Marc-Emile Dollard

erörtert die Aussichten für ein unabhängiges Québec und den Ruf des frankokanadischen Ethnostaats im 21. Jahrhundert.

 

Quebec ist nach wie vor eine einzigartige Region des nordamerikanischen Kontinents, denn es ist der einzige Ort, an dem seit seiner Gründung als französische Kolonie im Jahr 1608 durch Samuel de Champlain an den Ufern des Sankt-Lorenz-Stroms bis heute eine weiße und französischsprachige Mehrheit überlebt hat. Als eine im Entstehen begriffene Nation und als Geburtsort einer der erfolgreichsten gewaltfreien Unabhängigkeitsbewegungen des 20. Jahrhunderts ist es verwunderlich, dass Québec kein bekannteres Beispiel für die gesamteuropäische Nationalbewegung in Nordamerika ist. Während viele “Weiße Amerikaner” nostalgisch auf den Süden zurückblicken und ihn als Inspiration dafür ansehen, was Separatismus erreichen kann, ist das Beispiel des Bürgerkriegs-Südens für die Situation des 21. Jahrhunderts vielleicht nicht besonders relevant, da die Minorisierung der Weißen Amerikaner von Tag zu Tag unbestreitbarer wird, und wo jede gewaltsame Sezessionsbewegung in den Augen der “normalen” Weißen kaum Legitimität erlangen dürfte, während sie, sollte es dazu kommen, von einer feindseligen amerikanischen Bundesregierung rücksichtslos mit militärischer Gewalt niedergeschlagen werden könnte.

Daher sollten Weiße Amerikaner vielleicht ein aktuelleres Beispiel in der Bewegung für die Souveränität Quebecs suchen, um eine relevantere Quelle für ihre eigenen Bestrebungen nach einem separaten Ethnostaat für ihr eigenes Volk zu finden. In diesem Artikel werde ich sowohl die Erfolge als auch die Mißerfolge der Unabhängigkeit von Québec betrachten, um Lehren aus dem Potential eines unabhängigen Québec zu ziehen, das für die Auflösung postnationaler nordamerikanischer Länder wie Kanada und den Vereinigten Staaten dienen kann. Doch zunächst etwas Geschichte.

Das Aufkommen der zeitgenössischen Unabhängigkeitsbewegung in den 1960er Jahren im Kontext der “stillen Revolution”, die in jenem Jahrzehnt die Provinz erfaßte, war der Treibstoff, aus dem die Unabhängigkeitsbewegung in Québec entstand. Dies ging mit einem Trend zur Säkularisierung einher, als die Québecer massenhaft aus der Kirche austraten, während ein neuer Nationalismus in den 1960er Jahren, der von jungen französischsprachigen Québecern vorangetrieben wurde, die untergeordnete Stellung der französischsprachigen Québecer in der anglo-dominierten Wirtschaft jener Zeit und davor in Frage zu stellen begann. Dieser neue, säkulare Nationalismus löste sich zwar von der zutiefst religiösen und katholischen Vergangenheit Quebecs, war aber weniger ein Bruch mit dieser Vergangenheit als vielmehr eine Fortsetzung bestimmter politischer Trends, die sich bis in die Zwischenkriegszeit zurückverfolgen lassen, in der eine tiefe Entfremdung der Frankokanadier von ihren englisch-kanadischen “Brüdern” durch die Einberufungskrise von 1917 in den Vordergrund gerückt wurde, als sich viele Frankokanadier gegen eine weitere Beteiligung am Ersten Weltkrieg aussprachen und sich gegen die Einberufung weiterer junger Kanadier für einen Krieg und ein Imperium wandten, mit dem sie sich nicht identifizierten. Dies führte 1917 zu gewalttätigen Ausschreitungen in Quebec City, die von der kanadischen Armee gewaltsam niedergeschlagen wurden, aber ein Feuer entfacht hatten, das danach nie mehr gelöscht werden sollte.

