
Nicolas Bonnal
Vor über vierzig Jahren schrieb Guillaume Faye sein düsteres Werk über das ›System zur Vernichtung der Völker‹ [Système à tuer le peuple]. Fernsehen, Technologie, Konsum, Fast Food und Schnelldenken. Mit Stil und Elan, aber auch mit Strenge und Härte schildert er diese unbewegliche Zeit, die den Raum (Guénon hat sich auch hier geirrt) und alle östlichen Traditionen zerstört.
Die letzten „ersten Welten” verschwinden (siehe ›Sieben Jahre in Tibet‹ oder ›Die Seychellen‹ von Heinrich Harrer), und es sind übrigens die Deutschen, die dafür besonders empfänglich sind, zusammen mit den letzten Franzosen: den geistigen Erben der Restauration. Aber ich habe an anderer Stelle schon oft von der französischen Klarheit des 19. Jahrhunderts gesprochen, die die Welt des Kleinbürgers und des globalen „Shopping Centers” überall Einzug halten sieht: neben Nietzsche oder Chateaubriand, später Drumont und Céline.
Fayes Buch ist auch von der Linken und dem Marxismus inspiriert (dessen Sackgasse er aufzeigt) und, auch wenn er Debord oder Henri Lefebvre nicht direkt zitiert, nähert er sich ihnen doch an.
Für mich ist es fast wie ein Prosagedicht, ein stilistisches Meisterstück à la Baudrillard (der ihm bekanntlich auch Anerkennung zollte) oder Michel Butor (das ausgezeichnete ›Mobile‹) – aber wo unsere beiden großen Autoren staunen, ist Guillaume entsetzt. In der Tat:
Die westlichen Gesellschaften werden vor unseren Augen zu Maschinen.
So beginnt das Buch – großartig, lesen Sie selbst:
Unter dem Frankfurter Flughafen, tief unter der dicken Betonschicht, irgendwo zwischen den Parkplätzen und dem unterirdischen ›Business Center‹, wurde ein Nachtclub errichtet. Unter dem Flughafen von Johannesburg gibt es genau denselben. In Oslo wieder derselbe. In Tokio und Chicago – derselbe. Bald auch in Nairobi, Athen, Rio, Rom… In diesem Nachtclub hört man überall dieselbe „Musik”, gespielt auf denselben Geräten, sorgfältig ausgewählt von denselben Musikvermarktern.
Lustigerweise ist selbst eine kleine monumentale Stadt wie Segovia heute durch ihren AVE-Bahnhof in ein „protokollarisches Territorium“ verwandelt worden. Der Schnellzug hat dieses „Glühwürmchen” eine halbe Stunde von Madrid entfernt und ihn in eine Schlafstadt der kastilischen Hauptstadt verwandelt, deren Preise sich in fünf Jahren verdoppelt haben. Ebenso ist das Dorf Pedrasa zu einer Luxusboutique im Stil von „Monaco“ geworden (ein Ort, an dem ich als Kind gelebt habe und der damals seinen Charme und sein einfaches Volk noch bewahrt hatte). Der Verkehr zerstört alles, er transportiert nicht, er vernichtet. Guillaume Faye fügt hinzu:
In den großen Weltstädten und nach und nach auch in den angrenzenden Provinzen und ländlichen Gebieten verändert sich die Landschaft. Der Weltreisende fühlt sich immer weniger fremd: Er findet dieselben Gebäude aus Glas und Stahl vor. Die Menschen tragen dieselben Jeans, dieselben Anoraks. Dieselben Autos fahren auf denselben Straßen, gesäumt von denselben Einkaufszentren, in denen man ungefähr dieselben Produkte findet.
Théophile Gautier schrieb bereits in seinem prächtigen Werk ›Voyage en Espagne‹ (Reisebericht über Spanien):
Wenn alles gleich ist, werden Reisen völlig sinnlos, und genau dann, glücklicher Zufall, werden die Eisenbahnen Hochkonjunktur haben.
Und Debord, wie immer brillant:
Als Nebenprodukt des Warenverkehrs, als Konsum betrachtet, läßt sich der Tourismus im Grunde genommen auf die Freizeitbeschäftigung reduzieren, das zu sehen, was banal geworden ist. Die wirtschaftliche Gestaltung der Frequentierung verschiedener Orte ist bereits an sich eine Garantie für deren Gleichheit. Dieselbe Modernisierung, die dem Reisen die Zeit genommen hat, hat ihm auch die Realität des Raumes genommen.
