Prof. Sigurd Schulien

Die auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende industrielle Entwicklung in Europa hat ihren Höhepunkt überschritten. Schon Gottfried Feder erläutert diese Erkenntnis in seinem 1935 erschienenen Buch „Kampf gegen die Hochfinanz“.

Ähnlich verlief die Entwicklung in der Elektro-, Chemie-, Textil-, Bergbau- und Stahlindustrie sowie in der Feinmechanik. Damit war der Bedarf in den entwickelten Staaten gedeckt. In großem Maßstab wurde daher nach 1970 – nach dem Wiederaufbau des durch zwei Weltkriege zerstörten Deutschland von der Industrie viel Überflüssiges produziert und mit Hilfe maßloser Propaganda durch Werbekampagnen angeboten und verkauft. Diese Waren landeten nach kurzer Zeit in der Mülltonne.

Getrieben durch die kulturelle und wirtschaftliche Vorherrschaft des US-Kapitalismus wurde die gesamte Weltwirtschaft dazu gebracht, hemmungslos zu wachsen, um den Teufelskreis der unendlichen Spirale von Zins- und Zinseszins zu bedienen. Dies geschah vor allem durch künstliche Bedarfsweckung anstelle von natürlicher Bedarfsdeckung die sprichwörtliche Wegwerfgesellschaft ist eine Errungenschaft des „American Way of Life“.

Wie könnte dieser verhängnisvolle Teufelskreis der wertschöpfenden Wirtschaft durchbrochen werden? Eine wesentliche Voraussetzung wäre die Einführung einer naturgemäßen Energiegewinnung, nämlich der Wasserstofftechnik, welche die Grundlage aller biologischen Vorgänge in Pflanzen, Tieren und Menschen ist.

Am Beispiel der Photosynthese kann man das gut nachvollziehen. Es ist bekannt, daß organisches Leben ohne dauernde Energiezufuhr nicht möglich ist. Dafür liefert die Lichtstrahlung der Sonne die benötigte Energie in die lebenden Zellen. Für die Pflanzen bedeutet das: Da die Sonne nachts nicht scheint und die meisten inneren Zellen nicht von Sonnenstrahlen getroffen werden, muß die Sonnenenergie gespeichert werden. Zu diesem Zweck erzeugt die Pflanze in ihren äußeren Zellen mit Hilfe des Sonnenlichts Glucose. Dieses Zuckermolekül ist der Energiespeicher für Pflanzen, Tiere, Menschen.

In den Blättern der Pflanze wird bei Sonnenschein aus Kohlendioxid und Wasser Glucose erzeugt. Das C02 wird über Spaltöffnungen auf der Unterseite der Blätter aus der Erdatmosphäre entnommen, das Wasser über die Wurzeln. Bei dieser Reaktion in einer Blattzelle entsteht Sauerstoff, der an die Luft abgegeben wird. Das Glucosemolekül enthält 12 Wasserstoffatome.

Tiere und Menschen leben von der Umkehrreaktion der Photosynthese: der Atmung. Der Mensch nimmt die von den Pflanzen erzeugten Glucosemoleküle über die Nahrung auf. Diese gelangen dann über den Darm und den Blutkreislauf in die menschliche Zelle, wo sie in den Mitochondrien mit Hilfe von Enzymen zersetzt werden. Dabei wird Wasserstoff aus dem Glucosemolekül freigesetzt, der sich mit dem Sauerstoff zu Wasser verbindet, wobei die benötigte Energie für die Durchführung der Lebensvorgänge in der Zelle frei wird. Der Sauerstoff gelangt über die Lunge und den Blutkreislauf in die Zelle. Bei dieser Reaktion entsteht also Wasser, das über den Blutkreislauf und die Lunge ausgeschieden wird.

