Unsere Buchempfehlung für Weihnachten
Hans Fischer
WEISTUM und WISSEN
Unsere eigenständige Religion in den Märchen der Brüder Grimm
Hans im Glück
(Br. Grimm Nr. 83)
Die Geschichte vom Hans werden wir nur richtig würdigen, wenn wir in ihr nicht nur den einfältigen Träumer erblicken, der uns durch seine Naivität zum Lachen reizt. Gewiß wird dieses Lachen auch manchen jungen Menschen dazu ermuntern, aufzupassen, den Wert seines Eigentums richtig einzuschätzen und möglichst günstig, wenn möglich noch gegen einen höheren Wert, einzutauschen.
Aber dieses Gewinnstreben ist nicht das Lebensziel von „Hans“; er will ja heim zu seiner Mutter! Aber wer ist diese Mutter und zu welchem Herrn sagt er das? Das ist hier die Frage, und es ist zugleich sein Schicksalsweg.
Um diesen nun zu verstehen, müssen wir bedenken, daß sich unter unseren Vorfahren in vorchristlicher Zeit schon große Philosophen befunden haben. Nicht nur in Griechenland lebten Platon, Sokrates, Pythagoras und andere, sicher gab es auch in unserem Lebensraum unter den Goden geistige Vorfahren Meister Eckehardts oder des Pelagius.
Da das gesamte um 800 n.d.Ztw. von dem Frankenkaiser Karl gesammelte Schrifttum über das Geistesleben unserer Vorfahren im germanischen Lebensraum, dann von dessen so christlichem Sohn vernichtet wurde, blieben uns hier nur geringe Reste davon übrig. In seinem Buch: „Rätsel der Edda und der arische Urglaube“ konnte der Verfasser O.S. Reuter jedoch nachweisen, daß zur Zeit, als die Lieder und Erzählungen der Edda aufgeschrieben wurden, noch Vorstellungen lebendig waren, u.a. über das Seelische als den Lebenswillen im Kosmos, über das Weltenende, über das Ringen zwischen den schöpferischen Kräften der Götter gegen die Kräfte der Zerstörung und die Rolle der Menschheit dabei, wie sie sich auch in den Veden und der Avesta, den heiligen Schriften der arischen Einwanderer in Indien bzw. der alten Perser erhalten haben.
Aus den uns erhaltenen Schriften der Veden, insbesondere den Upanischaden, wissen wir aber, daß es seit etwa 1000 Jahren v.d.Ztr. Glaubensgenossenschaften gegeben hat, in denen man sich über den innerseelischen Aufbau der Menschen ein klares Bild gemacht hatte. Man wollte Klarheit über das Sterbliche und das Unsterbliche der Menschen gewinnen.
Prof. Hauer berichtet z.B. in seinem Buch: ›Der Yoga‹, daß „Einzuweihende nach altem Brauch, den wir aus vielen Beispielen der naturvölkischen Religion kennen, durch Fasten, Einsamkeit, Meditation und allerhand Prüfungen in einen Trancezustand versetzt wurden, der symbolisch als Tötung betrachtet wurde. In diesem Zustand erleben viele das Reich des Todes und erhalten dort Erleuchtungen. So auch ein gewisser ›Na-ciketas‹. Er gerät mit dem Herrscher des Totenreiches, in dem er drei Tage und Nächte weilt, in ein Zwiegespräch und drängt diesen durch immer tiefere Fragen zu immer tieferen Antworten. So gewinnt er Weisheit über letzte Dinge, vor allem über Wesen und Schicksal des Menschen nach dem Tode.“
Der so „Geweihte“ gibt sich von nun an der geoffenbarten Weisheit hin. Um diesen Weg der Einweihung näher zu verdeutlichenwird noch eine Textstelle der Upanischaden zitiert. In dieser heißt es: „Höher als die Sinne stehen die Dinge (d.h. die Wirklichkeit der materiellen Welt ist primär, die Sinne erfassen diese nur.) Höher als dieses Erfassen steht das Denkorgan; höher als das Denkorgan das Geistorgan; höher als das Geistorgan das große Selbst (atman).“
Unter dem großen Selbst verstanden die Brahmanen aber den Anteil der Menschen am Weltgeistigen, dem Brahman.
