Hans Burkhardt

Anlagen, die besonders weitgehend das Gesamtgefüge durchwirken (richtende, übergeordnete Gene im Sinne G. Justs) liegen auch den Konstitutionstypen der Schule Kretschmers zugrunde. Diese Schule ist daher, wie auch die Schule der Brüder Jaensch, beispielgebend geworden für die Art, wie man nach psycho-physischen Strukturen fahnden muß. Es liegt sehr nahe, immer wieder Versuche zu machen, die Typen Kretschmers und bestimmte Rassetypen gegeneinander abzustimmen. Grundsätzlich ist dazu zu sagen, daß für die Art, wie Körperbau und Charakter im Sinne Kretschmers auf der einen Seite und die Rassenanlagen auf der anderen Seite sich überschneiden, verschiedene Möglichkeiten denkbar sind. Es gibt sicher bestimmte Rassen — als Beispiel sei genannt ein bestimmter Menschenschlag unter den hamitisch sprechenden Volksstämmen — zu deren rassespezifischem Erbgut eine ausgeprägte Konstitutionsform im Sinne Kretschmers gehört. Gegensätzlich dazu sind Rassen denkbar, für deren rassespezifisches Wesen die konstitutionellen Sonderprägungen weitgehend irrelevant sind. Diese beiden Fälle entsprechen aber nicht der Regel. Die Verhältnisse liegen wohl meist so, daß das rassebedingte und das konstitutionsbedingte Gefüge sich gegenseitig durchgreifen und sich dadurch in bestimmter Richtung abwandeln. Ganz allgemein können wir die Auswirkung rassespezifischer Anlagen dahin bestimmen, daß sie Stoffwechsel, Temperament und viele andere Eigentümlichkeiten beeinflussen, abschwächen oder verstärken und daß sie — vor allem gilt dies auf psychischem Gebiet — den Schwerpunkt auf bestimmte, an sich in jedem Menschen vorgebildete Wesenszüge verlagern und damit eine besondere Akzentsetzung in der Gesamtpersönlichkeit begünstigen. Da, wie bereits gesagt wurde, die Rassen mit langer Entwicklungszeit als harmonisierte, ausgeglichene leiblichseelische Typen anzusprechen sind, ist zweifellos dem vereinheitlichenden, schwerpunktbestimmenden Einfluß der Rasseanlagen eine wesentliche Bedeutung beizumessen.

Der Erbforschung im allgemeinen und der Erbpsychologie im besonderen verdanken wir aber noch weitere für die Rassenpsychologie wesentliche Gesichtspunkte. Wir verdanken ihr eine Forschungsweise, die auf klare Trennung von Umweltwirkung und Erbwirkung ausgerichtet ist.

Wenn die Erbanlagen auch nur im Wechselspiel mit der Umwelt sich auswirken und Gestalt gewinnen können, so ändern sie durch die unmittelbare Umwelteinwirkung, mag diese von nur kurzer oder von generationenlanger Dauer sein, doch nicht ihr eigentliches Wesen. Verschiedene Umwelten können aus einer Rasse die verschiedensten Eigenschaften hervortreten lassen. Das aber, was an diesen Eigenschaften auf Erbanlage zurückgeht und damit allein rassespezifisch ist, bleibt unverändert dasselbe.
Indem wir den Blick richten auf rassebedingte Gleichartigkeiten und Unterschiede, müssen wir uns ständig auseinandersetzen mit umweltbedingten Gleichartigkeiten und Unterschieden, die unseren Blick täuschen können. Dies gilt für den seelischen Bereich in doppelter Weise. Wir untersuchen Menschengruppen, Stämme, Völker und finden komplexe seelische Hal- tungen, in denen die Rasseanlagen nicht unverhüllt enthalten sind, sondern so, wie sie uns entgegentreten, bereits eine zweifache Umwelteinwirkung hinter sich haben. Wir haben zu rechnen einerseits mit der Umwelteinwirkung geophysikalischer Faktoren, andererseits mit der Umwelteinwirkung sozialer Faktoren.

