Constantin von Hoffmeister

durchquert das Labyrinth der Vergangenheit und erforscht, wie Dominique Venners Stimme weiterhin nachhallt und unser Verständnis von Geschichte und ihren Auswirkungen auf die Welt, in der wir heute leben, herausfordert.

 

Vor einem Jahrzehnt, am 21. Mai 2013, beging der große Schriftsteller Dominique Venner im Herzen der Kathedrale Notre Dame in Paris seinen Freitod.

Unter einem „einsamen Mond“ im Jahr 1935 geboren, nahm Venner seinen ersten Atemzug, sein Schicksal verwoben mit den Ranken der französischen Geschichte, vorherbestimmt, ihre verschlungenen, nebelverhangenen Pfade zu beschreiten und seine eigene, einzigartige Silhouette in die sich ständig verschiebenden Dünen der Chronologie zu drücken. Seine Rolle im Leben war nicht die eines bloßen Beobachters, er war vielmehr ein aktiver Teilnehmer am großen Drama der Existenz, der verschiedene Rollen wie die des Historikers, des Journalisten und des Essayisten einnahm. Seine Feder floß frei über Themen der politischen und militärischen Geschichte, wobei er seinen Blick oft auf das grimmige Gesicht von Konflikten und Kriegen richtete. Er war ein Mann, der in der „alten Welt“ geboren wurde und doch dazu bestimmt war, sich den Wirren der „neuen Welt“ zu stellen.

In seiner Jugend geriet Venner in die stürmische See des algerischen Unabhängigkeitskrieges und schloß sich der Organisation de l’armée secrète (OAS) an, einer Gruppe französischer Dissidenten, die in dieser turbulenten Zeit eine Art „Schattenarmee“ bildeten. Als sich die Kapitel seines Lebens wendeten, zog sich Venner von der vordersten Front des politischen Aktivismus zurück und widmete sich stattdessen dem edlen Streben nach einer historischen Perspektive. Er wurde zu einem Chronisten der Zeit, einem Architekten des Denkens, der Erzählungen konstruierte, die vom rustikalen Reiz der Jagd bis zum reichen Spektrum der europäischen Geschichte und Traditionen reichten. Seine Stimme, auch wenn sie umstritten war, ertönte laut und deutlich in den Hallen des intellektuellen Diskurses, kritisierte die moderne Welt und setzte sich leidenschaftlich für die Bewahrung und Würdigung des angestammten europäischen Erbes ein.

Im Strudel des ideologischen Denkens gehörte Venner zu den Begründern der „Neuen Rechten“ in Frankreich. Diese intellektuelle Konklave, die oft mit dem ›Groupement de recherche et d’études pour la civilisation européenne‹ (GRECE) in Verbindung gebracht wird, war wie ein Leuchtturm, der den Strahl einer eindeutigen, paneuropäischen Identität auf die nebligen Küsten einer sich schnell verändernden Welt warf. Doch selbst von dieser Bewegung distanzierte sich Venner und zog sich stattdessen in die historischen Forschungen und Schriften zurück, die ihm einen ruhigen Rückzugsort boten, an dem er seinen Gedanken freien Lauf lassen konnte.

Venners Werk ist breit gefächert und vielfältig, und jedes Werk zeugt von seinem intellektuellen Geschick und seiner Leidenschaft für das historische Verständnis. Bewaffnet mit seiner wissenschaftlichen Feder begegnete Venner in ›Histoire de la Collaboration‹ den unheimlichen Echos des Zweiten Weltkriegs und zeichnete das verschlungene Labyrinth der Zusammenarbeit Frankreichs mit dem nationalsozialistischen Deutschland nach. Anstatt diese Geschichte einfach nur zu wiederholen, tauchte er mutig unter ihre Oberfläche und stellte die gängige Erzählung in Frage. Seine ›Histoire critique de la Résistance‹ spiegelt diesen Ansatz wider, indem er die konventionelle Darstellung der französischen Résistance durchbricht, um die verborgenen Facetten dieses Symbols des nationalen Widerstands zu enthüllen. Venners Feder, die dem Skalpell eines Historikers gleicht, dekonstruierte diese Narrative minutiös und beleuchtete die verschlungenen Pfade der Wahrheit, die unter der Oberfläche der gängigen Lehrmeinung verborgen liegen.

