Pierre Krebs über die Bedeutung der indoeuropäischen Metaphysik und die Ablehnung monotheistischer Religionen

(Erschienen in ZUR ZEIT, Ausgabe 51)

Bernhard Tomaschitz: Herr Krebs, viele meinen, wegen der massiven Einwanderung, insbesondere aus islamischen Ländern, wäre eine Rückbesinnung auf die „christlich-abendländischen Wurzeln“ Europas notwendig. Sie aber treten für die Rückbesinnung auf die heidnisch-europäischen Wurzeln ein. Warum?

Pierre Krebs: Weil ich schlicht und einfach die heutige Krankheit nicht mit ihrem Ur-Virus beseitigen kann.

Tomaschitz: Warum lehnen Sie das Christentum so entschieden ab?

Krebs: Weil das Christentum nichts anderes ist als ein Stachel im Fleisch Europas, eine fremde Religion: fremd für unser Gehirn und fremd für unsere Seele. Was unterscheidet uns aber grundsätzlich vom Globalismus, das heißt vom säkularisierten Monotheismus? Eine Philosophie, eine politische Vision des Staates, eine Verfassung? Es unterscheidet uns viel mehr eine Wahrnehmung des Lebens, die wir durch die Anerkennung der Gesetzmäßigkeit seines biokulturellen Parameters ausdrük- ken.

Tomaschitz: Welche Antworten kann der Paganismus dem Einzelnen auf Fragen wie jene nach dem Sinn des Lebens und ähnlichem geben?

Krebs: Diese indogermanische bzw. indoeuropäische Metaphysik lehrt die Achtung vor der Schöpfung in all ihren lebensgesetzlichen Erscheinungen – angefangen bei der Achtung der völkerbiologischen Gesetzmäßigkeiten. Sie lehrt den einzigen wahren Universalismus, den es gibt: den Universalismus der universalen Verschiedenheiten in einer Welt der natürlichen Polyphonie. Sie lehrt auf diese Weise, daß die Würde der Völker erst mit der Achtung ihrer Andersartigkeit beginnt und fördert damit einen dauerhaften Frieden in einer Welt des gegenseitigen Respektes und echter Toleranz.

Fazit: Wahre Religion im indoeuropäischen Sinne heißt letztendlich nichts anderes, als in Einklang mit der Welt, den Menschen und der Natur zu leben, als Partner dieser Welt und nicht als Ausbeuter des Planeten.

Tomaschitz: Anders als in den monotheistischen Religionen wie dem Christentum gibt es im Paganismus mehrere, 
wenn nicht sogar viele Götter. Was bedeutet das fiir den einzelnen Menschen, seine Freiheit und seine Entfaltungsmöglichkeiten, wenn es mehrere Götter gibt?

Krebs: Die „Götter“ sind metaphorisch als mentale Projektionen, als Sinnbilder, wenn Sie wollen, zu verstehen. Ihre „Göttlichkeit“ atmet nicht außerhalb, sondern innerhalb der Schöpfung, angefangen in uns selbst. Im völligen Gegensatz zu den semitischen Religionen kerkert die indoeuropäische Frömmigkeit die Menschen weder in die Zuchthäuser von Dogmen noch in Zwänge aller Art ein und sie fesselt sie nicht an einen eifersüchtigen, rachsüchtigen, despotischen Gewaltherrn, der scheinbar nichts anderes zu tun hat, als seine fügsame Herde zu beherrschen, zu knechten und zu erpressen, sei es ein Abkömmlings- oder oberster Gott, heiße er Jahwe, Baal, Melech oder Allah. Indoeuropäische Frömmigkeit zeugt dagegen von einem Freundschaftspakt zwischen Göttern und Menschen. Der Grieche und der Römer der klassischen Epochen – der Kelte, der Germane –, sind freie Menschen, die allein die Verantwortung für ihr Denken und Handeln tragen. Devote, rituelle Kniebeugungen sind ihm fremd und höchst verwerflich. Er steht aufrecht, aber ehrfurchtsvoll seinen Göttern gegenüber, frei und würdevoll. Indoeuropäische Frömmigkeit ist auch keine universelle Exportware; sie kennt weder Offenbarung noch Missionierung, weiß aber andere Glaubensformen zu respektieren. Im Gegensatz zu den universalistischen Religionen spricht sie nur Menschen indoeuropäischer Prägung an, die fühlen, denken und handeln im indoeuropäischen Geiste. So gesehen ist indoeuropäische Frömmigkeit – wie aber auch das Judentums in vielen Bereichen – eine Ethno-Metaphysik.

