Gerhard Hess

thurisaz:
 der Starke/Dämon/Riese
Phonetischer Wert : 
stimmhaftes th
Oktober Ende

Sakralfest: Trollnächte

Im düsteren Nebelmond, der unter dem Aspekt des sa­ta­nischen Himmelsskorpions steht, gewinnen die Dämo­nen an Macht. Der germanische Mythos spricht vom unholden Thursen oder Utgardloki und meint damit eine Zusammenfassung der antigöttlichen Lokikraft, die man beachten und mit der man rechnen muß.

Die -Rune ist das Signum des abgründig Bösen. Sie steht im Eingang zum Winter und astrologisch im 8. Haus, dem Ort des Todes und der Giftspinne (Skorpion), in dem schon die antike Astrologie den Satan Typhon-Seth vermutete – ein Vertreter der titanischen Urchaosmächte.

Gemeint ist der Mate­rie­dämon, der üble Herr der stofflichen Welt – wie auch die Zwei­undzwanzig über ihre Quersumme zur Vier wird, welche bei negativer Wer­tung als Zahlensymbol der gottfernen Materie gilt.

Die runischen Kenn­wörter sind Thurse („unholder Riese“) oder Dorn („Schlafdorn, Todes­stachel“).

Sie werden vom Eddavers im Hrafnagaldr Odins gemeinsam er­wähnt. Dieser spricht von „des eiskalten Riesen dorniger Rute, mit der er im Schlaf die Völker schlägt.“ Er schlägt sie wohl in die Selbst- und Gottverges­senheit hinein oder in den Wahn einer maßlosen materiellen Gier. Jedenfalls liegt das Schädigen in seinem Sinn.

Das eddische Hyndluljó∂ spricht „…vom Thursengeschlecht, dem das Schaden Lust war…“ Wer mit dem großen thursischen Unhold konkret gemeint ist, teilt der altisländische Runenvers im Zusatzvermerk mit: „Saturnus“.

Der alte Planetenherrscher, der seinen Vater mit der Sichel entmannte und seine eigenen Kinder auffraß, wurde von Zeus in die Unterwelt verbannt. Als Unterweltsherrscher und Schätzebewahrer galt er, denn in seinem Tempel ruhte einstmals der römische Staatsschatz.

Schon gnostische Grup­pen (Orphiten) sahen Kronos/Sa­turn als lebensverhindernden Bösewicht. Nach Ptolemäus (Mitte 2. Jh. n. 0) ist der „erdige Planet“ Saturn im besonderen die Ursache der auf „furchtbarer Kälte“ beruhenden Vernichtung, er bewirkt „verheerend wirkende Schnee­massen“, „Eis“ und „Hagelschlag“.

Er produziert dunkle, unglückliche Men­schen mit feucht-kaltem Temperament, oft von niedriger Ge­sinnung, geldgierig, gehäs­sig, roh, feige, hinterhältig. Im Mittelalter galt Saturn als Male­ficus („Unheil bringender Planet“) und Wohn­ort des Teufels.

In einer Salzbur­ger Schrift des 15. Jh. (Studiums­bibliothek V, I, 36/8) steht: „Saturnus mit seiner kraft ist allem leben schadehaft.“ Die älteste Vorstel­lung ging wohl dahin, daß er Pflanzlich-Stoffliches hervorbringt und gleichzeitig immer wieder für dessen Abschneiden und Abscheiden sorgt.

Mit Sichel oder Sense wurde er gerne dargestellt, als winterlich kaltes, verneinendes Prinzip lieferte er unser Bild vom „Gevatter Tod“ mit Hippe und Stun­den­­glas.

Da die Juden seit alters Saturnanhänger waren, auch seinen Tag, den Saturntag-Sabbat, besonders ehren, wurde er vielerorts dem jüdischen Stam­mesgötzen Jahwe gleichgewertet, was für den Runenschöpfer ein zusätzlicher Grund gewesen sein mag, die signifikante Buchstabenzahl des hebrä­ischen Alphabetes zur Bezeichnung des Unholdes im Runensystem heranzuziehen.

Im eddischen Skirnismál wird in drastischer, knapper Deutlichkeit mit­­geteilt, was der Thursenstab bedeutet: ergi oc œ∂i oc ó∂ola („Wirrsal und Wahn und Wut“).

Das antigöttliche Prinzip, der Kälteriese Thurse-Titan-Saturn

Am großen „Spielbrett“ stehen zwei,
sie prüfen, wem die Runde sei.
Es würfelt der Ries‘ mit dem Bauersmann,
es verlor der Bauer, der Riese gewann.

Der Bauer gleicht redlicher Gotteskraft,
der Riese doch jener, die Unheil schafft.
Das Lebendige sauget der kalte Erpresser,
er ist der Jötun, der gierige Fresser.
Die Todesrute schwingt er nun grauenvoll,
er heißt der THURSE, der schlimme TROLL.

Wodan, der Ase, – der „Weiße Berg“,
die Sonne ist nur sein Funkenzwerg.
Er ist „Einundzwanzig“, der Gipfelgeist,
der ewig aus eigenem Licht sich speist.
Der höchsten „Drei“, dem Gottes-Ich,
steht immer entgegen – unänderlich,
so wie den Tagen die dunklen Nächte,
der „Finsterberg“ der höllischen Mächte.
Der Teufel, der Tiefe, hat einen Turm,
dort sammelt er seine Vasallen zum Sturm.
Da schwirret ein schwarzes Flügelgebraus‘
um das zweiundzwanzigste Runenhaus.

Hier hechelt sein Herr in Wolfes Gestalt,
die winterlich wirsige Todesgewalt.
Seine eische Burg auf dem Berge des Bösen
kein lichter Retter vermag zu erlösen;
denn zweiundzwanzig ist eine „Vier“,
die nackte Materie, die stoffliche Gier.

All das Gute, das Gott sich erschaffen,
die „Materie“ will es hinab ihm raffen.
Sie bringt den Tod ohne Auferstehung,
die endlose, lichtlose Schneeverwehung,
des Fimbul-Winters gar schreckliche Not,
des Winter-Thursen Sterbegebot;
chaotisches Wirrwar ist sein Wähnen,
Ginnungagap-Grauen wird sein Gähnen.
Der kallende Kobold, der Tatermann,
jetzt stapft er mit seinen Horden heran.