Venners literarische Erkundungen führten ihn über den Atlantik, wo er sich auf den von Kriegen gezeichneten Schlachtfeldern von Gettysburg wiederfand. Diese Landschaft, die für immer von der Erinnerung an den Bürgerkrieg durchzogen war, bot einen Schauplatz, an dem der Donner des Artilleriefeuers noch immer nachhallte und dessen geisterhafter Nachhall durch die Zeit hindurch zu spüren war. Seine Feder zeichnete die Geschichte dieses blutgeweihten Bodens nach und beschwor ein Bild der Geschichte herauf, das so lebendig war, als könne man die donnernde Kakophonie der Schlacht noch einmal hören.

Venner weitete seinen Blick auf die Geschichte der Feuerwaffen aus – Artefakte aus Metall und Holz, die im Laufe der Jahrhunderte den Lauf der Geschichte verändert, Gesellschaften geformt und im Guten wie im Schlechten die menschliche Erfahrung definiert haben. Seine Arbeiten zu diesem Thema spiegeln die Schattierungen seiner eigenen Überzeugungen wider: konservativ und traditionalistisch. Auch hier versuchte er mit seinen Worten, die Schichten der Vergangenheit zu entschlüsseln und die symbiotische Beziehung zwischen den Menschen und diesen Instrumenten der Macht und des Konflikts zu erforschen. Er zeichnete das Bild einer Vergangenheit, die mit der Entwicklung dieser Instrumente der Kriegsführung verflochten ist.

Bevor der Nebel der Desillusionierung sein Wesen umhüllte, und bevor er sich in die ruhige Umarmung einer ländlichen Existenz zurückzog, wo er schließlich den Großteil seiner historischen und metapolitischen Überlegungen niederschrieb, war Dominique Venner tief in den Kampf um Französisch-Algerien verstrickt – ein Kampf, der sowohl während des Krieges als auch in der Zeit danach lange Schatten warf. Verstrickt in die kryptischen Machenschaften der OAS, nahm sein Schicksal eine dunkle Wendung, als er sich nach seiner Teilnahme an der Erstürmung der algerischen Hauptstadt in der Gefangenschaft wiederfand.

Venners Leben ist eine Geschichte über die Odyssee eines Mannes durch das Labyrinth der Geschichte, eine Erzählung, die von Konfrontation, Kontemplation und schließlich einem tragischen Ende geprägt ist. Obwohl seine Schriften und Ansichten Gegenstand von Kritik und Debatten sind, haben sie einen Platz in den Annalen des französischen intellektuellen Denkens eingenommen und regen auch nach seinem Tod noch zum Dialog und zur Reflexion an. Die Seele Venners hallt noch immer in den Korridoren des zeitgenössischen Denkens wider. Sein Geist, der sich in den Seiten seiner zahlreichen Werke widerspiegelt, fordert immer wieder heraus, provoziert und weckt ein Gefühl der Sehnsucht nach einer Vergangenheit, die dem unerbittlichen Lauf der Moderne oft zu widerstreben scheint.

Der Band ›Le siècle de 1914‹ zeugt von Venners tiefgreifender Auseinandersetzung mit den Umwälzungen des zwanzigsten Jahrhunderts. Kriege, Revolutionen, technologische Fortschritte, Aufstieg und Fall von Ideologien – er fängt die Wucht eines Jahrhunderts ein, das den Lauf der Menschheitsgeschichte für immer verändert hat, und präsentiert einen schonungslosen, aber tiefgründigen Blick in das Herz des Sturmes.