Meister Eckehart meinte genau dasselbe, wenn er sagte: „Als ich aus Gott ausfloß, da sprachen alle Dinge: Gott ist. Dies aber kann mich nicht selig machen, denn hierbei erkenne ich mich als Kreatur. In dem Durchbrechen aber …. da bin ich über allen Kreaturen, bin weder Gott noch Kreatur, sondern bin, was ich war und was ich bleiben werde jetzt und immerdar denn mir wird in diesem Durchbrechen zuteil, daß ich und Gott eins sind.”
Das „Durchbrechen“ erlebt unser ›Hans im Glück‹ aber, wenn seine „Schleifsteine“, seine Körperlichkeit in den Brunnen versinken. Der Grundgedanke der arischen Religiosität lag ja in einer Hinwendung zum Göttlichen als einer die sittliche Ordnung bedingenden transzendenten Welt, in die der germanische Mensch nach dem Tode einging, deren Wesen sich der Mensch aber durch Besinnung auf das hohe Selbst zum Erlebnis brachte. Sicher gab es auch im germanisch-europäischen Lebensraum solche Yoga praktizierende Glaubensgenossenschaften. Auch das Märchen vom ›Hans im Glück‹ kann als Beweis dafür gelten.
Wie in den Märchen ›Die Bienenkönigin‹ oder ›Der goldene Vogel‹ der jeweils dritte der Brüder den Weg der Erkenntnis geht, so haben wir auch beim „Hans im Glück“ den Menschen, dem es auf Frieden und die erkennende Schau des Wesentlichen ankommt, einen Schüler der Meditation, der die Erlebnisse der einzelnen Lebensstufen stets bald als unwichtig gegenüber seinem eigentlichen Lebensziel wertet, das nur in der Erkenntnis des Göttlichen besteht: der Verbindung seines Selbst mit dem Göttlichen im All (seiner Allmutter).
Die Märchenerzählung vom ›Goldenen Vogel‹ zeigte uns dagegen einen Königssohn, der zwar von seinen Erbanlagen her (dem Fuchs) vor neuen Aktivitäten jeweils gewarnt wird: aber indem er die in den neuen Lebensstufen jeweils erkannten Werte doch bejaht, schreitet er weiter von Stufe zu Stufe im Zeichen der Selbstbehauptung und des Sieges. Es ist der Königsweg, der ihn auch zuletzt noch in den „Brunnen“ führte: zur Begegnung mit dem Tode, die ihm eine höhere Schau über den Sinn des Lebens vermittelte.
Um diesen Leitgedanken im Märchen vom ›Hans im Glück‹ zu verdeutlichen, seien hier noch kurz die sieben Lebensstufen mit ihren Planetenbezeichnungen und ihren wesentlichen Merkmalen in Stichworten aufgeführt (vgl. Einführung, Abschnitt 5).
Merkur (Begriffsbildung, Jugend)
Venus (Fürsorge und Liebeskräfte)
Mars (Selbstbehauptung, Rechtswesen, Daseinskampf)
Jupiter (Glaubenskräfte, Ganzheitsideen)
Saturn (Sinnfrage, kosmisches Denken, christl.: Zweifel)
Uranus (Erkenntnis der Lebensgesetze, Alliebe erfüllt den Schauenden)
Neptun (selbstloses Wirken zum Heil der Menschheit)
Der Mensch macht in diesen Erlebensstufen seine bestimmten Erfahrungen, so auch unser Hans. Indem er dabei im Grunde dem innerlich in ihm angelegten Leitbild folgt, eilt er von Stufe zu Stufe, und diese sind symbolisch mit den Tieren und Gegenständen gemeint, die er jeweils an sich nimmt.