1. Die geophysikalischen Faktoren, wie etwa Klima, Boden, Wetter, Landschaft, wirken auf dem Wege über das Körperliche auf den Menschen ein. Eine oft kaum lösbare Verschmelzung von Rasseanlagen mit rasseunabhängigen geophysikalischen Einflüssen haben wir vor uns, wenn man die Menschen nach erdkundlichen Zonen zusammenfaßt und etwa südliche und nördliche Menschen unterscheidet. So anregend solche Unterscheidungen und Untersuchungen sein können — in der Typenlehre der Brüder Jaensch spielen sie eine bedeutsame Rolle — so muß man sich doch hüten vor einer voreiligen Gleichsetzung von Menschen erdkundlicher Zonen mit Rassegruppen. Etwas anderes ist es, wenn wir eine Abstim
mung der Anlagen einer Rasse auf die geophysikalischen Verhältnisse ihrer Ursprungslandschaft feststellen. Hier handelt es sich dann um ein Ergebnis der Auslese, nicht der unmittelbaren Umweltwirkung. Erwähnt sei ferner, daß sich auch Beispiele dafür finden lassen, daß die Rasse in gewissen Grenzen aktiv sich eine Landschaft gestaltet und artgemäß macht. Espenschied weist darauf hin, daß deutsche Siedler den kahlen Flächen an der unteren Wolga durch reiche Baumpflanzungen einen fast niederdeutschen Charakter gegeben haben.

A. Gehlen sieht die Sonderstellung des Menschen wesentlich darin begründet, daß er nicht wie Pflanze und Tier in eine bestimmte Umwelt eingepaßt, sondern weltoffen sei: Er lebe nicht in Wechselwirkung mit einer bestimmten Umwelt, sondern mit der Welt schlechthin, und alle seine Kräfte seien dahin angelegt, sein Leben selbst zu führen. Somit, meint Gehlen, sei das Begriffspaar Anlage-Umwelt auf den Menschen angewandt nicht brauchbar. Dies trifft aber in so allgemeiner Form nicht zu. Beim Menschen sind die Wechselbeziehungen zwischen Umwelt und Anlage nur ungleich weitschichtiger und vielseitiger als beim Tier. Man braucht aber nur den Blick nicht auf die Menschheit als solche, sondern auf die einzelnen Rassen zu richten, um zu erkennen, wie sehr auch der Mensch umweltabhängig ist. Nach den bisherigen Erfahrungen sind die meisten menschlichen Rassen auf längere Dauer nicht lebensfähig in einem Raum, der von ihrem Ursprungsraum stark verschieden ist.

2. Die sozialen Faktoren wirken sich in vielgestaltiger Weise in ganz anderen Zonen des seelischen Lebens aus. Jeder Mensch ist eingefügt in eine Gruppe, die Gemeinsamkeiten hat in bezug auf Sprache, Überlieferung, Sitte. Auch bei der Bildung solcher Gruppen haben die Rasseanlagen zu allen Zeiten eine wesentliche Rolle gespielt, aber auch hier muß man sich vor voreiligen Gleichsetzungen hüten. So sind für das Wesen eines Volkes zwar die Anlagen der Rassen, die in diesem Volke in Fortpflanzungsgemeinschaft leben, von grundlegender Bedeutung, ebensowenig hinwegzudenken ist aber die Bedeutung der Sprache und vor allem der Schicksalsgemeinschaft. Die Fortführung falscher Begriffe wie etwa die von deutscher oder von slawischer Rasse verhindert die Klärung der wichtigsten Grundfragen der Rassenpsychologie. Daß innerhalb eines Volkes die durch Nachahmung übernommene verschiedene Sprechweise verschiedener Stämme den Gesichtsausdruck und sogar bestimmte Gesichtsformen beeinflussen kann, vor allem dann, wenn von der rassischen oder konstitutionellen Anlage her gewisse gleichsinnige Dispositionen bestehen, versucht Hellpach zu zeigen, der als erster auf gewisse Eigentümlichkeiten in der Physiognomik deutscher Stämme aufmerksam gemacht hat.

