Nach dem Urteil der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 27.05.2019, Az. C-508/18, sind Staatsanwaltschaften in Deutschland nicht befugt, ›Europäische Haftbefehle‹ auszustellen.
Die Richter am EuGH begründeten die Entscheidung damit, daß es „keine hinreichende Gewähr für die Unabhängigkeit gegenüber der Exekutive” gäbe.
Anders als in anderen europäischen Ländern besteht in Deutschland gegenüber den Staatsanwälten eine Weisungsbefugnis durch die Justizminister.
Für Politiker mit sogenanntem „Glaskinn“ und hochrangige Beamte ist es leicht, gegen öffentliche Kritik an ihrem Wirken vorzugehen. In Baden-Württemberg hatten die Behörden am 13. November eine Hausdurchsuchung bei einem Mann veranlaßt, dem ›Volksverhetzung‹ vorgeworfen wird. Den Grund dafür lieferte eine polemische Äußerung über Beamte auf der Plattform X. Die Staatsanwaltschaft Ulm hatte die entsprechende Maßnahme gegenüber Apollo-News bestätigt.
Am 29. September hatte ein Mann, der sich ›Sigartis‹ nennt in einer Diskussion mit anderen X-Nutzern geschrieben,
Jeder, der vom Staat finanziert wird, zahlt keine Nettosteuern. Sie leben von Steuern. Jeder Beamte, jeder Politiker, jeder Angestellte in einem staatlichen Unternehmen, jeder, der vom Staat subventioniert und finanziert wird. Kein einziger Parasit zahlt Nettosteuern.
Vor der Durchsuchung wurde der Beitrag gerade 378-mal aufgerufen. Die Aussage mit den Nettosteuern ist zwar grundsätzlich richtig, macht aber noch keinen Beamten zum „Parasiten”.
„Sigartis“ berichtete, daß er früh am Tag durch das Klingeln an der Tür geweckt worden sei, woraufhin eine Razzia in seinem Haus im Bundesland Baden-Württemberg stattgefunden hätte. Man habe ihm nicht einmal Zeit gegeben, einen Bademantel anzuziehen, und er sei durch die Ereignisse erschüttert.
Zur Beschlagnahmung seines Smartphones berichtet er weiter,
Sie sagten mir, ich hätte die Wahl, entweder ich entsperre mein Handy und gebe ihnen meinen PIN-Code, dann würden sie nur das Handy mitnehmen, oder sie würden alles mitnehmen.
Er fügte hinzu, daß er kooperiert und sein Mobiltelefon entsperrt habe. Die Beamten brachten „Sigartis“ dann zur Polizeistation, wo er registriert und fotografiert wurde und seine Fingerabdrücke und andere biometrische Daten genommen wurden.
Ich fühlte mich wie ein echter Krimineller, sagte er.
Die Polizei bat ihn auch um eine Blutprobe, aber er lehnte dies ab.
„Sigartis” berichtete, ein Polizeibeamter habe zu ihm gesagt:
Überlegen Sie sich in Zukunft besser, was Sie posten! Sie müssen sich bewußt sein, daß Sie jetzt unter Beobachtung stehen.
Der Anwalt des Mannes, Marcus Pretzell, sagte, das Vorgehen der Polizei, insbesondere die Identitätsfeststellung auf der Wache, sei „eindeutig rechtswidrig“ gewesen.
Rechtswidrige Hausdurchsuchungen als „deutsches Massenphänomen“
Pretzell, selbst ein prominenter libertärer Politiker:
Wir kennen mittlerweile rechtswidrige Hausdurchsuchungen wegen Meinungsdelikten als Massenphänomen in Deutschland.
Polizeirazzien in Privatwohnungen, oft verbunden mit der Beschlagnahmung elektronischer Geräte, wegen umstrittener Beiträge in sozialen Medien sind mittlerweile zu einem Markenzeichen der deutschen Strafverfolgung geworden.
Zwischen 2021 und 2024 leiteten Staatsanwälte mehr als 1.300 Verfahren gegen Personen ein, die angeblich Politiker online oder offline „beleidigt” hatten.