Als erstes erhält er von seinem Herrn, und das ist wohl hier der Vatergott, als Lohn einen Goldklumpen, so groß wie Hansens Kopf (entsprechend der Frau Holle gegenüber der Goldmarie). Hiermit sind sicher dessen geistige Kraft und die guten Veranlagungen gemeint, die sich beim Hans in den ersten sieben Jahren gezeigt hatten.
Der sich nun auf den Weg macht, ist aber – da er noch im Merkurring lebt – voller Jugendträume: Er möchte gern wie ein Reiter sein und tauscht daher als erstes ein Pferd ein. Aber er wird von diesem bald abgeworfen. Er ist nun froh, daß ihm ein Bauer mit seiner Kuh zu Hilfe kommt. Goldklumpen und Pferd müssen wir der ersten Lebensstufe (Merkur) zuordnen.
Er hatte noch nicht gelernt, mit einem Pferd richtig umzugehen, was Selbstbeherrschung und ständige Achtsamkeit verlangt. Die Kuh aber ist Symbol der Nahrung und der Fürsorge. Man denke an die Urkuh Audumla, die Verehrung der Kuh bei den Indogermanen allgemein. Sie ist Symboltier des zweiten Lebensringes (Venus). Man kann sich eine Zeit lang darin geborgen fühlen. Aber dann bekommt man „einen Tritt vor den Kopf* um zu begreifen, daß jeder für sich selbst sorgen muß.
Damit tritt er in den Erlebnisbereich des „Mars“ ein. Ganz auf Frieden eingestellt, ist er mit dem Schweinchen zufrieden, aber gemeint ist als Symboltier dieser Lebensstufe der Eber. Bei den Griechen galten die Wildschweinjäger als Helden. Die Kelten verehrten einen Eber als Kampfgott. In der germanischen Mythologie reitet FREYR (der Bruder der FREYA) auf dem goldborstigen Eber Gullinborsti. Die vielen deutschen Namen wie Eberhardt, Eberstadt, Eberswalde weisen ebenfalls daraufhin, daß der Eber als gefürchtetes kämpferisches Tier dem Mars als Gott des Kampfes und des Rechts zuzuordnen ist. Unser Hans muß dann aber doch bedenken, daß mit dem Besitztrieb auch Neid und Mißtrauen verbunden sind. Der Verdacht, ein Dieb zu sein, macht es bereits leicht, auf sein „Schweinchen“ zu verzichten.
Gern verläßt er die Gemeinschaft mit dem Eber und tauscht diese mit der Gans. Aber diese ist ja nur die Ersatzfigur für den Schwan. Dieser stolze, in sich ruhende Vogel ist das Symboltier der seelenvollen vierten Lebensstufe. In dieser werden die Glaubenskräfte lebendig. Die Sinnfrage tritt immer deutlicher hervor. Im germanischen Mythos verkörpern sich geistige Wesenheiten (Elfen) als Schwäne auf Erden. Wie wir u.a. aus dem Märchen vom Trommler ersehen können, sind sie Botinnen vom Glasberg, dem Ort der Ideen in Göttergestalt. Zwei Schwäne schwimmen auf dem Urdbrunnen unter der Weltenesche. Aber auch auf dieser Lebensstufe des Jupiter kann der besinnliche Mensch nicht seine innere Ruhe finden.
Die Sinnfrage löst Zweifel aus, und damit tritt der Mensch in den Bereich des Saturn. Das Erkennen des „Selbst“ macht bewußt, daß der erkennende Teil in uns weder der Körper noch das Seelische ist. Der Schwan wird von dem Grübler doch nur als Gans bewertet und daher leicht gegen einen Schleifstein vertauscht.
Doch stellt Hans bei dem Denken über die Sinnfrage fest, daß sich unser Denken dabei „abschleift“. Das Bedenken der kleinen Alltagssorgen wird dabei fallen gelassen, wird abgeschliffen. Das Bemühen um Erkenntnis des „Selbst“ führt zur Meditation. („Der Berg wird abgegraben“ im Märchen vom ›Goldenen Vogel‹). Der Schleifstein bringt alles Kernhafte erst zum glänzen!