Ein Kurzschluß des Denkens liegt selbstverständlich vor, wenn man mit psychischen Rasseanlagen, weil sie sich hinter völkischen und sozialen Sonderformen verbergen, überhaupt nicht rechnen will. Eine solche Beweisführung ist von gleicher Art, als wollte jemand sagen: Ich finde keine anlagemäßigen Unterschiede im Wesen von Mann und Frau, denn ich finde für alle Unterschiede Erklärungen in der verschiedenen sozialen Rolle der beiden Geschlechter. Im übrigen fehlt es auch nicht an klaren Beispielen für psychische Rasseanlagen, die hinter jeder völkischen Sonderprägung deutlich bleiben. Ein solches Beispiel, auf das besonders von Eickstedt (1935) hinweist, sind etwa die Mediterranen in England, die trotz der so starken ursprünglichen Prägkraft englischer Lebensformen in augenfälliger Weise von der zurückhaltenden Art des nordisch bestimmten Engländers abweichen.

Fragt man nach den Methoden der rassenpsychologischen Forschung, so erweist sich mit Deutlichkeit, daß die Rassenpsychologie noch eine junge, unabgeschlossene Wissenschaft ist. Sie hat wegen ihrer vielseitigen Berührungspunkte mit Nachbargebieten sich bisher von ganz verschiedenen Ansatzpunkten her, also recht unmethodisch entwickelt. Es ist das Verdienst von Hans F. K. Günther, durch seine Rassenbeschreibungen bestimmte Rassetypen vor allem im europäischen Raum plastisch und anschaulich herausgearbeitet zu haben, wobei er die Aufmerksamkeit ebenso auf seelische wie auf körperliche Wesenszüge richtete. Er ließ sich dabei leiten von Mitteilungen anderer Forscher über das Verhalten rassisch gut gekennzeichneter Einzelgruppen und Volksstämme in Europa, vervollständigte aber das Bild durch eine Fülle eigener Beobachtungen und eine besondere Gabe der Zusammenschau. Er stellte gewisse Kerneigenschaften heraus, hielt sich aber im wesentlichen an ein sachlich-beschreibendes Verfahren. In den Erörterungen, die sich an seine Werke knüpften, wurde von den einen behauptet, seine Darstellungsweise sei, da sie ausgeprägte Wertungen einschloß, nicht nüchtern genug. Von anderen wurde behauptet, sie sei zu nüchtern, sie reihe in atomistischer Weise einzelne Eigenschaften aneinander und werde der Ganzheit seelischen Lebens nicht gerecht. Beide Vorwürfe konnten den Wert der ausgezeichneten Güntherschen Darstellungen nicht berühren, der gerade darin lag, erst einmal unter Hintansetzung weitläufiger Probleme die Bedeutung rassebedingten Wesens am Bilde bestimmter Rassen gezeigt zu haben.

In ähnlicher Weise hat auch Lenz wesentliche Beiträge zur Psychologie der Rassen gegeben. Wir finden bei ihm Hinweise auf wichtige psychische Teilstrukturen, wenn er etwa Rassen unterscheidet, die mehr auf Ohr und Sprache (vorderasiatische Rasse) und solche, die mehr auf das Auge (nordische Rasse) gezüchtet sind. Die Wechselbeziehungen zwischen dem Wesen einer Rasse und bestimmten Lebensformen findet vorzugsweise ihre Beachtung bei Walter Darre, dessen Forschungen sich beziehen auf Zusammenhänge zwischen den Anlagen der nordischen Rasse und der bäuerlichen Lebensform. Auch neuere Forschungen von Günther sind vor allem auf die Erfassung kulturbiologischer Zusammenhänge gerichtet.

