Hans F. K. Günther

Aus: Rassenkunde Europas. Mit besonderer Berücksichtigung der Hauptvölker indogermanischer Sprache, München 1930; Lebensgeschichte des Römischen Volkes, Pähl 1966, von uns zusammengestellt und -gefaßt

Sprachwissenschaft und Vorgeschichtsforschung suchen die Ursitze der Italiker ― unter denen der latinische Stamm der führende wurde, der das Römische Reich schuf ― in Gebieten der oberen bis mittleren Donau, auch zwischen oberer Donau und Ostalpen, Böhmen, Mähren und Niederösterreich. Die Vorgeschichtsforschung hat das Gebiet, von dem aus die Italiker über die Alpen südlich gewandert sind, zwischen Ostschweiz, Ostalpen und Donau gefunden. Die nächstverwandten Nachbarstämme der Italiker im mitteleuropäischen Gebiete der indogermanischen Ursitze müssen Kelten und Germanen gewesen sein.

Germanen

Seit etwa 2000 v.d.Z. haben verschiedene Einwanderungen italischer Stämme von Nordosten her über die niederen Pässe der Ostalpen die Poebene erreicht, von der aus in der Bronzezeit die weitere Ausbreitung erfolgte, bis der größte Teil Italiens ― jedoch mit Ausnahme der etruskischen Gebiete, welche erst um 300 v.d.Z. der Macht des latinischen Stammes der Italiker erlagen ― von italischen Stämmen indogermanischer Sprache und Gesittung und nordischer Rassenherkunft besetzt war. Die Vorbevölkerung, welche die Italiker bei ihrem Vorrücken antrafen, muß überwiegend westischer Rasse gewesen sein, in Oberitalien wahrscheinlich ein Rassengemisch aus westischen und ostischen, vielleicht auch geringeren dinarischen Einschlägen.

Etruskische Votivköpfe aus Ton, 3. – 2. Jh. v.d.Z.

Rom ist der Sage nach am 21. April 753 v.d.Z. gegründet worden. Die Gründer waren zum größten Teile latinischen, zu geringerem Teile sabinischen Stammes. Eine Eidgenossenschaft kleiner und kleinster Bauernstädte bildete den Keim zum Römischen Reiche. Die Bevölkerung bestand in der Hauptsache aus den bäuerlichen Geschlechtern nordischer Rassenherkunft, welche später zu den Patriziern wurden. Jedes Bauerngeschlecht latinischen Stammes scheint einige unfreie clientes gehabt zu haben, Nachkommen der nicht-nordischen Vorbevölkerung, welche zur Arbeit im Hause und auf den Feldern verpflichtet waren. In der Stadt Rom bildete sich schließlich eine weitere Schicht nicht-nordischer Rassenherkunft, die späteren Plebejer, deren Herkunft noch umstritten ist. Ein Teil ist wohl aus den clientes hervorgegangen, ein anderer aus zugewanderten Handelsleuten und Gewerbetreibenden, ein weiterer Teil aus der Vorbevölkerung Italiens, deren Gebiete die Latiner erobert hatten und weiter eroberten.

Im ganzen müssen die Patrizier als Nachkommen der Eroberer nordischer Rassenherkunft und die Plebejer als Nachkommen der westischen oder westisch-ostischen einheimischen Bervölkerung einander als zwei rassisch verschiedene und getrennte Schichten gegenüber gestanden haben. Die Herkunft der Plebs verrät sich auch in deren mutterrechtlichen Familienverhältnissen, welche von den vaterrechtlichen Patriziern verabscheut wurden. Die Plebs bestattete ihre Toten, während die indogermanische Leichenverbrennung sich im Patriziat und in den dieses nachahmenden oberen Ständen bis in die Kaiserzeit hinein erhielt. Der erste, der erkannt hatte, daß der Standesgegensatz zwischen Patriziern und Plebejern im Grunde ein Rassengegensatz war und auf die Überschichtung einer einheimischen Bevölkerung durch eindringende Eroberer zurückzuführen ist, war Niebuhr (Römische Geschichte, Bd. I, 1811