Ein kultureller Bruch und eine mentale Trennung zwischen Französisch-Kanadiern und Englisch-Kanadiern wurde durch die tiefe Spaltung in der Frage der Wehrpflicht manifestiert, die viele Französisch-Kanadier dazu veranlasste, ihren Platz innerhalb der Kanadischen Konföderation zu überdenken. Schon vor diesem mentalen Bruch zwischen englischen und französischen Kanadiern gab es einzelne intellektuelle Stimmen wie Lionel Groulx, Henri Bourassa und Jules-Paul Tardivel, die als Vorväter der modernen Unabhängigkeitsbewegung angesehen werden können, auch wenn sie in ihren Schriften nicht offen für eine solche Option eintraten. Indem sie jedoch die untergeordnete Stellung Québecs innerhalb der Kanadischen Konföderation in Frage stellten und die beängstigende Perspektive einer französischen und katholischen Minderheit in einem englischen und protestantischen Mehrheitsland durch die drohende Assimilierung und den Verlust ihrer französischen Identität sehr wohl erkannten, brachten diese Denker die Sorgen und Bedenken der frankokanadischen “Rasse” im Sinne einer eigenständigen Ethnie des 19. Jahrhunderts voll zum Ausdruck. Dennoch blieb die Unabhängigkeit von Kanada bis in die 1960er Jahre eine Randidee im politischen Diskurs Quebecs, auch wenn ihre Wurzeln schon früher gelegt worden waren. Dies zeigt, wie wichtig hochkarätige Intellektuelle für jede politische Bewegung sind, die den politischen Diskurs wirklich verändern und somit das Overton-Fenster zu Ideen verschiebt, die einst tabu waren.

Wie sind nun die Aussichten für die Unabhängigkeit Québecs im 21. Jahrhundert? Während die Bewegung seit dem Referendum von 1995, das nur knapp mit weniger als 1 % abgelehnt wurde, lange geschlafen hat, zeigen jüngste Umfragen seriöser Meinungsforschungsinstitute einen Anstieg der Unterstützung auf etwa 38 %. Anders als in der Vergangenheit sind die jungen Französisch-Quebecer jedoch nicht mehr die Fackelträger der Unabhängigkeitsbewegung: 49 % sind jetzt gegen die Idee, während die Quebecer Boomer, die in ihrer Jugend die Fackel trugen, nach wie vor am entschiedensten für die Unabhängigkeit eintreten. Es bleibt also noch viel zu tun, um diese Entwicklung umzukehren. Dennoch ist die Sache nicht völlig aussichtslos. Zum Glück für Québec ist die Rassendemografie im kanadischen und nordamerikanischen Vergleich nach wie vor gesund: Bei der letzten kanadischen Volkszählung im Jahr 2021 lag der Anteil der Weißen in der Provinz noch immer bei 82 %. Das ist deutlich mehr als in jeder anderen großen kanadischen Provinz oder in jedem amerikanischen Bundesstaat, und auch wenn dieser Prozentsatz in den kommenden Jahren wahrscheinlich sinken wird, bleibt er höher als in den meisten kanadischen Provinzen, selbst wenn die weiße Bevölkerung überaltert.

Das bedeutet auch, daß die weiße frankophone Wählerschaft nach wie vor entscheidend für den Gewinn von Provinzwahlen ist und nicht ignoriert werden kann, da die Québecer dafür bekannt sind, sowohl bei Bundes- als auch bei Provinzwahlen wie ein Block zu wählen. Einfach ausgedrückt: Keine Partei kann eine Wahl in Québec gewinnen, wenn sie ihre weiße frankophone Mehrheit verprellt, wie die Liberale Partei von Québec zu ihrem Nachteil erfahren hat, da sie auf die Insel Montreal verwiesen wurde, wo die meisten anglophonen und allophonen (weder französisch- noch englischsprachigen) Einwanderer Québecs wohnen. Auch wenn die ›Parti Québécois‹ (PQ), die wichtigste separatistische Partei, bei den letzten Provinzwahlen nicht so gut abgeschnitten hat, ist sie nun die zweite Option der frankophonen Mehrheit nach der regierenden weich-nationalistischen” CAQ unter Premier François Legault, die eine Politik des Québec First” verfolgt, d. h. mehr Autonomie für die Provinz anstrebt, ohne die Unabhängigkeit offen zu befürworten.

Mit anderen Worten, sie verfolgen eine Strategie der Unabhängigkeit mit anderen Mitteln und durch schrittweise Maßnahmen, durch die Québec schließlich de facto unabhängig werden könnte, ohne daß ein offizielles Referendum erforderlich wäre. Es sei darauf hingewiesen, daß Legault und die CAQ die letzten beiden Wahlen in der Provinz nur dadurch gewinnen konnten, daß sie ehemalige PQ-Wähler für sich vereinnahmen konnten, die 2018 zur CAQ gewechselt waren, nachdem die PQ ihre Daseinsberechtigung, die Unabhängigkeit anzustreben, aufgegeben hatte. Die PQ hat aus diesem Fehler gelernt und ist zu ihrer Strategie “Unabhängigkeit zuerst” zurückgekehrt und versucht, die entscheidende frankophone nationalistische Wählerschaft zurückzugewinnen.