Es liegt der Gedanke nahe, die Rassenpsychologie als einen Zweig der Gruppenpsychologie aufzufassen. Dieser Gedanke ist falsch. In der Gruppenpsychologie werden im wesentlichen die Wechselwirkungen zwischen Einzelmensch und Gruppe untersucht. Die Rassenpsychologie hingegen versucht zwar zu einer Übersicht über größere Gruppen zu gelangen, soweit diese von einem bestimmten Rassetyp vorherrschend geprägt sind. Ebenso wichtig ist für sie aber die ständige Beobachtung und Forschung an Einzelmenschen, soweit diese nach Herkunft und Typus sich einer bestimmten Rasse möglichst eindeutig zuordnen lassen. Sie spürt hierbei gerade jenen Zügen nach, die nicht von der Gruppe (der sozialen Umwelt), sondern von den ursprünglichen Wesensrichtungen des einzelnen her zu verstehen sind und zu den Grundlagen seiner Persönlichkeit gehören.

Eine rassenpsychologische Forschungsweise, die unmittelbar auf das Seelische gerichtet ist und sich weitgehend frei gehalten hat von den Verknüpfungen mit Nachbargebieten, hat in den Werken von Ludwig F. Clauß ihren Niederschlag gefunden. Alles, was Clauß erarbeitet hat, gründet auf intuitiver Wesensschau. Er geht zwar von denselben Rassen aus, die von der naturwissenschaftlich eingestellten Rassenforschung unterschieden worden sind, hat sich aber von Anfang an von der Arbeitsweise dieser Forschung ferngehalten. In den Forschungen von Clauß steht im Vordergrund der einzelne selbstgewählte prägnante Fall. Wie auch Petermann hervorhebt, ist ein solches Verfahren in gewissen Grenzen wissenschaftlich gerechtfertigt und auch notwendig. Clauß hat durch seine mimische Methode, d. h. die Methode, sich möglichst intensiv in das seelische Wesen solcher prägnanter Fälle hineinzuleben durch inneres Mitgehen mit allen ihren Ausdrucksbewegungen, sehr vertiefte Einblicke in die seelische Eigenart bestimmter Rassen gewonnen. Der Spielraum der subjektiven, gefühlsmäßigen Ausdeutungen ist freilich hier nahezu unbegrenzt. Solche Ausdeutungen können in der Tat ihre Beweiskraft nicht aus sich allein heraus gewinnen und werden wertvoll erst dann, wenn sie sich einfügen in den Rahmen der verschiedenen, von anderen Ansatzpunkten her gewonnenen Kenntnisse über die Rassen.

Insoweit dies der Fall ist, bringen die Werke von Clauß rassenpsychologische Einsichten von unschätzbarem Wert. Gewisse Lehrmeinungen dagegen, die Clauß seinen Forschungen zugrunde legt, fordern zu kritischen Einwänden heraus. Man vertieft sich in seine Forschungen zunächst mit dem Eindruck, daß hier die unmittelbare Einheit des Leiblichen und des Seelischen der Ausgangspunkt sei, und daß die sehr fruchtbaren Gedanken von Carus über die Symbolik der menschlichen Gestalt hier wieder aufgenommen werden, Gedanken, die zwar rein intuitiver Art sind, aber doch auch der naturwissenschaftlichen Forschung alle Wege offen lassen. Bei näherem Eindringen in die Gedankenführung von Clauß stellt man aber fest, daß hier nicht an unmittelbare leiblich-seelische Einheiten gedacht ist, sondern daß Leibliches und Seelisches sogar in gewisser Weise gegeneinander ausgespielt werden. Das Seelische scheint in Gestalt von Rassenseelen ein mystisches Eigenleben zu führen. Nach den Gedanken von Clauß ist die Rassenseele zwar ursprünglich an einen ihr artgemäßen Leib gebunden, sie kann aber, wo die Reinheit des Typus verloren gegangen ist, auch an einen ihr nicht entsprechenden Leib gebunden sein, der ihr dann nur in unvollkommener und gebrochener Weise Ausdruck zu verleihen vermag. Hier zeigt sich die Gefahr eines Leib-Seele-Dualismus, für den auf dem Boden der Wissenschaft kein Raum ist.