Tomaschitz: Wenn es nur einen Gott gibt, dann kam es im Grunde genommen ja nur eine einzige Wahrheit geben. Diesen Mechanismus verwendet auch die ›political correctness‹, die man durchaus als eine Art Zivilreligion bezeichnen kann. Umgekehrt müßte dann der Paganismus ein Mittel gegen die ›political correctness‹ sein, nicht wahr?

Krebs: Es ist kein Zufall, wenn unzählige Europäer, deren „mentale Brillen“ nicht verbogen sind, den Monotheismus als eine bizarre Entartung des Geistes wahrnehmen, als die Ursache für grausame Vernichtung und Ausrottung. Ich bin dennoch der Meinung, daß in ihrem angestammten geokulturellen Raum abgegrenzt und im Einklang mit Geist, Geschichte und Kultur der jeweiligen Völker, die sie hervorgebracht haben, Judentum und Islam selbstverständlich ihre Berechtigung haben. Die Besinnung der Europäer auf ihre bio-mentalen Wurzeln kennzeichnet den einzigen Weg zur Bewältigung der Hauptgefahr, die heute ihre kulturelle und genetische Existenz bedroht: die neue zivile Religion des „mammonistischen“ Globalismus, selbst Retortenprodukt des orientalischen Monotheismus, seiner Theokratie des Profits und seines Dogmas der „political [un]correctness“.

Tomaschitz: Welche Möglichkeiten haben wir, uns vom sogenannten Westen abzusetzen und zu unseren „alten Gesetzen“ zurückzukehren?

Krebs: Die Absetzung vom transatlantischen Westen ist nicht schwer, denn der Schlüssel liegt in uns; die „alten Gesetze“ sind weder alt noch neu: sie sind ewig; und die Rückkehr, die Sie erwähnen, ist nichts anderes als eine Umkehr im Sinne eines Vorrückens. Die Rückbesinnung auf die Ur-Gesetze ist ein Beginn – es soll keineswegs eine Rückkehr zu einer musealen Vergangenheit suggeriert werden! Die Rückbesinnung ist nichts anderes als die Bewusstwerdung des in unseren Genen tief verwurzelten, aber massiv verschütteten Erb-Erinnerns: die Grundlage unserer Identität. Dieses Erinnern ist nichts anderes, als die Wahrnehmung der in jedem unserer Gene lebenden Ahnen. „Man weiß, wohin man geht, solange man weiß, woher man stammt!“

Alle Hochkulturen, die die Ahnenverehrung vernachlässigt haben, sind schnell von der geschichtlichen Bühne verschwunden. Es ist auch kein Zufall, daß die Ahnenverehrung schon seit Urzeiten eine zentrale Rolle im Leben der Chinesen eingenommen hat. Der zweite Schritt wird ein Akt des Willens sein: der Wille zur Tat, d.h. zum radikalen und unbeugsamen Widerstand. Dies ist die Voraussetzung einer zukünftigen Umwälzung, aus deren Schoß die ersehnte „Renaissance“ Europas endlich geboren wird. Nach dem Motto des „Thule-Seminars“: Wissen einst, Wille siegt!

Ich bin fest überzeugt: Die aktuelle Katastrophe ist nur der Anfang. Die Europäer sind jetzt dabei zu büßen, würde Nietzsche sagen, 2000 Jahre lang Christen gewesen zu sein. Aber verstehen Sie mich nicht falsch! Angesichts der tödlichen Bedrohung der europäischen Völker muß die Religionsfrage selbstverständlich in den Hintergrund treten und die viel wichtigere gemeinsame biokulturelle Herkunft – ob Heiden oder Christen – uneingeschränkt im Mittelpunkt stehen, mit anderen Worten: Es ist von ausschlaggebender Bedeutung, unsere naturgegebene Einheit hervorzuheben und diese gegen alle zur Zeit nicht zielführenden Dissense zu schützen. Die Europäer werden gewaltige Desaster erleiden, unbeschreibliche Herausforderungen werden brutal an ihre Tore hämmern.

Aber ich bin sicher, daß die Europäer die Kräfte zur Neugeburt aus dem, was alles noch bewußt in ihrem Geist, unbewußt in ihrem „Blut“ und lebendig in ihrem Erb-Erinnern steckt, einmal mehr werden freisetzen können: dieses seltene Bündel von Erfindungsgeist und Willensdrang, Mystik und Urweisheit, in deren Kern Apollo und Dionysos, Baldur und Freya, Faust und Merlin nie aufgehört haben zu weilen…

 

 
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