Andrea Marcigliano

 

Allgemein als verläßlich geltende Quellen (Bloomberg u.a.) berichten, daß sich die Anwendung von ›Künstlicher Intelligenz‹ [KI] auf die Kriegsstrategien in der Ukraine als totaler Fehlschlag erwiesen hat.

Tatsächlich glaubten die Techniker und Strategen des Pentagons, daß die Streitkräfte Kiews mit Hilfe der von den USA bereitgestellten künstlichen Intelligenz leicht über die Moskauer Streitkräfte würden siegen können.
Denn ihre Strategien hätten sich auf objektive Daten gestützt, die von einem systemübergreifenden Computererkennungssystem gefiltert worden wären. Und von der KI organisiert. Die Grenzen des menschlichen Versagens vermeidend.

Aber das war nicht der Fall. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Schußgenauigkeit der Russen, die sich immer noch auf den Menschen verlassen, ist um ein Vielfaches höher als die der Ukrainer, die sozusagen ferngesteuert werden durch ausgeklügelte Computersysteme.

Ich bin kein Techniker und behaupte auch nicht, daß ich über Fachwissen auf diesem Gebiet verfüge. Ich beziehe mich jedoch auf die Daten der betreffenden Agenturen. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Über den Krieg und… den menschlichen Faktor.

Denn in der Kunst des Krieges ist genau das nach und nach verloren gegangen. Der „menschliche Faktor”. Das heißt, die Bedeutung des Menschen, der kämpft. Mit seinen Vorzügen und seinen Schwächen. Seinem Heldentum und seiner Angst.

Und das ist ein großer Verlust. Vor allem für den sogenannten Westen. Der daran geglaubt hat, dies durch „Technik” zu ersetzen. In der Tat entmenschlicht er den Krieg. Der, ob wir ihn mögen oder nicht (und ich verstehe, daß wir ihn vielleicht nicht mögen), ein grundlegender Bestandteil unserer Geschichte ist. Und unseres Lebens.

Unsere Zivilisation beginnt mit der Ilias. Achilles gegen Hektor. Und das, was wir sind, was wir seit Jahrhunderten, seit Jahrtausenden sind, stammt von dort.

Mann gegen Mann. Die Prüfung der Waffen. Tapferkeit. Aristokratie. Ein Bild, das sich fast bis zum heutigen Tag gehalten hat. Das sich zur Strategie verfeinert hat. Die in der Tat Kunst ist. Blutig, blutig. Aber Kunst. Und damit abhängig von menschlicher Tapferkeit, Geschicklichkeit und Intelligenz.

Denn es ging nicht mehr nur um körperliche Kraft und Mut. Cäsar war nicht besonders kampftauglich. Aber er war ein Genie der Strategie. Genauso wie Napoleon, der in der Tat Angst vor der physischen Konfrontation gehabt zu haben scheint. Aber er beherrschte die Schlacht mit seinem Verstand. Mit seinem strategischen Genie. Die Grenzen der physischen Kraft weit überschreitend. Oder mit roher Gewalt, je nach Fall.

Also bis zum Großen Krieg. Der ein Krieg der Massen war. Und des Materials. In dem technische Macht mehr zu zählen begann als strategische Intelligenz und Tapferkeit auf dem Schlachtfeld.

Ernst Jünger hat dies mit großer Klarheit erkannt. In seinem Buch ›Stahlgewitter“ schildert er den Zusammenstoß zwischen Mensch und Maschine. Es ist immer noch die Ilias, aber einer der beiden Kontrahenten ist nicht mehr menschlich. Es ist die Macht der Technik. Die aus dem materiellen Reichtum kommt. Aus Geld.

Ezra Pound

Deshalb schrieb Ezra Pound, daß es für einen modernen Dichter unmöglich ist, die Wirtschaft zu ignorieren. Genauso wie es für Homer unmöglich war, den Krieg nicht zu erwähnen.

Wirtschaft, Interesse und wirtschaftliche Macht entfesseln nicht nur Kriege. Sie bestimmen auch den Ausgang. Der Sieg hängt von den zur Verfügung stehenden Mitteln ab. Letztlich von Geld und Technologie. Die nicht … menschlich sind.

Amerika verkörperte und verkörpert diese andere Auffassung von Krieg. Die nun für den gesamten sogenannten kollektiven Westen charakteristisch ist.

Eine Sichtweise, die während des Bürgerkriegs bekräftigt wurde. Die Tapferkeit von Lees „Grauen Reitern” wurde durch die materielle Überlegenheit von Grants „Blauröcke” besiegt.

Das blutige Shiloh war der Beweis dafür.

Aber dieses neue Paradigma, dieses Konzept des Krieges als materielle Macht und nicht als menschlicher Wert, begann nach dem Zweiten Weltkrieg Schwachstellen zu zeigen.

In Vietnam war das materielle Kräfteverhältnis ganz zugunsten der Amerikaner. Dennoch haben sie verloren.

Sie waren unfähig, die Gegebenheiten zu verstehen sowie die Männer, die Vietcong, die in diesem Umfeld lebten und kämpften.

Und die Geschichte hat sich wiederholt. Zum Beispiel mit den Taliban.

Wohlgemerkt: Ich hege keine ideologische Sympathie für die Viets oder die Taliban. Nur die Feststellung, daß sich die Vorstellung, Kriege seien nur durch überlegene Mittel und Technologie, ohne den Menschen, zu gewinnen, zunehmend als bankrott erweist.

Mehr und mehr bankrott, da der menschliche Faktor an Bedeutung verliert. Immer weniger beachtet wird. Bis hin zu dem Versuch, menschliche Entscheidungen durch solche zu ersetzen, die von einer aseptischen, künstlichen Intelligenz getroffen werden. Wie in einem Albtraum, der Fantasie von Philip K. Dick entsprungen.

Ich weiß nicht, wie der Krieg in der Ukraine enden wird. Und das ist es auch nicht, was mich jetzt interessiert.

Aber wenn die Bloomberg-Meldung stimmt, haben wir vielleicht den Beweis, daß der menschliche Faktor nicht durch etwas… Künstliches ersetzt werden kann. Im Krieg, wie in allen anderen grundlegenden Aktivitäten des Lebens.

Quelle: https://www.terreetpeuple.com/guerre-culturelle-reflexion-20/81-decryptage/7968-la-guerre-et-le-facteur-humain.html
Originalquelle: https://electomagazine.it/il-fattore-umano/
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