Gaius Iulius Caesar, Patrizier

Das altrömisch-patrizische Wesen ist am ehesten nordisches Wesen in italischer Prägung, daneben möchte man einen fälischen und einen ostischen Einschlag vermuten. Hellenisch-nordisches Wesen hat wohl einen gewissen ›Schwung‹ aus einer leichten vorgeschichtlichen Beimischung dinarischer Rasse erhalten; italisch-römisches oder mindestens latinisch-römisches Wesen zeigt neben nordischen Zügen kühnen Vordringens eine gewisse, vielleicht aus einem fälischen Einschlag zu erklärende Abwandlung nordischer Züge ins kraftvoll Beharrende und trocken Vordenkliche bei der führenden Schicht, bei der geführten Schicht seelische Züge ostischer Rasse, welche sich in einem erwerbsamen Kleinhändlertum äußern. Der Schlag des gierigen und üppig lebenden Großhändlers, den zumeist die vorder-asiatische Rasse stellt, tritt erst in der mittleren bis späteren Geschichte Roms auf. Bildwerke, welche Römer darstellen, beginnen erst im 2. Jh. v.d.Z. und sind zahlreicher erst aus der Spätzeit Roms erhalten: Sie zeigen deutlich einen ostischen, minderdeutlich einen fälischen Einschlag, immer wieder auch dinarische und vorderasiatische Einschläge. War auch in der etruskischen Herrenschicht noch ein gewisser nordischer Einschlag erhalten, so müssen diejenigen etruskischen Geschlechter ― man zählt sechs oder sieben ―, die in der römischen Frühzeit in das Patriziat aufgenommen worden waren, diesem auch vorderasiatisches und westisches Blut mitgeteilt haben.

Kaiser Augustus war der erste römische Kaiser (63 v.d.Z. bis 14 n.d.Z.) Die Statue wurde in Primaporta, einem nördlichen Stadtteil Roms gefunden. Augustus wird gottgleich dargestellt. Das zeigen auch die Darstellungen auf seinem Brustpanzer und die Darstellung des kleine Eros, des Sohnes der Venus, der zu seinen Füßen auf einem Delphin reitet.

Der Rassenkampf im Rom der Königszeit und der ersten Jahrhunderte spielte sich als ein Verfassungskampf ab, in welchem die Plebejer nach und nach die Gleichstellung mit den Patriziern erreichten.  Entsprechend der verschiedenen rassischen Herkunft beider Stände bestand bei den Patriziern ein anderes Eherecht und andere Hochzeitsgebräuche als bei den Plebejern. Zwischen Patriziern und Plebejern bestand kein Eherecht, kein conubium, ja die älteste Gesetzgebung Roms scheint ein Eheverbot zwischen beiden Ständen ausgesprochen zu haben. Kinder der möglichen losen Verbindungen zwischen einem Patrizier und einer Plebejerin folgten der pars deterior, der ›ärgeren Hand‹, wie ein gleichsinniger altdeutscher Rechtsausdruck besagt, d. h. dem niedrigeren Stande, so folgen auch Kinder aus der Verbindung einer Römerin mit einem Fremden dem fremden Volkstum. Die Patrizische Schicht sollte ein geschlossener Blutverband und sollte rein erhalten bleiben.

Plebejer und Patrizier

Gegen diese Rassenschranke richtete sich die im Jahre 445 v.d.Z. angenommene ›lex Canuleia de conubio‹, welche ein Eherecht zwischen Oberschicht und Unterschicht begründete. Der Widerstand der Patrizier gegen eine Vermischung mit den Plebejern schwand aber nur langsam, die patrizischen Geschlechter schlossen sich noch lange nach Annahme der ›lex Canuleia‹ gegen die Plebs ab. Wenn schließlich aus dem Patriziat und den angesehenen unter den plebejischen Geschlechtern doch Verbindungen zustande kamen, so müssen sich unter der Plebs Geschlechter hervorgetan haben, welche den überlieferten Anschauungen des Patriziats über römische Vornehmheit in Haltung und Auftreten, über Tüchtigkeit und Ernst (virtus und gravitas) und römisches Herrentum entsprechen konnten. Tatsächlich hat sich auch die Rassezusammensetzung der Plebs dadurch geändert, daß führende Geschlechter der von Rom im Laufe des 5. und 4. Jhs. v.d.Z. abhängig gewordenen anderen italischen Stämme nordischer Rassenherkunft nach Rom verplanzt und unter die Plebs eingereiht worden waren.◊

 

Beitragsbild: Hans F.K. Günther, Wolfgang Willrich 1930

Pierre Krebs: Mars Ultor 2004 / Leitthema: Römer

 

Print Friendly, PDF & Email