Charles André
Inwieweit beeinflußt die Sprache die Art und Weise, wie wir die Welt betrachten? Die linguistische Relativitätstheorie erklärt, daß die Grammatik und vor allem der Wortschatz eine bestimmte Denkweise prägen, die dazu geeignet ist, den Empfänger in die Welt des Sprechers hineinzuziehen. Diese Theorie steht im Widerspruch zur Shakespeare-Philosophie. Diese besagt, daß die Sprache nicht das Denken bestimmt, sondern daß die Ideen von den Worten klar und deutlich bedient werden müssen, damit der Sprecher sie leicht ausdrücken kann. Wir werden sehen, dass sich die linguistische Relativitätstheorie in der Theorie des britischen Dramatikers durchsetzt, wenn man sie auf die Umwelt anwendet. Insofern, als sie es ermöglicht, zu einer Wahrnehmung der Klimaentwicklung in einer völlig zielgerichteten Form zu führen.
Am Anfang, vor etwas mehr als dreißig Jahren, hörte man den Begriff ›Klimawandel‹ oder ›globale Erwärmung‹. Nach und nach entwickelten die Medien die Sprache weiter, um die Öffentlichkeit in eine Denkform sui generis hineinzuziehen. Sie verwendeten und popularisierten die Ausdrücke „Klimakrise“ und „ökologische Krise“, „Klimanotstand“, „Netto-Null“, „Massenaussterben“ oder auch „Kipp-Punkt“. Diese Ausdrücke wurden von Umweltaktivisten übernommen, die sehr erfinderisch sind, wenn es darum geht, ihre Ziele zu erreichen.
Da Fakten nicht immer für sich selbst sprechen, haben die Klima-Ayatollahs durch die Reduzierung von Ideen auf einfache Konzepte viel mehr erreicht, als nur wissenschaftliche Publikationen zum Lesen zu bringen. So setzte sich eine vereinfachte und karikierende Erzählung über den Klimawandel im journalistischen Umfeld und bei den Politikern durch, die sie für sich nutzten. Zunächst, um zu warnen und zu alarmieren. Dann, um zu beunruhigen und zu verängstigen, mit dem einzigen Ziel, die Massen zu manipulieren.
Das Hauptargument für den Ausweg aus der angekündigten Apokalypse ist die Solidarität mit dem Kollektiv. Das bedeutet, daß diejenigen, die sich weigern, mitzumachen, typischerweise beschuldigt werden, es an Solidarität und staatsbürgerlicher Verantwortung fehlen zu lassen. Dies ist einer der Gründe, warum die absurden Elemente einer Geschichte für die Massen keine Bedeutung haben: „Die Massen glauben an die Geschichte nicht, weil sie exakt ist, sondern weil sie eine neue soziale Bindung schafft“ [Mass Formation (Psychosis): In Brief]. Diese Verbindung besteht in der dringenden Rettung des Planeten!
Seit vielen Jahrzehnten setzen Nichtregierungsorganisationen und soziale Bewegungen Rhetorik strategisch ein, um ihre ideologischen Positionen zu vertreten und die politische und wirtschaftliche Entscheidungsfindung zu beeinflussen. Ein Großteil der verwendeten Sprache und Erzählungen war dystopisch, beängstigend und weit entfernt von wissenschaftlichen Wahrheiten, obwohl sie sich – irreführenderweise – auf einen „wissenschaftlichen Konsens“ beriefen.
Das Hauptziel der hinter dem angstbesetzten Vokabular verborgenen Ideologie ist es, den Glauben zu prägen, daß die Menschen schlecht sind, daß wir uns geirrt haben, daß wir die Schuld an der Zerstörung des Planeten tragen und daß wir Einschränkungen oder sogar Strafen akzeptieren müssen.
Diese heimtückischen Vorstellungen sind weitgehend in unsere westlichen Gesellschaften eingedrungen, die sich für den vermeintlich negativen Zustand der Welt verantwortlich fühlen. Die Menschen fühlen sich schuldig für ihren Lebensstil, den ungezügelten Konsum, ihre Begeisterung für neue Technologien – mit Ausnahme des Mobiltelefons, das zu ihrem zweiten Gehirn geworden ist, wenn es nicht sogar das einzige ist – und sogar dafür, daß sie Kinder haben.
All dies ist das Ergebnis von Lügen, die durch die geschickten Botschaften von Aktivisten verbreitet werden. Diese stützen sich auf die „symbolische Legitimität“ der Wissenschaft, um Glaubwürdigkeit zu erreichen. Gleichzeitig setzen sie dieselbe Wissenschaft strategisch ein, um ihre Ziele zu erreichen. Man muß feststellen, daß dies perfekt funktioniert hat.
Die Sprache, die sie verwenden, um über den Klimawandel zu sprechen, trifft besonders die Jugend, die nun mit „Umweltangst“ geschlagen ist: Eine Umfrage aus dem Jahr 2021 unter 10.000 Jugendlichen zwischen 16 und 25 Jahren in zehn verschiedenen Ländern ergab, daß mehr als 50 Prozent von ihnen angaben, sich traurig, ängstlich, wütend, hilflos und … schuldig zu fühlen! Dramatisch. Zumal 56 % der Befragten der Meinung sind, daß „die Menschheit dem Untergang geweiht ist“.
Es ist bewiesen, daß die Sprache zwar ein Gemeingut ist (laut Saussure), die Sprache dieses System aber korrumpieren kann, wenn einzelne Sprecher sie zu einer offiziellen Sprache im Dienste einer Ideologie machen. Die Sprache ist in der Lage, unsere Welten zu formen, und zwar genau in dem Maße, in dem sie die Art und Weise beeinflußt, wie wir die Wirklichkeit begreifen.
So wie 1539 der obligatorische Gebrauch der französischen Sprache auf Verwaltungsebene (Verordnung von Villers-Cotterêt) es der Oberschicht ermöglichte, das politische Machtmonopol zu erlangen, so ermöglicht die offizielle alarmistische Klimasprache, der ›Domerismus‹[1], den globalistischen Eliten, die Zustimmung der Massen zu ihren globalistischen und malthusianischen Zielen zu erlangen. Wie Bourdieu schrieb, gibt es Strategien im Sprachgebrauch, die implizit „auf die Machtverhältnisse zwischen Sprechern und Zuhörern abgestimmt“ sind. Der ›Domerismus‹ ist ein eindrucksvoller Beweis dafür.
[1] Doomer und Doomerismus oder Domerismus sind englischsprachige Begriffe, die im Internet aufgetaucht sind, um Menschen zu beschreiben, die sich Sorgen über den Zusammenbruch der Zivilisation machen, der mit Überbevölkerung, Umweltverschmutzung und globaler Erwärmung zusammenhängt und letztendlich zum Aussterben der Menschheit führen könnte.
SIND DIE IRRE „DA OBEN“ ?
https://oding.org/poesie-2/gereimte-ruege/sind-die-irre-da-oben