In mystischer Erhellung erkannte Meister Eckehart:
GOTT IST REINES NICHTS
Vor langer Zeit überlegten die Götter, daß es sehr schlecht wäre, wenn die Menschen die Weisheit des Universums finden würden, bevor sie tatsächlich reif genug dafür wären. Also entschieden die Götter, die Weisheit des Universums so lange an einem Ort zu verstecken, wo die Menschen sie solange nicht finden würden, bis sie reif genug sein würden.
Einer der Götter schlug vor, die Weisheit auf dem höchsten Berg der Erde zu verstecken. Aber schnell erkannten die Götter, daß der Mensch bald alle Berge erklimmen würde und die Weisheit dort nicht sicher genug versteckt wäre.
Ein anderer schlug vor, die Weisheit an der tiefsten Stelle im Meer zu verstecken. Aber auch dort sahen die Götter die Gefahr, daß die Menschen die Weisheit zu früh finden würden.
Dann äußerte der weiseste aller Götter seinen Vorschlag: „Ich weiß, was zu tun ist. Laßt uns die Weisheit des Universums im Menschen selbst verstecken. Er wird dort erst dann danach suchen, wenn er reif genug ist, denn er muß dazu den Weg in sein Inneres gehen.“
Die anderen Götter waren von diesem Vorschlag begeistert und so versteckten sie die Weisheit des Universums im Menschen selbst.
In Armenien lebte im 18. Jahrhundert ein Ehepaar. Der Mann war ein Cellospieler – einer der Großen seiner Zeit, der sein Instrument virtuos beherrschte. Je älter er aber wurde, desto weniger spielte er und umso mehr legte er Wert darauf, dieses Wenige in höchster Vollendung zu spielen. Als er nun ganz alt war, spielte er nur noch einen einzigen Ton, diesen jedoch so wunderbar, wie man es nie zuvor gehört hatte.
Seiner Frau aber war das langweilig – immer der gleiche Ton, wußte sie doch, welch begnadeten Cellospieler sie zum Manne hatte. Nun geschah es, daß ein Orchester in ihrer Stadt ein Konzert gab. Die Frau ging hin und berichtete ihrem Mann voll Begeisterung: „Es waren viele Cellisten dabei. Sie spielten rauf und runter, die verschiedensten Töne – und du spielst immer nur den einen Ton!”
Darauf der Mann: „Sie sind noch am Suchen”
Ein junger Mann, der eine bittere Enttäuschung in seinem Leben erlitten hatte, begab sich zu einem entlegenen Kloster und sagte zum Abt: „Ich bin vom Leben enttäuscht und möchte die Erleuchtung erlangen, um von diesen Leiden befreit zu sein. Aber ich habe keine Begabung, etwas lange durchzuhalten. Ich konnte niemals lange Jahre der Meditation und der Studien und strengen Lebensführung durchhalten; ich würde immer wieder in die Welt zurückgezogen werden, obwohl ich weiß, wie schmerzlich das ist. Gibt es einen kurzen Weg für Leute wie mich?“
„Es gibt einen“, sagte der Abt, „wenn du wirklich entschlossen bist. Sage mir, was hast du studiert, worauf hast du dich in deinem Leben am meisten konzentriert?“
„Hm, auf nichts so richtig. Wir waren reich, und ich brauchte nicht zu arbeiten. Ich glaube, was mich wirklich interessierte, war das Schachspiel. Damit verbrachte ich die meiste Zeit.“
Der Abt dachte einen Moment nach und sagte dann zu seinem Assistenten: „Hole den Mönch soundso, und er soll ein Schachbrett und Figuren mitbringen.“
Der Mönch kam mit dem Brett, und der Abt stellte die Figuren auf. Dann ließ er sein Schwert bringen und zeigte es den beiden.
,,O Mönch“, sagte er, „du hast mir als deinem Abt Gehorsam gelobt, und nun fordere ich ihn von dir. Du wirst mit diesem jungen Mann eine Partie Schach spielen, und wenn du verlierst, werde ich dir mit diesem Schwert den Kopf abschlagen. Doch ich verspreche, daß du im Paradies wiedergeboren werden wirst. Wenn du gewinnst, werde ich diesem Mann den Kopf abschlagen, denn Schach ist das einzige, wobei er sich jemals wirklich angestrengt hat, und wenn er verliert, verdient auch er den Verlust seines Kopfes.“
Sie sahen dem Abt ins Gesicht und verstanden, daß es ihm ernst war. Dem Verlierer würde er den Kopf abschlagen. Sie begannen das Spiel. Bei den Eröffnungszügen spürte der junge Mann, wie ihm der Schweiß bis zu den Fersen hinunter tropfte, als er um sein Leben spielte. Das Schachbrett wurde zur ganzen Welt; er war völlig darauf konzentriert. Zuerst war es eher schlecht um ihn bestellt, doch dann machte der andere einen schlechten Zug, und er ergriff die Gelegenheit, einen starken Angriff zu lancieren. Wie die Stellung seines Gegners zerbröckelte, sah er ihn verstohlen an. Er sah ein Gesicht aus Intelligenz und Aufrichtigkeit, geprägt von Jahren strengen Lebens und Bemühens. Er dachte an sein eigenes wertloses Leben, und ihn überkam eine Welle des Mitgefühls. Absichtlich beging er einen Fehler und dann noch einen, die seine Stellung ruinierten und ihn seiner Verteidigung beraubten.
