord – spürbar sowohl auf der Ebene der Nationen als auch auf der Ebene des Einzelnen. Thoreau spricht in ›Walden‹ von stiller Verzweiflung. Und Nietzsche:

Der Staat ist überall, wo alle Gifte aufnehmen, die Guten und die Schlechten: der Staat, wo alle sich selbst verlieren, die Guten und die Schlechten: der Staat, wo der langsame Selbstmord aller … “das Leben” genannt wird. Seht doch die Überflüssigen! Sie stehlen die Werke der Erfinder und die Schätze der Weisen: Sie nennen ihren Diebstahl Zivilisation – und alles wird ihnen zur Krankheit und zum Unglück. Seht euch diese Überflüssigen an! Sie sind immer krank, sie geben ihre Galle ab und nennen es Zeitungen.

Es ist so, daß diese Zeitungen, die bekanntlich zu 100 % subventioniert werden…

Man wirft mir meinen Pessimismus vor.

Es ist so, daß Nietzsche, Thoreau oder Tocqueville nicht erst seit gestern bekannt sind. Und die Vergesslichen seien daran erinnert, daß auch Marx das Ende des Staates wollte.

Quelle: https://www.terreetpeuple.com/philosophie-reflexion-72/4969-le-dernier-homme-et-la-critique-nietzscheenne-de-l-etat-moderne.html

 

 

Print Friendly, PDF & Email