Der Vorgang der Photosynthese und der Atmung kann kurz folgendermaßen dargestellt werden:

Kohlendioxid+Wasser+Energie →← Glucose+Sauerstoff

Der Pfeil nach rechts beschreibt die Photosynthese der Glucose in den Pflanzen, der Pfeil von rechts nach links die Atmung und Energieaufnahme bei Menschen und Tieren in den Zellen.

 

Wasserstoff als Energieträger ist sehr umweltfreundlich, da bei seiner Verbrennung mit Sauerstoff nur reines Wasser anfällt. Die Speicherung des gasförmigen Wasserstoffs in technischen Systemen erfordert in den meisten Fällen große Druckbehälter, was zu erheblichen technischen und damit auch Kostenproblemen führt: Insbesondere ist die volumenbezogene Energiedichte (Energiegehalt pro Liter) bei verflüssigtem Wasserstoff wesentlich geringer als bei üblichen Flüssigbrennstoffen und es ist ein sehr hoher Druck (700 bar) notwendig. Vor allen Dingen im Verkehrsbereich bestehen für die Einführung des gasförmigen Wasserstoffs als Energieträger erhebliche Hemmnisse. Hier haben flüssige Energieträger bedeutende Vorteile. Fast die gesamte Infrastruktur beruht dort auf flüssigen Brennstoffen, z. B. Tankstellen und Transportverfahren.

Wie kann man aus gasförmigem Wasserstoff einen flüssigen, sicher zu handhabenden Energieträger machen, der die schon vorhandene Infrastruktur nutzen kann? Die Lösung des Problems ist die Methanolsynthese. Wenn man unter geeigneten Bedingungen Wasserstoff mit C02 reagieren läßt, entsteht Methanol.

Mit Methanol kann man Motoren, Heizungen, Brennstoffzellen antreiben. Es ist ein leistungsfähiger Energieträger und vielseitig verwendbarer Chemierohstoff. Ein sinnvolles Elektroauto könnte mit einer Methanolbrennstoffzelle als Stromquelle angetrieben werden.

Diese Ideen müssen nach der in den 1990er Jahren in Deutschland erfolgten Unterbrechung der Entwicklung der Wasserstofftechnik mit Nachdruck weitergebracht werden. Sie wurde jedoch seither nur zaghaft und nur im internationalen Zusammen
hang betrieben: Beispielsweise wurde die Technik der modernen Brennstoffzellen-Heizungen für Einfamilienhäuser 2009 zuerst in Japan in großtechnischem Stil eingeführt und wird in Deutschland heute mit nur wenigen hundert Neuanlagen pro Jahr in verschwindend geringem Maße genutzt.

Technische Neuerungen sind immer mit Anfangsschwierigkeiten verbunden und nur die Anwendung im alltäglichen Betrieb lassen diese ausreifen zu Stabilität, Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit. Nur die sinnvolle Anwendung neuer Technologien – das heißt unter Einordnung in die Natur- und Lebensgesetze statt unter das Zinseszins-Diktat – kann die Lebensbedingungen in der Welt verbessern.

Die Energiegewinnung auf der Grundlage von Wasserstoff würde auch das Kräfteverhältnis hin zu einer multipolaren Welt verschieben, weil zukünftig auch Länder Wasserstoff (Energie) herstellen oder ausführen könnten, die nicht mit Erdöl-, Gas-, Kohle- oder Uranvorräten gesegnet sind.

Mindestens ebenso wichtig aber ist, daß diese gigantischen Aufgaben der Einführung neuer Technologien den europäischen Menschen – vor allem der jungen Generation – ein großes Ziel geben. So wird diese aus der lethargischen Stimmung des Mißmuts, der Verwirrung und der Hoffnungslosigkeit herausfinden können. Eine Aufgabe entsprechend der jahrhundertealten Tradition der europäischen Völker.

Beitragsbild: ap
Quelle: Huttenbriefe für Volkstum, Kultur, Wahrheit und Recht, Ausgabe Dezember 2021, 39. Jahrgang