Gegensätzlich zu dieser von Clauß eingeschlagenen Richtung wird der Gedanke der unbedingten Leib- Seele-Einheit neuerdings von L. Eckstein betont. Er versucht, Schritt vor Schritt den Beziehungen bestimmter körperlicher Bau- und Funktionseigentümlichkeiten zu seelischen Konstanten und Wurzeln nachzuspüren und wendet die von ihm ermittelten
Beziehungen nun an auf die Fragestellungen der Rassenpsychologie. Indem er fragt, welche psychischenWesensanteile beispielsweise mit Hochwüchsigkeit oder mit Langgliedrigkeit vereinigt gefunden werden, versucht er von den körperlichen Merkmalen einer Rasse her sich die seelischen Züge zusammenzubauen. Es handelt sich hier um die folgerichtige Vertiefung einer nicht wegen ihres Prinzipes, sondern wegen ihrer Naivität unzulänglichen Physiognomik früherer Zeit. Die leitenden Gedanken bei L. F. Clauß zielen in andere Richtung. Ihm gilt es vor allem, die Einheit des seelischen Bereiches zu wahren. Er reiht nicht Einzeleigenschaften aneinander, sondern rasseeigentümlich ist für ihn ein übergreifendes seelisches Prinzip, das er als Stil bezeichnet. Dem Stil werden gegenübergestellt die Einzeleigenschaften, die ein Mensch unabhängig von seiner Rasse haben oder nicht haben kann, die aber vom rassischen Stil durchdrungen und auf ihn abgestimmt werden. In der Tat ist es Clauß gelungen, in teils höchst treffsicherer Weise übergreifende seelische Wesenszüge herauszustellen und damit als erster in der Rassenpsychologie einen fruchtbaren Gedanken folgerichtig durchzuführen, der für die Erbpsychologie im ganzen sich als höchst bedeutsam erweist. Einschränkende Kritik kann freilich die Frage aufwerfen, ob man grundsätzlich das, was Clauß mit seelischem Stil meint, abheben kann von rassenunabhängigen seelischen Eigenschaften, die von diesem Stil durchgriffen werden. Sollten nicht alle seelischen „Eigenschaften“, wenn man dies Wort gestattet, an ihrer Wurzel ineinander verflochten sein? Wer soll bei solchem Ineinandergreifen die einen Wesenszüge als die übergreifenden sondern von solchen, die nur Übergriffen werden? Hier gibt es sicher kein absolutes, sondern nur ein relatives Kräfteverhältnis, das von Fall zu Fall verschieden sein kann. Was aber weit mehr noch zu kritischer Stellungnahme zwingt, ist der Versuch von Clauß, alle besonderen Wesenszüge, die einer Rasse eigen sind, jeweils durchaus auf ein einziges, sehr autonomes und sehr scharf umschriebenes Stilprinzip zu reduzieren. Es ist nicht vorstellbar, wie eine solche Vereinfachung jemals mit den Befunden der Erbforschung in Übereinstimmung gebracht werden soll. Der Unterschied von Mann und Frau kann, wie bereits angedeutet, im wesentlichen auf ein Stilprinzip reduziert werden. Bei der Unterscheidung der größeren Rassen läßt sich dagegen der Stil- und Strukturbegriff nur insoweit durchführen, als es sich um eine vorläufig unbestimmte Mehrzahl von Teilstrukturen handelt, die herausgestellt werden können.

