Karl Richter

 

Über den Ersten Weltkrieg hält sich noch immer das populäre Urteil, die Völker Europas seien aus lauter Verblendung und politischer Dummheit in ihn hineingestolpert. Exemplarisch spiegelt der Bestseller ›Die Schlafwandler‹ (2012) aus der Feder des australischen Historikers Christopher Clark diese Sichtweise wider. Sie ist aber unzutreffend.

Auf den großen Krieg, den Sturz der Monarchien und die Implementierung der westlichen Demokratie arbeiteten internationale Freimaurer- und Finanzkreise schon seit Jahrzehnten hin. Der Erste Weltkrieg war das Produkt einer langfristigen Interessen- und Intrigenpolitik westlicher Hintergrundzirkel.

Das gilt auch für den Zweiten Weltkrieg. Wenn auch Hitler der lautstärkste Beteiligte war, ist längst kein Geheimnis mehr, daß er nur der Getriebene war, weil der Zweite Weltkrieg mit dem Ende des Ersten feststand. Allein Polen versuchte in den 20-er und 30-er Jahren mehrmals, mithilfe der Westmächte den Krieg gegen Deutschland vom Zaun zu brechen. Auslöser war 1939 schließlich die anhaltende Terrorisierung der deutschen Volksgruppe in Polen – und die Ermunterung dazu durch die britisch-amerikanischen Drahtzieher.

Es ist im übrigen exakt die gleiche Konstellation, bis hin zu den Hauptbeteiligten, mit der sich Putin heute konfrontiert sieht. Anders als Hitler wartete er acht Jahre lang, von 2014 bis 2022, ehe er der drangsalierten russischen Bevölkerung im Nachbarland zur Hilfe kam. In dem großen Interview, das Tucker Carlson im Februar mit ihm führte, ließ Putin erkennen, daß er sich der historischen Parallelen bewußt ist.

Derzeit erleben wir in Echtzeit, wie der dritte Weltkrieg vom Zaun gebrochen wird. Vorsätzlich, sehenden Auges. Es wäre übrigens nicht der erste große Krieg, der im Sommer beginnt. Man KANN die westlichen Provokationen an die Adresse Rußlands doch gar nicht anders interpretieren denn als die zielstrebige Herbeiführung des Krieges.

Man kennt in den NATO-Stäben die russische Nukleardoktrin – und attackiert offenbar gerade deshalb russische Radarstationen, die Bestandteil des Frühwarnsystems zur Erkennung von Angriffen mit Interkontinentalraketen (ICBMs) und damit eine Säule der strategischen Sicherheit Rußlands sind. Gleichzeitig macht man den Weg für die Entsendung westlicher Bodentruppen in die Ukraine frei.

Parallel dazu trägt man den Krieg zielstrebig auf russisches Territorium, indem die bisherigen Beschränkungen für den Einsatz der vom Westen gelieferten Waffensysteme aufgehoben werden. Völlig zurecht warnte Putin nun davor, die „ständige Eskalation“ könne „zu ernsten Konsequenzen führen“. Auch wenn Kiew die Angriffe auf russische Einrichtungen und russisches Territorium ausführe, läge die Verantwortung dafür bei den westlichen Unterstützern.

Sie wollen einen globalen Konflikt.

Auch die letzten verbliebenen Beobachter, die sich nüchternen Verstand bewahrt haben, machen sich darüber keine Illusionen. Der ungarische Präsident Orbán formulierte es am 24. Mai ohne Umschweife:

Was sich heute in Brüssel und Washington abspielt, vielleicht mehr in Brüssel als in Washington, ist eine Art Vorbereitung auf einen möglichen direkten militärischen Konflikt, man kann es getrost so nennen: die Vorbereitungen für den Eintritt Europas in den Krieg haben begonnen.

Nach Lage der Dinge wird der Krieg kommen, weil ihn der Westen will. Die Gründe dafür sind vielfältig und beschäftigen uns hier nur am Rande: das westliche Kapitalismus-Krebsgeschwür ist prinzipiell auf die Einverleibung immer neuer Realwerte angewiesen und schickte sich schon in den neunziger Jahren, nach dem Ende der UdSSR, zur Absorption Rußlands und seiner Rohstoffe an. Putin verhinderte das.

Heute kommt noch hinzu, daß das Ende der Dollar-Dominanz näherrückt und damit das Ende der amerikanischen Welt-Hegemonie. Um das zu verhindern, sind die westlichen Eliten auch zum Atomkrieg bereit und bereiten skrupellos die Dezimierung der europäischen Bevölkerung vor. Die Ukrainer waren nur die ersten.

Der ungarische Außenminister Péter Szijjártó sprach es dieser Tage aus: die EU werde versuchen, die Wehrpflicht in weiteren Mitgliedstaaten einzuführen, damit junge Menschen in den zunehmend aussichtslosen Krieg in der Ukraine geschickt werden könnten:

Die Wehrpflicht wird eingeführt, um junge Menschen zum Schlachten in die Ukraine zu schicken!