Aber nun die Steine selbst: Das ist ja die Schwere unserer Körperlichkeit, die Not, essen und trinken zu müssen! Wie litt dabei unser Hans, dessen Sehnsucht auf die Geborgenheit bei der großen Mutter gerichtet war – im Grunde unter der Last seiner Körperlichkeit mit deren Bedürfnissen. Wie dankte er Gott, daß er diese Steine nun am Brunnen verloren hatte, aus dem er trank.
Was war dies aber für ein Brunnen? Hatte er nicht daraus eine tiefe Erkenntnis getrunken? Eine Erleuchtung erfahren? Er hatte am Urdbrunnen, der Quelle des Lebens, sich als ein Wesen erkannt, das im Grunde rein geistiger Natur ist. Es ist die Erkenntnis, die Uranus vermittelt. In dieser Schau erkannte er seine Verbindung mit der großen Mutter im Kosmos.
Die Indogermanen (Brahmanen) lehrten danach, daß das „Selbst“ der Menschen, ihr ›atman‹, Anteil des Allgeistigen im Kosmos, des Brahman sei. Von dieser Warte aus ist die Geschichte vom ›Hans im Glück‹ sicher schon in sehr früher, vorchristlicher Zeit berichtet worden.
Es war das Erkennen des Göttlichen der nach Heiligkeit strebenden Einsiedler in den Bergen und heiligen Bereichen der Waldeinsamkeit, wahrscheinlich auch bei den Externsteinen. Hinter dem so heiter erzählten Märchen steckt die tiefe Sehnsucht nach Rückkehr zur Allmutter im Kosmos.
DAS GÖTTLICHE
Welche Sehnsucht, oh Baum, erfüllt Dich.
wenn Deiner Krone Astwerk
und das Atmen des Meers Deiner Blätter,
gen Himmel gerichtet,
sich dem Lichtglanz der Sonne zukehrt?
Welche Hoffnung erfüllt
der Rose Blühn und des Veilchens
liebliches Rufen, wenn das Wunder
der Duftkraft in die umgebenden
Lüfte hinausströmt?
Was erwartet das Eichhorn
und der spähende Vogel,
wenn er geschäftig von Ast zu Ast springt
und selbst der plump von dannen
fliegende Käfer ein Ziel hat?
Welchem Ende, im Strom des ewigen Wachstums
führt uns entgegen der Wille zum Dasein
und die Hoffnung auf glückfrohe Heimat,
geborgen im klangvollen Ganzen
göttlich-wirkenden Urgrunds?
Sei es ein Göttliches
oder von Göttern getragenes Kraftfeld
allwissender Weisheit –
in Dir nur findet die Sehnsucht der Herzen
die wissend-ruhende Heimstatt
als der Gotteskinder
Vater und Muttergleiches
ewig ruhendes Heimfeld.
Hans hatte sieben Jahre bei seinem Herrn gedient, da sprach er zu ihm: „Herr, meine Zeit ist herum, nun wollte ich gerne wieder heim zu meiner Mutter, gebt mir meinen Lohn.“
Der Herr antwortete: „Du hast mir treu und ehrlich gedient, wie der Dienst war, so soll der Lohn sein“, und gab ihm ein Stück Gold, das so groß wie Hansens Kopf war. Hans zog sein Tüchlein aus der Tasche, wickelte den Klumpen hinein, setzte ihn auf die Schulter und machte sich auf den Weg nach Haus.