Außerhalb der frankophonen Medien in Québec wurde nicht erwähnt, daß sich die PQ auch für die Schließung des (inzwischen geschlossenen) Grenzübergangs Roxham für Flüchtlinge und für eine Begrenzung der Einwanderung in die Provinz auf 35.000 Personen pro Jahr eingesetzt hat – die niedrigste Zahl aller großen Parteien in der Nationalversammlung von Québec. Außerdem hat sie Einwanderungsfragen zunehmend mit der Sache der Unabhängigkeit verknüpft, indem sie richtigerweise feststellte, daß die Fähigkeit Quebecs, seine Einwanderung zu kontrollieren, letztlich eine Frage der Erlangung der Unabhängigkeit ist, die Quebec die volle Macht über seine Einwanderungspolitik geben würde.

Die Wahrscheinlichkeit, daß Québec die Unabhängigkeit erlangt, ist meiner Meinung nach heute größer als in den letzten 20 Jahren, denn die bereits erwähnten jüngsten Umfragen zeigen, daß die Unterstützung für die Idee nach einem Jahrzehnt, in dem die Unabhängigkeit schal und moribund geworden war, wieder zunimmt. Eine Erneuerung der Unabhängigkeitsbewegung ist nun im Gange. Ein wichtiger Grund ist die sich verändernde demografische Situation, da die weiße frankophone Mehrheit in Québec einen Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen hat, wenn auch langsamer als in den englischen Provinzen Kanadas insgesamt. Man wird sich zunehmend der Gefahr bewußt, daß Québec ohne seine Gründer, die “pure laine” Québécois de souche (weiße, katholische und französischsprachige Québecois), sehr wohl verschwinden könnte, wodurch die Hoffnungen auf ein unabhängiges Québec für immer ausgelöscht würden.

Unter den militanteren Unabhängigkeitsbefürwortern dämmert die Erkenntnis, daß sie vielleicht nur noch eine einzige Chance haben, ihren Traum von der Souveränität zu verwirklichen, da sich die demografische Zusammensetzung der Provinz unweigerlich zu ihren Ungunsten verändert. Nach zwei gescheiterten Referenden in den Jahren 1980 und 1995 kann es nur noch ein letztes, drittes Referendum geben, in dem Québec hoffentlich endlich seine Souveränität erlangt und seine nationale Bestimmung erfüllt.

Darüber hinaus ist es wahrscheinlich, daß auch geopolitische Krisen außerhalb Québecs eine entscheidende Rolle für den Erfolg eines künftigen Unabhängigkeitsreferendums spielen werden: der Aufstieg Chinas und der Niedergang des liberalen Westens als Folge des Niedergangs der amerikanischen Weltordnung der Nachkriegszeit von 1945, die von den revisionistischen Staaten Russland, China und Iran in Frage gestellt wird.

Der Abstieg Amerikas aus dem Supermachtstatus sowie die Balkanisierung und der mögliche Zerfall der Vereinigten Staaten und damit auch Kanadas werden wahrscheinlich das Endergebnis eines gescheiterten Krieges sein, den die Vereinigten Staaten und ihre westlichen sowie asiatischen Vasallenstaaten gegen ein aufstrebendes China führen.

Ich gehe davon aus, daß sich viele Quebecer wie in früheren Weltkriegen vehement gegen einen totalen Krieg gegen Rußland und China aussprechen werden, an dem Kanada als treuer Verbündeter der USA wieder einmal gezwungen sein wird, teilzunehmen. Dies könnte sehr wohl der Tropfen sein, der das Faß zum Überlaufen bringt, da die Quebecer und andere Kanadier sich weigern, als Kanonenfutter für einen weiteren imperialistischen Krieg zu dienen, der nicht in ihrem Interesse liegt. Und sollte so etwas geschehen, werden die wahnhaften Träume von Trudeaus postnationalem kanadischen multikulturellen liberalen Statismus auf dem Scheiterhaufen der Geschichte verbrennen und sterben, während die Fieberalbträume der postnationalen globalistischen Eliten von weißen rassischen Ethnostaaten, die aus seiner Asche entstehen, Wirklichkeit werden.

Québec könnte sehr wohl der erste Dominostein sein, der in dieser nationalrevolutionären Welle der ethnischen Selbstbestimmung und der Auflösung der liberal ausgerichteten Staaten in Nordamerika und im gesamten Westen fällt.

Quelle: https://arktos.com/2023/05/16/quebec-independence-for-the-white-lily/
Originalquelle: https://www.politico.com/news/2023/03/10/quebec-sovereignty-polling-00086428
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