Plötzlich beugte sich der Abt vor und stieß das Brett um. Die beiden Gegenspieler waren verstört. „
Hier gibt es keinen Gewinner und keinen Verlierer“, sagte der Abt langsam, „hier kann kein Kopf fallen. Nur zwei Dinge sind erforderlich“, und er wandte sich an den jungen Mann, “ völlige Konzentration und Mitgefühl. Du hast heute beides gelernt. Du warst völlig auf das Spiel konzentriert und konntest doch Mitgefühl empfinden und warst bereit, dein Leben zu opfern. Bleibe nun einige Monate hier und verfolge unsere Ausbildung in diesem Geiste, dann ist dir die Erleuchtung gewiß.“
Er tat es und erlangte sie.
Ein Wissenschaftler beobachtete einen Schmetterling und sah, wie sehr sich dieser abmühte, durch das enge Loch aus dem Kokon zu schlüpfen. Stundenlang kämpfte der Schmetterling, um sich daraus zu befreien. Da bekam der Wissenschaftler Mitleid mit dem Schmetterling, ging in die Küche, holte ein kleines Messer und weitete vorsichtig das Loch im Kokon, damit sich der Schmetterling leichter befreien konnte. Der Schmetterling entschlüpfte sehr schnell und sehr leicht. Doch was der Mann dann sah, erschreckte ihn doch sehr. Die Flügel waren ganz kurz und er konnte nur flattern, aber nicht richtig fliegen.
Da ging der Wissenschaftler zu einem Freund, einem Biologen, und fragte diesen: „Warum sind die Flügel so kurz und warum kann dieser Schmetterling nicht richtig fliegen?“ Der Biologe fragte ihn, was er denn gemacht hätte.
Da erzählte der Wissenschaftler, daß er dem Schmetterling geholfen hatte, leichter aus dem Kokon zu schlüpfen. „Das war das Schlimmste, was du tun konntest. Denn durch die enge Öffnung, ist der Schmetterling gezwungen, sich hindurchzuzwängen. Erst dadurch werden seine Flügel aus dem Körper herausgequetscht und wenn er dann ganz ausgeschlüpft ist, kann er fliegen. Weil du ihm geholfen hast und den Schmerz ersparen wolltest, hast du ihm zwar kurzfristig geholfen, aber langfristig zum Tode verurteilt.“
Wir brauchen manchmal den Schmerz, um uns entfalten zu können – um der oder die zu sein, die wir sein können. Deshalb ist die Not oft notwendig – die Entwicklungschance, die wir nutzen können.
Ein bereits älterer Mönch kam zu einem Zen-Meister und sagte: „Ich habe in meinem Leben eine Vielzahl von spirituellen Lehrern aufgesucht und nach und nach immer mehr Vergnügungen aufgegeben, um meine Begierden zu bekämpfen. Ich habe lange Zeit gefastet, jahrelang mich dem Zölibat unterworfen und mich regelmäßig kasteit. Ich habe alles getan, was von mir verlangt wurde, und ich habe wahrhaft gelitten, doch die Erleuchtung wurde mir nicht zuteil. Ich habe alles aufgegeben, jede Gier, jede Freude, jedes Streben fallengelassen. Was soll ich jetzt noch tun?“
Der Meister erwiderte: „Gib das Leiden auf!“
Eines Tages entschieden die Frösche, einen Wettlauf zu veranstalten. Um es besonders schwierig zu machen, legten sie als Ziel fest, auf den höchsten Punkt eines großen Turms zu gelangen. Am Tag des Wettlaufs versammelten sich viele andere Frösche, um zuzusehen. Dann endlich – der Wettlauf begann.
Nun war es so, daß keiner der zuschauenden Frösche wirklich glaubte, daß auch nur ein einziger der teilnehmenden Frösche tatsächlich das Ziel erreichen könne.
Anstatt die Läufer anzufeuern, riefen sie also „Oje, die Armen! Sie werden es nie schaffen!“ oder „Das ist einfach unmöglich!“ oder „Das schafft Ihr nie!“
Und wirklich schien es, als sollte das Publikum Recht behalten, denn nach und nach gaben immer mehr Frösche auf.
Das Publikum schrie weiter: „Oje, die Armen! Sie werden es nie schaffen!“ Und wirklich gaben bald alle Frösche auf – alle, bis auf einen einzigen, der unverdrossen an dem steilen Turm hinaufkletterte – und als einziger das Ziel erreichte.
Die Zuschauerfrösche waren vollkommen verdattert und alle wollten von ihm wissen, wie das möglich war. Einer der anderen Teilnehmerfrösche näherte sich ihm, um zu fragen, wie er es geschafft hatte, den Wettlauf zu gewinnen. Und da merkten sie erst, daß dieser Frosch taub war!