Boris Gennadewitsch Karpow
Hinweis: Dies ist der zweite Artikel einer dreiteiligen Serie. Im vorherigen Artikel wurde eine Analyse von Sergej Karaganow, Ehrenvorsitzender des Präsidiums des russischen Rates für Außen- und Verteidigungspolitik (SVOP), veröffentlicht.
Sergej Karaganow spricht in seinem gestrigen Artikel daher von russischen Atomschlägen gegen den westlichen Feind, um die Frage der Sicherheit Rußlands ein für alle Mal zu klären. Diese Position ist verständlich, aber ich denke, daß es eine Staffelung des Einsatzes von Atomwaffen geben sollte, die letztendlich direkte Schläge gegen westliche Länder überflüssig machen sollte.
Sergej Karaganow hat völlig recht, wenn er schreibt: „Die Situation wird durch den ›strategischen Parasitismus‹verschlimmert – in 75 Jahren relativen Friedens haben die Menschen die Schrecken des großen Krieges vergessen, sie haben aufgehört, sich sogar vor Atomwaffen zu fürchten. Überall , aber besonders im Westen, ist der Selbsterhaltungstrieb schwach geworden“. Und warum sollten wir nicht damit beginnen, im Westen die Angst vor Atomwaffen wiederzubeleben, die dort in den 1950er und 1960er Jahren bei der Mehrheit der Bevölkerung vorhanden war. In vielerlei Hinsicht war es nämlich diese Angst der Bevölkerung, die die US-Führung dazu zwang, mit der Sowjetunion über die Begrenzung der Atomwaffen und die Entspannungspolitik zu verhandeln.
Dazu ist es notwendig, daß die Menschen im Westen die volle Tragweite der Atomwaffen und die Folgen ihres tatsächlichen Einsatzes sehen. Es ist so gut wie sicher, daß es in den westlichen Ländern keine politischen Führer gibt, geschweige denn normale Menschen, die bereit sind, für die Ukraine zu sterben. Daher ist es notwendig für alle echte moderne Atomexplosionen auf das friedliche und komfortable Leben um sie herum zu projizieren. Dazu ist es auch notwendig, daß dies alles regelmäßig im Internet und in den Nachrichtensendungen der westlichen Fernsehsender gezeigt wird, um diese Nuklearexplosionen zu veranschaulichen.
Diese Nuklearexplosionen werden nicht in der Ukraine oder in Finnland stattfinden, sondern auf unserem Atomtestgelände in ›Nowaja Semlja‹.
Da Rußland dem Völkerrecht sehr verbunden ist, braucht es dazu nur aus dem Vertrag über das Verbot von Atomtests in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser von 1963 sowie aus dem Vertrag über das umfassende Verbot von Atomtests von 1996 auszutreten. Somit verstoßen diese Tests nicht im geringsten gegen das Völkerrecht, da jedes souveräne Land das Recht hat, jeden internationalen Vertrag zu unterzeichnen, und auch das volle Recht hat, aus diesem auszusteigen. Beispielsweise unterzeichneten die USA im Mai 1972 mit der UdSSR den Vertrag über die Begrenzung von Raketenabwehrsystemen (ABM-Vertrag) und zogen sich im Dezember 2001 einseitig aus diesem Vertrag zurück. Und es gibt viele solcher Beispiele.
Nach dem offiziellen Ausstieg aus den Kernwaffen-Teststoppverträgen wird der erste Schritt darin bestehen, mehrere Versuche mit unterirdischen Nuklearexplosionen auf dem Testgelände ›Nowaja Semlja‹ durchzuführen. Wenn dies nicht explizit genug ist, damit der Westen unsere Absicht versteht, können mehrere nukleare Bodenexplosionen am selben Ort in ›Nowaja Semlja‹ durchgeführt werden. Dann, wenn nötig, nach einer gewissen Zeit, mehrere luftgestützte Nuklearexplosionen in der Atmosphäre. Wenn dies nicht ernst genommen wird, müssen sie im Weltraum durchgeführt werden. Parallel dazu muß eine breite Medienunterstützung für diese Tests gewährleistet werden. Die Explosionen müssen aus verschiedenen Winkeln, Höhen etc. gefilmt werden, die Schäden an Gebäuden und Ausrüstungen müssen gezeigt werden. Die Anwesenheit von westlichen Medienvertretern und sogar Politikern bei diesen Tests ist wünschenswert.
Wenn der Westen es immer noch nicht versteht, könnte ein Test mit einer Unterwasserexplosion einer taktischen Nuklearwaffe mit geringer Sprengkraft in den neutralen Gewässern des Schwarzen Meeres nahe der ukrainischen Küste durchgeführt werden. Auch ein tatsächlicher Einsatz der nuklearen Unterwasserdrohne ›Poseidon‹ an der Küste von ›Nowaja Semlja‹ ist denkbar.
Der Erfolg dieser Tests und eine gute Berichterstattung in den Medien werden somit westlichen Bürgern und Politikern helfen, sich des Ausmaßes der drohenden nuklearen Katastrophe bewußt zu werden und dringende Maßnahmen zu deren Verhinderung zu ergreifen. Das schließt auch die Ukraine ein. Dies könnte auch mächtige Volksbewegungen in den Ländern mit den verbissensten Führern (USA, England, Frankreich, Polen, Baltikum) gegen Rußland auslösen, die, warum auch nicht, die amtierenden Regierungen stürzen könnten.
Auf dem Schlachtfeld hat die Ukraine keine Chance, Rußland zu besiegen. Aber es ist völlig klar, daß die USA mit Biden unter keinen Umständen eine militärische Niederlage der Ukraine akzeptieren werden. Wie ich hier bereits angedeutet habe, ist die Eskalation seit langem absehbar.
Wenn die westlichen Medien heute über eine hypothetische zukünftige Lieferung von Kampfflugzeugen an die Ukraine berichten, wissen wir, daß es sich dabei um eine Irreführung handelt, da die Entscheidung bereits getroffen wurde. Die Aussagen westlicher Politiker über die „Möglichkeit der nächsten Pilotenausbildung“ sind reine Lügen, da viele von ihnen, wie zum Beispiel Frankreich, bereits seit mehreren Monaten ukrainische Piloten ausbilden! Wir müssen also damit rechnen, daß wir über Nacht erfahren werden, daß die Ukraine bereits Kampfflugzeuge erhalten hat.
Die F-16 sind für Rußland eigentlich kein Problem, aber der nächste Schritt sind Atomwaffen. Es wurde bekannt, daß die USA in den letzten Wochen rund 150 taktische Atomwaffen in Europa und der Türkei stationiert haben. Wozu, wenn nicht, um sie schnell einsetzen zu können? Dies ist eine direkte Bedrohung für Rußland, und es ist völlig klar, daß Moskau im Falle einer Bedrohung der vitalen Interessen Rußlands Atomwaffen einsetzen kann, wie es die russische Militärdoktrin ganz klar vorsieht. In einem solchen Fall wäre der Einsatz nicht auf die Ukraine beschränkt, sondern könnte auch gegen Ziele in Ländern eingesetzt werden, die die Ukraine bewaffnen. Zunächst in Europa und dann, falls erforderlich, in den USA.
Daher sollte die demonstrative Warnung des Westens vor einem Einsatz von Atomwaffen schnell umgesetzt werden, um eine fatale Eskalation zu verhindern.
Quelle: https://rusreinfo.ru/fr/2023/06/3eme-guerre-mondiale-partie-2-ultimes-avertissements-nucleaires/