Der Geist von Dresden

Auch von den Toten bleibt auf Erden noch ein Schein zurück, und die Nachgelassenen sollen nicht vergessen, daß sie in seinem Lichte stehen, damit sie sich Hände und Antlitz rein erhalten.

[Theodor Storm]

Ich möchte daran erinnern, daß die Vereinigten Staaten während des Zweiten Weltkriegs zusammen mit den Briten Dresden, Hamburg, Köln und viele andere deutsche Städte ohne jede militärische Notwendigkeit in Schutt und Asche gelegt haben. Und das geschah demonstrativ ohne, ich wiederhole, ohne militärische Notwendigkeit.

[Wladimir Putin, 30. September 2022]

 

Inmitten einer in Flammen stehenden Welt kam der Tod über Dresden, eine Stadt, die für ihre Schönheit und ihr kulturelles Erbe bekannt war und nun dazu verdammt ist, Zeuge eines Kataklysmus menschlicher Grausamkeit zu werden.

Am 13. und 14. Februar 1945 führten die alliierten Streitkräfte in ihrem gnadenlosen Siegesrausch einen Angriff von solcher Grausamkeit durch, daß er über die Grenzen eines bloßen militärischen Einsatzes hinausging und in den Bereich einer bewußten und kalkulierten Ausrottung überging. Der Himmel, einst Wahrzeichen des Göttlichen, wurde zum Vorboten des Untergangs, als eine Bomberwelle nach der anderen einen Vernichtungssturm auf die ahnungslose Stadt mit den Flüchtlingen aus dem Osten losließ.

Dies war keine gewöhnliche Kriegshandlung, sondern ein minutiös geplantes Massaker, bei dem die Technik der Verwüstung mit erschreckender Präzision perfektioniert wurde. Die ›Royal Air Force‹ versuchte mit ihrem schaurigen Arsenal an Flächenbombardements, Feuerstürmen und der grausigen Innovation von Phosphorbomben, die den Höllenfeuern gleichkamen, Dresden nicht nur zu besiegen, sondern auszulöschen, die Essenz des Lebens auszulöschen. Die Strategie war klar: Schrecken aus der Luft zu verbreiten, die Stadt in einen Trümmerhaufen zu verwandeln, eine Warnung an andere, insbesondere an die Sowjetunion, vor dem Schicksal, das diejenigen erwartete, die sich der Macht der Alliierten widersetzten.

Doch inmitten der Kakophonie der Zerstörung liegt der wahre Schrecken Dresdens weder in den Flammen noch in den Ruinen, sondern in der Stille, die darauf folgte – die Totenstille, die von den zahllosen verloren gegangenen Seelen spricht, von Träumen, die zu Staub zerfallen sind, und von der Unschuld, die durch die Brutalität des Krieges für immer getrübt wurde. Der Welt wurde ein Märchen von der Notwendigkeit, den Kollateralschäden im Streben nach Frieden erzählt, aber unter der Fassade der Kriegsrhetorik und der Nachkriegspropaganda offenbart sich die grausame Realität – Dresden war nicht nur ein Kriegsopfer, sondern ein Opfer eines vorsätzlichen Massenmordes.

In einer Epoche, in der der kollektive Westen, noch unberührt von den verschlungenen Gespinsten der Globalisierung, einen Krieg gegen das germanische Erbe Europas führte, läutete er unwissentlich seinen eigenen Abstieg in einen Abgrund vergessener Überlieferungen und unerfüllter Visionen ein. Dieser Konflikt, der in der Zerstörung Dresdens seinen grausamen Höhepunkt fand, zerstörte nicht nur Bauwerke und die Spuren der Geschichte, sondern auch den Kern der zukünftigen Möglichkeiten. Der weite Raum von Straßburg bis Königsberg, in dem einst der intellektuelle Geist Europas pulsierte, wurde zu einer trostlosen Leere.

Der Angriff auf Dresden und die weiten Gebiete Ostdeutschlands durch die unerbittlichen Stürme der „konventionellen Bombenangriffe“ und die daraus resultierenden Infernos war nur ein Kapitel in dieser tragischen Geschichte. Ein anderes, versteckteres, aber ebenso verhängnisvolles Kapitel war der Aufstieg der westlich-linken „kritischen Theorie“, die – unter dem Deckmantel von Demokratie, Wohlfahrt und Pluralismus – die Heiligtümer der traditionellen Kultur aushöhlte und den Weg für fremde Ideologien und Einflüsse ebnete, die in das einst geeinte Gefüge der europäischen Identität eindrangen.

Wenn wir nun auf den Horizont der Gegenwart blicken, erscheint Europas Zukunft wie eine groteske Fassade, die mit breiten Strichen der Barbarei und der Entfremdung von seinen angestammten Wurzeln gemalt ist. Doch inmitten dieser düsteren Aussicht kündigt Dresden, das seinen einstigen Beinamen Elbflorenz als Hommage an die toskanische Muse wieder aufleben läßt, den Anbruch einer neuen Epoche an. Diese Renaissance ist keine bloße Rückbesinnung auf vergangene Glanzzeiten, sondern ein Aufruf zum post-konservativen Wiederaufstieg. Dresden steht als Denkmal für ein Europa im Aufbruch, das sich bemüht, die Leere, die Jahrzehnte ideologischer Kriege und kultureller Auflösung hinterlassen haben, wieder zu füllen.

Constantin von Hoffmeister

Quelle: https://www.eurosiberia.net/p/the-spirit-of-dresden

Beitragsbild: Artistin auf dem Drahtseil am Kölner Heumarkt. Bayrische Staatsbibliothek München
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