Alfonso Piscitelli

Faye: Ein faustisches Leben zwischen Evola und Marinetti

Guillaume Fayes Leben war sehr turbulent: politische Provokationen, starke Ideen, ein intensives, zeitweise exzessives Leben. Dann kam der Tod in all seiner Schwere zu ihm und kündigte sich als Botschafter des Schmerzes im Verlauf einer langen Krankheit an. Diejenigen, die ihn kannten, sagen, daß er seinem Untergang mit demselben faustischen Geist begegnete, der ihn in seinen kräftigen Jahren antrieb: Pläne schmieden bis zu seinem letzten Tag, der am 7. März 2019 war.

Faye kultivierte in sich das, was die Romantiker als ›Streben‹ bezeichneten, einen unerschöpflichen Drang, immer weiterzugehen, sich selbst zu übertreffen und sich ein Ziel in der Unendlichkeit zu setzen. Oswald Spengler sah diesen Drang in den gotischen Kathedralen mit ihren in den Himmel ragenden Turmspitzen und Adriano Romualdi in den Raumfahrtunternehmen der 1960er Jahre.

Faye überwindet den Traditionalismus, der in Frankreich von Guénon geprägt war, und schreibt in seinem Manifestbuch ›L’Archéofuturisme‹, daß Evola und Marinetti miteinander in Einklang gebracht werden müssen, d. h. der Bezug auf tiefe Wurzeln, die nicht erstarren, mit einem Impuls der Innovation und Kreativität, dem des ›Homo Faber‹, auf der anderen Seite.

Wenn unsere Tradition hingegen die der Europäer ist, die an der Schwelle zur Eisenzeit auf Kampfwagen erschienen (… den damaligen Raumschiffen), dann wäre es inkohärent mit unseren Ursprüngen und daher “anti-traditionell”, unbeweglich zu werden oder irgendeine (erstarrte) Periode der Vergangenheit zu vergöttern, wie es die Traditionalisten tun, die in den zahlreichen mentalen Kreisen der Nostalgie (Mediävisten, Bourbonisten, Neofaschisten, Papalisten, Neuheiden …) eingeschlossen sind.

Gewiß, Faye hat sein historisches Epos durch ein hohes Maß an Provokationen verwässert: Er stellt sich genetische Mutationen ›à la Marvel‹ vor, er beschwört die Rückkehr zu archaischen Bräuchen, die sich gleichzeitig mit den kühnsten Technologien vereinbaren lassen.

Dabei war er auch in der Lage, waghalsige Vorhersagen zu treffen. Mitte der 1990er Jahre war Rußland in die Knie gegangen und stand kurz vor der Auflösung, doch Faye erkannte, daß die Himmelsrichtung Osten zu einem Bezugspunkt für die Erlösung Europas werden und ein solides Gegenmittel für die Krise des Westens bieten könnte.

Giorgio Locchi

Fayes italienischer Zwillingsbruder war Giorgio Locchi, sein Lehrer und ein leider vergessener Autor. Wie Locchi pflegte auch Faye die Lust, die Regeln der “politisch korrekten” Sprache zu brechen. In ›Le Système à tuer les peuples‹ aus dem Jahr 1981 hatte Faye bereits erklärt, daß die Globalisierung die Büchse der Pandora aller Übel öffne; in ›La colonisation de l’Europe‹ wiederholte er seine kategorische Ablehnung der “ethnischen Ersetzung” Europas und der Schaffung dicht islamisierter Gebiete auf dem Kontinent.

 

In ›Vor dem Krieg‹, geschrieben nach dem 11. September, kündigte er mit offensichtlicher polemischer Übertreibung den Anbruch einer Hobbes‘schen Periode des ›bellum omnium contra omnes‹ an: einen interethnischen Konflikt nach Art von Ruanda. Zugegeben, er übertrieb…..

Aber man muß auch hinzufügen, daß er die Kunst der Provokation in Bezug auf sein eigenes ursprüngliches Milieu ausübte. An einem bestimmten Punkt (La nouvelle question juive‹) schrieb er, daß wir aufhören müssen, die Juden für alles Übel in der Welt verantwortlich zu machen. Dieser Satz brachte ihm noch mehr Feinde und – wie man sich vorstellen kann – noch mehr Goliath-Vergnügen.

Wie soll man einen Autor betrachten, der auf jeder Seite die französische Entsprechung des Mancino-Gesetzes anfechtet und sich gleichzeitig den Vorwurf einhandelt, ein “Zionist” zu sein? Man könnte versucht sein, ihn als Witzbold oder bestenfalls als Spaßvogel zu bezeichnen.

Es genügt jedoch, über diese Passage in ›L’Archéofuturisme‹ nachzudenken, um zu verstehen, daß hinter seinem politischen Dionysmus ein Logos stand: “Man muß sich versöhnen“, schreibt Faye in diesem Buch, das an der schicksalhaften Schwelle des Jahres 2000 veröffentlicht wurde,

…man muß Evola und Marinetti versöhnen; man muß die Techno-Wissenschaft und die unvordenkliche Gemeinschaft, die traditionelle Gemeinschaft zusammen denken.

Niemals das eine ohne das andere.

Betrachten Sie den europäischen Menschen gleichsam als den ›deinatatos‹ (“den Kühnsten”), den Futuristen und zugleich als das Wesen mit langer Erinnerung.

Auf globaler Ebene fordert die Zukunft die Rückkehr zu den Werten der Vorfahren, und zwar für die “ganze Erde”.

 

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