Wie er so dahinging und immer ein Bein vor das andere setzte, kam ihm ein Reiter in die Augen, der frisch und fröhlich auf einem munteren Pferd vorbeitrabte. „Ach“, sprach Hans ganz laut, „was ist das Reiten ein schönes Ding! Da sitzt einer wie auf einem Stuhl, stößt sich an keinen Stein, spart die Schuh und kommt fort, er weiß nicht wie.“
Der Reiter, der das gehört hatte, hielt an und rief: „Ei, Hans, warum läufst du auch zu Fuß?“
„Ich muß ja wohl“, antwortete er, „da habe ich einen Klumpen heimzutragen. Es ist zwar Gold, aber ich kann den Kopf dabei nicht geradhalten, auch drückt mir’s auf die Schulter.“
„Weißt du was“, sagte der Reiter, „wir wollen tauschen, ich gebe dir mein Pferd, und du gibst mir deinen Klumpen.“
„Von Herzen gern“, sprach Hans, „aber ich sage Euch, Ihr müßt Euch damit schleppen.“
Der Reiter stieg ab, nahm das Gold und half dem Hans hinauf, gab ihm die Zügel fest in die Hände und sprach: „Wenn’s nun recht geschwind soll gehen, so mußt du mit der Zunge schnalzen und hopp hopp rufen.“
Hans war seelenfroh, als er auf dem Pferde saß und so frank und frei dahinritt. Über ein Weilchen fiel’s ihm ein, es sollte noch schneller gehen, und er fing an, mit der Zunge zu schnalzen und hopp hopp zu rufen. Das Pferd setzte sich in starken Trab, und ehe sich’s Hans versah, war er abgeworfen und lag in einem Graben, der die Äcker von der Landstraße trennte. Das Pferd wäre auch durchgegangen, wenn es nicht ein Bauer aufgehalten hätte, der des Weges kam und eine Kuh vor sich her trieb.
Hans suchte seine Glieder zusammen und machte sich wieder auf die Beine. Er war aber verdrießlich und sprach zu dem Bauer: „Es ist ein schlechter Spaß, das Reiten, zumal, wenn man auf so eine Mähre gerät wie diese, ich setze mich nun und nimmermehr wieder auf. Da lob‘ ich mir Eure Kuh, da kann einer mit Gemächlichkeit hinterhergehen und hat obendrein seine Milch, Butter und Käse jeden Tag gewiß. Was gäb‘ ich darum, wenn ich so eine Kuh hätte!“
„Nun“, sprach der Bauer, „geschieht Euch so ein großer Gefallen, so will ich Euch wohl die Kuh für das Pferd vertauschen.“ Hans willigte mit tausend Freuden ein, der Bauer schwang sich aufs Pferd und ritt eilig davon.
Hans trieb seine Kuh ruhig vor sich her und bedachte den glücklichen Handel. „Hab‘ ich nur ein Stück Brot, und daran wird mir’s nicht fehlen, so kann ich, sooft mir’s beliebt, Butter und Käse dazu essen; hab‘ ich Durst, so melk‘ ich meine Kuh und trinke Milch. Herz, was verlangst du mehr? “
Als er zu einem Wirtshaus kam, machte er halt, aß in der großen Freude alles, was er bei sich hatte, sein Mittag- und Abendbrot rein auf und ließ sich für seine letzten paar Heller ein halbes Glas Bier einschenken. Dann trieb er seine Kuh weiter, immer nach dem Dorfe seiner Mutter zu. Die Hitze ward drückender, je näher der Mittag kam, und Hans befand sich in einer Heide, die wohl noch eine Stunde dauerte.
Da ward es ihm ganz heiß, so daß ihm vor Durst die Zunge am Gaumen klebte. Dem Ding ist zu helfen, dachte Hans, jetzt will ich meine Kuh melken und mich an der Milch laben. Er band sie an einen dürren Baum, und da er keinen Eimer hatte, so stellte er seine Ledermütze unter, aber wie er sich auch bemühte, es kam kein Tropfen Milch zum Vorschein. Und weil er sich ungeschickt dabei anstellte, so gab ihm das ungeduldige Tier endlich mit einem der Hinterfüße einen solchen Schlag vor den Kopf, daß er zu Boden taumelte und eine Zeitlang sich gar nicht besinnen konnte, wo er war.
Glücklicherweise kam gerade ein Metzger des Weges, der auf einem Schubkarren ein junges Schwein liegen hatte. „Was sind das für Streiche!“ rief er und half dem guten Hans auf. Hans erzählte, was vorgefallen war.