Wieder in diesem globalen Flughafen (siehe Spielbergs Film mit Tom Hanks, gestrandet und heimatlos – ein Symbol für den westlichen Menschen schlechthin) – die Massenkultur für alle:
Vor dem Fernseher sitzt jemand und liest eine Zeitung. Nein, er liest nicht. Er schaut sich die Bilder eines Comics an. Es ist Popeye. Er schließt die Zeitung, schaut dich an: Er ist Japaner, Norweger, Italiener oder Franzose. Das spielt keine Rolle. Er erklärt Dir mit sanfter Stimme, in einfachem English, mit einem Akzent von nirgendwo, daß er westlicher Staatsbürger ist und nach Glück sucht. Er hat zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen. Sie wirken schrecklich gelangweilt. Das Mädchen summt Werbeslogans. Der Junge, etwas benommen, spielt auf einem elektronischen Fußballspiel.
„Benommen” – dieses Wort taucht bei allen großen Denkern auf: Guénon, Tocqueville, Mgr Gaume und auch Baudrillard. Heute sind Kinder übrigens vom Menü gestrichen: Wir liegen bei sechs Promille Geburtenrate, nicht mehr bei zwölf oder vierzehn. Das ist ebenfalls ein Verdienst dieses Buches: Es zeigt, daß der große ethnische oder demografische Austausch nur eine Folge ist – letztlich sekundär. Wir werden ersetzt, weil wir bereits tot sind, wie jener Gott, von dem Zarathustra spricht. Einen Toten zu ersetzen kostet nicht viel, und die Künstliche Intelligenz wird dabei kräftig mithelfen.
Und weiter:
Man könnte aufwachen; das alles könnte ein Albtraum sein – aber es ist längst keiner mehr. In Afrika verschwinden die letzten Stammesgemeinschaften. In Lateinamerika, in den von der westlichen Marktordnung hervorgebrachten Favelas, vergessen die Jugendlichen mit atemberaubender Geschwindigkeit ihre angestammte Kultur. In den europäischen Dörfern ähneln die Dorffeste zunehmend den Diskotheken vom linken Seine-Ufer.
Ja, aber Boris Vian hat diese amerikanisierte Welt bereits beschrieben, ebenso wie Stefan Zweig und Joseph Kessel in seinen Kommentaren zu Hollywood. Der endgültige Wendepunkt liegt in den 1920er Jahren. Er ist also ein Jahrhundert alt: Die amerikanische Technik hat dann 1945 alle auf einen Nenner gebracht. Faye versteht besser als andere (die allerdings auch nicht sehr aufgeklärt sind), daß wir es nicht mit einem Imperium zu tun haben, sondern mit einer Matrix, die in China wie in Rußland triumphiert (siehe den Blog von Laurence Guillon, der von der Zerstörung von Pereslawl und den Überresten der Tradition berichtet).
Faye über unsere letzten geimpften und bildschirmsüchtigen Menschen, ob Vegetarier oder Fleischesser:
Das System etabliert sich und sein Territorium ist die Erde. Es hat nichts von einem Imperium, da die Grundlage eines Imperiums spiritueller Natur ist. Das System hat keine andere Legitimität als den Nihilismus der Suche nach dem kleinen Glück, dem der „letzten Menschen” von Nietzsche; es kennt keinen anderen Souverän als das abstrakte Individuum – den homo universalis – auf der Suche nach homogenen und globalen Bedürfnissen: Wohlstand, Konsum, Sicherheit; es kennt keine andere Regierung, wie wir später sehen werden, als ein vages Netzwerk aus transnationalen wirtschaftlichen Interessen, das nach und nach Fürsten und Politiker ersetzt.
Wir stehen tatsächlich einer US-Matrix gegenüber – dem „Blob“, der alles verdaut hat. Eine universelle Landschaft.