Doch es ist vielleicht in „The Shock of History: Religion, Memory, Identity“, in dem Venner’s ideologisches Ethos am brillantesten zum Vorschein kommt. Hier webt er einen narrativen Faden, der Religion, Erinnerung und Identität miteinander verbindet, und argumentiert, dass diese Kräfte die westliche Zivilisation und ihre Menschen in oft unbemerkt bleibender Weise geprägt haben.
Er vertritt die Auffassung, dass der „Schock der Geschichte“ Individuen und Gesellschaften aufrütteln kann, sich ihrer selbst bewusst zu werden – ein Konzept, das für das Verständnis der Gegenwart und die Planung der Zukunft entscheidend ist.

In den Abgründen der globalen Diskurse, in denen eine Vielzahl von Ideen und Ideologien aufeinanderprallen und zusammenfließen, schwimmen Venners Ideen gegen die allgegenwärtigen Strömungen des modernen Denkens. Mit einem Willen, der so unbeugsam ist wie die antiken Monolithen von einst, stand er in entschlossener Kritik an den beiden Leviathanen des Multikulturalismus und des Globalismus, jenen chimärenhaften Gebilden des modernen Zeitalters, die den unterschiedlichen, einzigartigen Charakter verschiedener Gesellschaften zu verschlingen drohen. Sein Herz spielte ein Sonett der Sehnsucht nach einer pastoralen Vergangenheit, einer idyllischen Ära, die vom rasenden Puls der Moderne unberührt blieb. Er war ein glühender Verfechter eines Europas, das fest auf dem Fundament seiner angestammten Traditionen steht, eines Kontinents, der die Balladen seiner Geschichte singt, ohne die trübenden Einflüsse fremder Elemente.

Solche Vorstellungen, die weit von der allgemeinen Akzeptanz der zeitgenössischen Degeneration entfernt waren, fanden in den Köpfen vieler Menschen ihren Niederschlag, denn ihre Resonanz war unbestreitbar stark. Seine Behauptungen besitzen eine anziehende Kraft, eine rohe Energie, die aus der ursprünglichen Essenz der kulturellen Identität schöpft. Er artikulierte seine Gedanken nicht einfach nur, sondern ritzte sie in die intellektuelle Landschaft seiner Epoche, unauslöschliche Ätzungen in den Granit des akademischen Diskurses. Venners ideologisches Gefüge, das sorgfältig mit Strängen eines entschiedenen Traditionalismus, einer vernichtenden Ablehnung der weltweiten Homogenisierung und einer wehmütigen Sehnsucht nach einer scheinbar verschwundenen Utopie verwoben ist, hat unserem kollektiven Bewußtsein einen unauslöschlichen und potenziell unumkehrbaren Stempel aufgedrückt. Das Gebäude seines Denkens erhebt sich unübersehbar vor dem Horizont unserer Zeit, ein Denkmal für einen intellektuellen Titanen, dessen Ideen in wertkonservativen Werken und darüber hinaus weiterhin ihren Einfluß geltend machen.

Im heiligen Herzen der Kathedrale Notre Dame, unter dem Gemurmel unzähliger Gebete und dem wachsamen Blick von Heiligen aus Stein, fand das Leben von Dominique Venner sein tragisches, selbstgewähltes Ende. Doch der Tod war für Venner kein Endpunkt. Sein Vermächtnis, das in den Grenzen seiner umfangreichen Schriften verankert ist, atmet weiter und fordert uns zum Hinterfragen, Nachdenken und vor allem zum Sich-Erinnern heraus.

Wie die ewigen Worte des „Raben“ von Edgar Allan Poe flüstert Venners Reflexion weiterhin in den Winden des intellektuellen Diskurses, sein Schrei durchdringt die stille Finsternis: 

Düster in das Dunkel schauend stand ich lange starr und grauend, Träume träumend, die hienieden nie ein Mensch geträumt vorher …

Wenn wir uns in seine Worte vertiefen und in die Tiefen seiner Gedanken eintauchen, finden wir uns im rätselhaften Tanz der Geschichte wieder, der für immer zwischen den verklingenden Rufen von gestern und den aufkommenden Stimmen von morgen oszilliert.

 

Quelle: https://arktos.com/2023/05/21/the-enduring-legacy-of-dominique-venner/

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