Die Ahnungslosigkeit, mit der sich die europäischen Gesellschaften in den Krieg hineinmanövrieren lassen, wirkt gespenstisch. Offenbar ist ein dreiviertel Jahrhundert nach dem letzten Krieg jedes kollektive Wissen, jede kollektive Erfahrung über das Grauen des Krieges verschwunden. Die Sorglosigkeit – oder soll man von kollektiver Amnesie sprechen? –, mit der die westlichen Gesellschaften das Näherrücken des Krieges hinnehmen, der mit großer Wahrscheinlichkeit atomar geführt werden wird, ist atemberaubend.

Wie ahnungslos insbesondere die Deutschen, die bereits zwei Weltkriege mit furchtbaren Opfern hinter sich haben, in den Ernstfall hineinstolpern, ist ein Stück wie aus einem Zombiefilm. Deutschland ist in keiner Weise darauf vorbereitet, weder mental noch ökonomisch noch logistisch, militärisch schon gar nicht. Die Munitionsreserven der Bundeswehr reichen bekanntlich für nicht einmal zwei Tage. Das Gute daran ist, daß Deutschland in den Planungen der russischen Stäbe als ernstzunehmender Gegner gar nicht erst auftaucht.

Es ist müßig, sich über das bevorstehende Szenario den Kopf zu zerbrechen. Der Krieg wird nicht mit einem atomaren Schlagabtausch und auch nicht mit einem konventionellen Großangriff beginnen. Letzterer würde derzeit auch die russische Seite überfordern. Rußland hat noch viele nicht-militärische, „asymmetrische“ Pfeile im Köcher, die den Westen ins Straucheln bringen können, noch ehe er in der Ukraine weiteres Unheil anrichten kann.

Rußland hat bis heute noch keine ernsthaften Gegensanktionen ergriffen, etwa die komplette Einstellung der Gas- und Öllieferungen, die den Westen immer noch auf Umwegen erreichen. Rußland hat noch nicht ansatzweise begonnen, die westliche Infrastruktur mit klandestinen, aber wirkungsvollen Schlägen zu schädigen, etwa gegen die Kommunikations-, Energie- und Verkehrsinfrastruktur.

Erst jüngst, am 16. Mai, hat Moskau offenbar eine Anti-Satellitenwaffe ins All geschickt, die den US-Strategen Sorgen bereitet. Schon der Ausfall des GPS-Navigationssystems würde im Westen zu Chaos führen. Aber Rußland ist immer noch ein schlafender Bär.

Deutschland hat zwei Weltkriege durch eine beispiellose Organisation seiner gesellschaftlichen und ökonomischen Ressourcen überstanden, wenn auch nicht gewonnen. Im Zweiten Weltkrieg erreichte der Ausstoß der Rüstungsproduktion sogar erst im letzten Quartal 1944 sein Maximum. Von solchen Leistungen ist die deutsche Gesellschaft heute Lichtjahre entfernt. Sie ist wehr- und leistungsunwillig, sie verfügt über keinerlei Ressourcen und wird durch Millionen Migranten, die sie ernähren muß, zusätzlich geschröpft. Sie ist schlechterdings verteidigungsunfähig.

Vieles spricht dafür, daß die westeuropäischen Gesellschaften, deren Fundamente Hedonismus, Werteverfall und permanenter Konsum sind, im Ernstfall implodieren werden. Sollte der erste taktische Atomsprengkopf der Russen über der Westukraine oder einem der NATO-Umschlagplätze in Polen detonieren, sind viele westliche Pläne hinfällig.

Allein Millionen Zugewanderter, die sich nehmen werden, was sie brauchen, wenn die Supermärkte leer sind, werden für Chaos und erhebliche Opfer unter der Zivilbevölkerung sorgen. Aber: wenn sich Deutschland im Kriegszustand befindet, besteht die Aussicht, daß das Gros von ihnen fluchtartig das Land verläßt; solche Voraussagen gibt es.

Man muß die Entwicklung letztlich begrüßen. Weil dann zumindest theoretisch die Chance besteht, daß die Karten neu gemischt werden und die westlichen Verbrecherregime fallen. Welche Möglichkeiten sich aus der Kombination aus innerem Chaos und äußerer Bedrohung ergeben und welche neuen Akteure dann womöglich auf der Bildfläche erscheinen, läßt sich derzeit noch nicht ansatzweise prognostizieren.

Fest steht nur: die westlichen Vasallenregime, die Washington blindlings in den Krieg folgen, müssen weg, wenn wir überleben wollen. Sie, nicht Rußland, sind unser existentieller Feind. Sie, nicht Rußland, wollen unseren Untergang. Wir müssen sie loswerden, wenn wir überhaupt noch eine Zukunft haben wollen. Wir haben jetzt ohnehin keine Wahl mehr.

Quelle: https://www.facebook.com/karl.richter.798

 

 

 

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