Lesen wir also Nietzsche noch einmal:
Die Erde ist klein geworden, und auf ihr hüpft der letzte Mensch, der alles klein macht. Seine Art ist unausrottbar wie die des Blattlaus; der letzte Mensch lebt am längsten.‚Wir haben das Glück erfunden‘, sagen die letzten Menschen und blinzeln. Sie haben die Gegenden verlassen, wo es hart war zu leben: denn man braucht Wärme… Ein wenig Gift ab und zu, um angenehme Träume zu haben. Und viel Gift am Ende, um angenehm zu sterben. Man arbeitet noch, denn Arbeit ist eine Zerstreuung. Aber man sorgt dafür, daß die Zerstreuung nicht erschöpft. Man wird weder arm noch reich: beides ist zu beschwerlich. Wer will noch regieren? Wer will noch gehorchen? Beides ist zu beschwerlich.
Faye erklärt dann sehr treffend, daß die moderne Welt vorbei ist:
…für die moderne Welt zu sein. Aber welche moderne Welt? Wo ist denn die Moderne geblieben? Die futuristischen Träume sind verflogen. Fernsehen, Sozialversicherung, Menschenrechte, Stau auf der Umgehungsstraße A86, falsche Holzbalken aus Formica, die Mini-Stereoanlage auf Kredit – das also ist die moderne Welt? Man will nicht mehr zum Mond. Wenn Sie Glück haben, nicht arbeitslos zu sein, atmet alles um Sie herum Komfort. Komfort… ist natürlich bequem, aber nicht gerade aufregend. Finden Sie diese moderne Welt nicht auch etwas langweilig? Aber zur Ablenkung gibt es ja immer noch Kino und Fernsehen. Da wird die moderne Welt dann richtig spannend.
Man denke an Célines Seiten über das Kino in New York: Das Kino als „kleiner Tod“… Tatsächlich leben wir in einer nekropolitischen Gesellschaft:
Ihnen fehlt das, was Ludwig Klages eine Seele nannte. In der berühmten Debatte mit Jürgen Habermas und den Philosophen der Frankfurter Schule hatte der deutsche Soziologe Arnold Gehlen bereits die Aufmerksamkeit seiner Leser auf diese Verwandlung der Zivilisation in ein System gelenkt: Während sich die liberale Gesellschaft einbildet, sie habe eine Welt des Wohlstands, der Befreiung und des Fortschritts geschaffen, zeigt die soziale Realität eine anorganische Umwelt, das heißt: tot, ohne inneres Leben, der Maschinerie näher als einem wachsenden Organismus.
Baudrillard sprach von Hysterie, um unsere Gesellschaft zu definieren. Wir sind bereits tot, aber wir wissen es nicht so recht, da die Maschinen, die uns ablenken und zerstören, unseren Zustand verschleiern.
Früher konnten wir uns wieder aufrichten, heute geht das nicht mehr:
Ein Volk, das in seinem Fleisch getroffen wurde, bleibt auch nach dem Aderlass immer noch dasselbe; Frankreich, das in 125 Jahren vier vollständige oder teilweise Invasionen erlebt hat, ist dennoch nicht verschwunden; aber heute sterben Völker, die vom System wirtschaftlich und kulturell absorbiert wurden: Dänemark, Holland, Griechenland sind in Lebensgefahr, sie werden vom amerikanisch-westlichen Komplex verdaut.
Ob das auch für Frankreich gilt, ist fraglich – man denke an Drumont, Bernanos oder Céline.
Am Ende hebt der Autor diesen Raumverlust hervor – eine der seltsamsten Umwälzungen überhaupt:
Das System hingegen vollzieht diese erhebliche Umwälzung, indem es das historisch-nationale Prinzip und das politisch-territoriale Prinzip, die die modernen Übersetzungen des räumlichen Imperativs und der Tradition darstellten, außer Kraft setzt.
Wir haben hier nur einige Seiten wiedergegeben und vorgestellt. Lesen Sie diesen außergewöhnlichen Text noch einmal. Robert Steuckers, der mit Guillaume Faye befreundet war, sagt uns, daß ›L’Occident comme déclin‹ [Der Westen als Dekadenz], ein weiteres kurzes und dichtes Werk von Faye, genial ist. Wir werden darauf zurückkommen.
Quelle: https://www.terreetpeuple.com/societe3/9932-guillaume-faye-et-le-grand-condominium-planetaire-par-nicolas-bonnal.html