Der Metzger reichte ihm eine Flasche und sprach: „Da trinkt einmal und erholt Euch. Die Kuh will wohl keine Milch geben, das ist ein altes Tier, das höchstens noch zum Ziehen taugt oder zum Schlachten.“
„Ei, ei“, sprach Hans und strich sich die Haare über den Kopf, „wer hätte das gedacht! Es ist freilich gut, wenn man so ein Tier im Haus abschlachten kann, was gibt’s für Fleisch! Aber ich mache mir aus dem Kuhfleisch nicht viel, es ist mir nicht saftig genug. Ja, wer so ein junges Schwein hätte! Das schmeckt anders, dabei noch die Würste.“
„Hört, Hans“, sprach der Metzger, „Euch zuliebe will ich tauschen und will Euch das Schwein für die Kuh lassen.“
„Gott lohn Euch Eure Freundschaft“, sprach Hans, übergab ihm die Kuh und ließ sich das Schweinchen losmachen und den Strick in die Hand geben.
Hans zog weiter und überdachte, wie ihm doch alles nach Wunsch ginge, begegnete ihm eine Verdrießlichkeit, so würde sie doch gleich wieder gutgemacht. Es gesellte sich danach ein Bursch zu ihm, der trug eine schöne weiße Gans unter dem Arm. Sie boten einander die Zeit, und Hans fing an, von seinem Glück zu erzählen und wie er immer so vorteilhaft getauscht hätte.
Der Bursch erzählte ihm, daß er die Gans zu einem Kindtaufschmaus brächte. „Hebt einmal“, fuhr er fort und packte sie bei den Flügeln, „wie schwer sie ist, die ist aber auch acht Wochen lang genudelt worden. Wer in den Braten beißt, muß sich das Fett von beiden Seiten abwischen.“
„Ja“, sprach Hans und wog sie mit der einen Hand, „die hat ihr Gewicht, aber ein Schwein ist auch keine Sau.“ Indessen sah sich der Bursch nach allen Seiten ganz bedenklich um, schüttelte auch wohl mit dem Kopf.
„Hört“, fing er darauf an, „mit Eurem Schweine mag’s nicht ganz richtig sein. In dem Dorfe, durch das ich gekommen bin, ist eben dem Schulzen eins aus dem Stalle gestohlen worden. Ich fürchte, ich fürchte, Ihr habt’s da in der Hand. Sie haben Leute ausgeschickt, und es wäre ein schlimmer Handel, wenn sie Euch mit dem Schwein erwischten. Das geringste ist, daß ihr ins finstere Loch gesteckt werdet.“
Dem guten Hans ward bang: „Ach Gott“, sprach er, „helft mir aus der Not, Ihr wißt hierherum bessern Bescheid, nehmt mein Schwein da und laßt mir Eure Gans.“
„Ich muß schon etwas aufs Spiel setzen“, antwortete der Bursche, „aber ich will doch nicht schuld sein, daß Ihr ins Unglück geratet.“
Er nahm also das Seil in die Hand und trieb das Schwein schnell auf einen Seitenweg fort, der gute Hans aber ging, seiner Sorgen entledigt, mit der Gans unter dem Arme der Heimat zu.