Daher kann auch mit den bekannten Typenlehren, auf die ja in diesem Lehrbuch an anderer Stelle eingegangen wird, das seelische Wesen einer Rasse immer nur in Teilstrukturen und, je nach der Leitlinie, von der ausgegangen wird, in einseitiger Beleuchtung erfaßt werden. Als am meisten ausbaufähig sind zweifellos die Beziehungen zwischen der Rassenpsychologie und der mit mehreren Grundfunktionen arbeitenden Typenlehre Pfahlers zu beurteilen. Die Unterscheidung einer Persönlichkeitsstruktur, die auf fließende, und einer gegensätzlichen, die auf feste seelische Gehalte ausgerichtet ist, hat sich für die Psychologie einzelner Rassen als sehr fruchtbar erwiesen. Von den von Jaensch herausgestellten Typen sind es ein stark nach innen integrierter Typus (I 3) und ein labiler stark auf die Umwelt ansprechender Typus (S I), die am ehesten übereinstimmen mit der Veranlagung bestimmter Rassen. Ganz allgemein lassen sich die Typenlehren auf die verschiedenen Rassen mit ähnlichen Einschränkungen anwenden wie auf verschiedene Einzelmenschen: Bestimmte Wesenszüge einzelner Rassen lassen sich auf der Linie zwischen den beiden Polen einer Typenreihe eindeutig festlegen, andere Wesenszüge dagegen bleiben bei solcher Betrachtung völlig im Schatten. Es lassen sich — in dieser Richtung ist besonders zu verweisen auf Ansätze, wie wir sie bei H. G. Fischer finden, der die Jaenschsche Schule fortführt — auf Grund der Typenlehren sinnvolle Konstruktionen herstellen, die aber blutleer bleiben, wenn sie nicht ständig durch die Anschauung der lebendigen Rassen ergänzt werden. Die bleibende Bedeutung der Typenpsychologie auch für die Rassenpsychologie liegt darin vor allem, daß hier der viel zu komplexe und unbestimmte Begriff der seelischen Eigenschaft durchbrochen wird mit dem Ziele, auf seelische Grundfunktionen zurückzugreifen.

Es sind im wesentlichen zwei Forschungsrichtungen, die gerade in der Rassenpsychologie noch nicht den richtigen Ausgleich gefunden haben. Auf der einen Seite versucht man möglichst viele psychische Wesenszüge auf einen Nenner zu bringen und wendet sich gegen jede Art atomistischer Betrachtung des Seelenlebens. Intuition und eine auf komplexe Strukturen gerichtete Blickweise sind nach Bruchhagen auch in der Rassenpsychologie die einzigen Wege, die zum Seelischen führen. Auf der anderen Seite legt man mit Recht Wert darauf, vor allem an die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse der Erbforschung anzuknüpfen und fürchtet, die Bezugsetzung auf die eigentlichen Erbanlagen zu verlieren, wenn man den Blick zu einseitig nur auf psychologische Typen richtet. Es ist aber so, daß die Forschung ständig bemüht sein muß, in beide Richtungen vorzutasten und sowohl die zusammenschauende wie die aufspaltende Betrachtungsweise immer neu gegeneinander abzustimmen. Die Vielzahl seelischer „Eigenschaften“, so wie die Umgangssprache sie aufzählt, reduziert sich zwangsläufig, sobald man strukturellen Zusammenhängen nachgeht und primäre Wesenszüge von sekundären unterscheidet. Andererseits darf man aber nicht verkennen, daß von den so gefundenen komplexen Strukturen noch ein weiter Weg ist bis zu den eigentlichen Erbanlagen, und daß wir auf diesem Wege gezwungen sein können, komplexe Gebilde in ganz unvorhergesehener Weise wieder zu zerlegen und ganz anders zusammenzufügen.

Die rassenpsychologische Forschungsmethode wird im Unterschied zu anderen Zweigen der Persönlichkeitspsychologie noch erweitert durch das, was man den historischen Längsschnitt nennen könnte. Wir können das Dasein mancher Rassen weit zurückverfolgen, oftmals in Zeiten, in denen sie viel abgeschlossener gegen andere Rassen lebten als heute, und haben Zeugnisse des geistigen Lebens aus solchen vergangenen Zeiten. Gerade hier ist freilich die Gefahr groß, Zeitgebundenes und durch die soziale Entwicklungsstufe Bedingtes zu verwechseln mit solchen Zeugnissen, aus denen über Tausende von Jahren hinweg die ihrem seelischen Wesen nach gleichgebliebene Rasse zu uns spricht. Man wird also vor allem suchen nach Zeugnissen, aus denen eine bestimmte Grundhaltung einer Rasse, etwa auf religiösem Gebiet, erkennbar ist. Eine solche Längsschnittbetrachtung der Rassenpsyche zwingt uns auch stets erneut dazu, unsere Feststellungen über die seelischen Eigentümlichkeiten einer Rasse auf solche Wesenszüge zu reduzieren, die durch alle Wechsel äußerer Lebensbedingungen hindurch nachweisbar bleiben.

 

Dritter von sieben Teilen. Fortsetzung folgt!
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