„Wenn ich’s recht überlege“, sprach er mit sich selbst, „habe ich noch Vorteil bei dem Tausch: erstlich den guten Braten, hernach die Menge von Fett, die herausträufeln wird, das gibt Gänsefettbrot auf ein Vierteljahr, und endlich die schönen, weißen Federn, die laß‘ ich mir in mein Kopfkissen stopfen, und darauf will ich wohl ungewiegt einschlafen.“
Als er durch das letzte Dorf gekommen war, stand da ein Scherenschleifer mit seinem Karren, sein Rad schnurrte, und er sang dazu: „Ich schleife die Schere und drehe geschwind und hänge mein Mäntelchen nach dem Wind.“
Hans blieb stehen und sah ihm zu; endlich redete er ihn an und sprach „Euch gehts wohl, weil Ihr so lustig bei Eurem Schleifen seid.“
„Ja,“ antwortete der Scherenschleifer, „das Handwerk hat einen güldenen Boden. Ein rechter Schleifer ist ein Mann, der, sooft er in die Tasche greift, auch Geld darin findet. Aber wo habt Ihr die schöne Gans gekauft?“
„Die hab ich nicht gekauft, sondern für mein Schwein eingetauscht.“
„Und das Schwein?“
„Das hab ich für eine Kuh gekriegt.“
„Und die Kuh?“
„Die hab ich für ein Pferd bekommen.“
„Und das Pferd?“
„Dafür hab ich einen Klumpen Gold, so groß als mein Kopf, gegeben.“
„Und das Gold?“
„Ei, das war mein Lohn für sieben Jahre Dienst.“
„Ihr habt Euch jederzeit zu helfen gewußt,“ sprach der Schleifer, „könnt Ihrs nun dahin bringen, daß Ihr das Geld in der Tasche springen hört, wenn Ihr aufsteht, so habt Ihr Euer Glück gemacht.“
„Wie soll ich das anfangen?“ sprach Hans.
„Ihr müßt ein Schleifer werden wie ich; dazu gehört eigentlich nichts als ein Wetzstein, das andere findet sich schon von selbst. Da hab ich einen, der ist zwar ein wenig schadhaft, dafür sollt Ihr mir aber auch weiter nichts als Eure Gans geben; wollt Ihr das?“
„Wie könnt Ihr noch fragen,“ antwortete Hans, „ich werde ja zum glücklichsten Menschen auf Erden; habe ich Geld, sooft ich in die Tasche greife, was brauche ich da länger zu sorgen?“ reichte ihm die Gans hin, und nahm den Wetzstein in Empfang.
„Nun,“ sprach der Schleifer und hob einen gewöhnlichen schweren Feldstein, der neben ihm lag, auf, „da habt Ihr noch einen tüchtigen Stein dazu, auf dem sich’s gut schlagen läßt und Ihr Eure alten Nägel gerade klopfen könnt. Nehmt ihn und hebt ihn ordentlich auf.“
Hans lud den Stein auf und ging mit vergnügtem Herzen weiter; seine Augen leuchteten vor Freude, „ich muß in einer Glückshaut geboren sein,“ rief er aus „alles, was ich wünsche, trifft mir ein, wie einem Sonntagskind.“
Indessen, weil er seit Tagesanbruch auf den Beinen gewesen war, begann er müde zu werden; auch plagte ihn der Hunger, da er allen Vorrat auf einmal in der Freude über die erhandelte Kuh aufgezehrt hatte. Er konnte endlich nur mit Mühe weitergehen und mußte jeden Augenblick halt machen; dabei drückten ihn die Steine ganz erbärmlich. Da konnte er sich des Gedankens nicht erwehren, wie gut es wäre, wenn er sie gerade jetzt nicht zu tragen brauchte.
Wie eine Schnecke kam er zu einem Feldbrunnen geschlichen, wollte da ruhen und sich mit einem frischen Trunk laben: Damit er aber die Steine im Niedersitzen nicht beschädigte, legte er sie bedächtig neben sich auf den Rand des Brunnens. Darauf setzte er sich nieder und wollte sich zum Trinken bücken, da versah ers, stieß ein klein wenig an, und beide Steine plumpten hinab.
Hans, als er sie mit seinen Augen in die Tiefe hatte versinken sehen, sprang vor Freuden auf, kniete dann nieder und dankte Gott mit Tränen in den Augen, daß er ihm auch diese Gnade noch erwiesen und ihn auf eine so gute Art, und ohne daß er sich einen Vorwurf zu machen brauchte, von den schweren Steinen befreit hätte, die ihm allein noch hinderlich gewesen wären.
„So glücklich wie ich,“ rief er aus, „gibt es keinen Menschen unter der Sonne.“
Mit leichtem Herzen und frei von aller Last sprang er nun fort, bis er daheim bei seiner Mutter war.
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