Pierre Krebs
Auszug aus ELEMEMTE der Metapolitik zur europäischen Neugeburt

Im intellektuellen Stottern, das für alle Dekadenz-Zeiten zutrifft, nehmen die Wörter Abschied von der Etymologie, schwängern die Sprache mit den seltsamsten Bedeutungen und gebären letzten Endes ,bastardische‘ Ideen: Grund genug, um die Semantik zu reinigen und die Sprache zu läutern!
Es ist nämlich auf die Dauer schädlich, wenn man nicht die Etiketten abreißt, die die zunehmend desinformierenden Medien blindlings aufkleistern. Das System glaubt nach wie vor, Schiedsrichter eines politischen Spiels zu sein, das es inzwischen nicht mehr beherrscht, mischt die Karten neu und verteilt die Spiele. Das Spiel der Rechten, das Spiel der Linken, das Spiel des Zentrums, das Spiel der äußersten Rechten, das Spiel der äußersten Linken.
Merkt das System aber, mit Spielern einer anderen Ideenwelt zu tun zu haben, dann schließt es nicht etwa klüglich den Stoß antiquierter Karten in seine Schubladen ein, nein, es mogelt und fordert von seinen Politologen, eine neue Spielkarte zusammenzubasteln, das heißt, eine ›Neue Rechte‹ nach Maß zu fabrizieren, die man nun glaubt ideologisch kontrollieren zu können, nachdem man sie in einem künstlichen Ghetto isoliert hat.
Die meisten Politologen machen diesen Betrug ohne zu mucken mit, denn eine solche Haltung hat bekanntlich den Vorteil, daß man über die neuen Spaltungen, die die Ideenbewegung beeinflussen, nicht nachzudenken braucht. Die musealen, sprich unzeitgemäßen Begriffe, die die meisten von ihnen zur Bezeichnung der heutigen ideologischen Veränderungen benutzen, sind übrigens für diese Einstellung kennzeichnend.
Es ist, wie wenn die moderne Biologie weiterhin die zur Zeit Mendels gültige Terminologie benützte, um die gegenwärtigen Entdeckungen oder Phänomene zu beschreiben. Kurzum, die Medien zeichnen nur ein Trugbild von der ›Neuen Rechten‹.
Die Professoren und Soziologen sind beruhigt. Man braucht nur noch einige Klischees zu programmieren, und die desinformierte Öffentlichkeit wird ähnlich wie der Pawlowsche Hund auf die medienwirksamen Stimuli reagieren. Auch das ›Thule-Seminar‹, die Pionierbewegung der ›Neuen Kultur‹ in Deutschland, hat sich seit seiner Gründung im Jahre 1980 dieser Medien-Tätowierung nicht entziehen können.
Die Desinformations- und Desorientierungskampagne, die das System führt, folgt bestimmten ideologischen und strategischen Regeln. Das System ist nämlich innerhalb der klassischen egalitären bzw. judäochristlichen Betrachtungsweise gewohnt, in starren Kategorien zu denken, und wird intellektuell und ideologisch aus der Fassung gebracht, sobald es sich mit einer Denkungsart auseinandersetzen muß, die eine neue Weltanschauung aus der vorherrschenden heraus als globale Notwendigkeit fordert, die das System auf dem politisch-ideologischen Schachbrett seines Gesellschaftsmodells aber nicht einzuordnen vermag.
Die ›Neue Kultur‹ befindet sich philosophisch gesehen außerhalb der Weltanschauung, die sowohl die reaktionärste Rechte (jakobinisch aus Tradition, judäochristlich aus Atavismus, kapitalistisch aus Temperament) als auch die unzeitgemäße Linke (neomarxistisch aus Tradition, universalistisch und egalitaristisch aus Atavismus, technokratisch aus Temperament) einschließt.
Die ›Neue Kultur‹ ist in Werten verwurzelt, die den Menschen auf eine völlig andere Ethik hinlenken, und bewegt sich geistig zwischen den gegensätzlichen Polen einer anderen Auffassung des Lebens und der Menschen, einer anderen Definition ihrer Rechte, ihrer Pflichten, ihrer Bestimmung.
Die ›Neue Kultur‹ bildet nicht nur einen Fremdkörper für die herrschenden Ideen, sie entlarvt außerdem die rein oberflächlichen Teilungen eines Systems, das im großen ganzen stark monolithisch bleibt, wird es doch sowohl rechts als auch links von denselben merkantilistischen Werten, von derselben egalitaristischen Weltanschauung und von denselben monotheistischen Bezügen am Leben erhalten.
Das Wort ›Konservatismus‹ ist auch eine solche Schlacke. Insofern dieser Begriff zum Dreh- und Angelpunkt der offenkundigsten Zweideutigkeiten und der schlimmsten Widersprüche geworden ist, verpflichtet es den antiegalitaristischen Diskurs zu semantischer Ohnmacht.
Eines sei von vornherein klargestellt: Die einzige Auffassung des Konservatismus, die wir uneingeschränkt teilen, ist die Moeller van den Brucks — eine moderne und dynamische Auffassung eines Begriffs, die seiner heutigen Bedeutung in der breiten Öffentlichkeit völlig entgegengesetzt ist.
Moeller van den Bruck, der sich der diesem Begriff innewohnenden Schwächen völlig bewußt war, gedachte sogar eine Zeitlang, seine Gedanken und Betrachtungen um den Begriff ›Futurismus‹ zu kristallisieren. In Wirklichkeit arbeitete er immer wieder an seiner Definition des Konservatismus: „Der Konservatismus bedeutet keine Reaktion“, er ist etwas „Lebendiges, Nichterstarrtes“, das die Tradition niemals als Folklore empfindet, sondern als lebendige Quelle der Wiederbeseelung im Dienst neuer Ideen, die dauerhaft und „grundlegend“ sein sollen.
Moellers Auffassung des Konservatismus setzt „die Kraft, im Widerspruch zu leben“, voraus, die Kraft, „auch jetzt wieder Welfen zu sein, die sich mit ihrem Stammesbewußtsein erfüllen, und zugleich Ghibellinen zu sein, die den Reichsgedanken vertreten“. Sie ruft zur Überwindung: „Größe eines Volkes ist: noch etwas mehr sein, als es nur von sich aus ist.“
Das ist schließlich eine reichhaltige, allzu kostbare, allzu seltene Definition, als daß man nur einen einzigen Augenblick wagen könnte, sie mit der allgemeinen Auffassung des Konservatismus deckungsgleich zu machen. Diese verknüpft nämlich den Konservatismus mit einem Unterprodukt der Berufspolitik, mit allen niederträchtigen, reaktionären Klischees
einer kleinbürgerlichen Gesinnung, die auf ihrem Geld und ihrer Bibel sitzt; sie spiegelt eine kleinmütige Lebensauffassung wider, buntgescheckt mit judäochristlichem Kosmopolitismus und Lokalpatriotismus wider.
Sie spiegelt kurzum sämtliche politischen, sozialen, kulturellen und moralischen Makel des Systems wider, sämtliche Zugehörigkeiten zu einer westlichen Zivilisation, die wir durch unser Denken, unsere Haltung und unseren Stil vehement ablehnen. Man kann sich sträuben oder es beklagen, doch sind es gerade diese Gedankenassoziationen, die der Begriff ›Konservatismus‹ im Volksgeist anregt. Mit Moellers Vision und Definition haben sie wahrlich nichts zu tun!
Im gegenwärtigen Diskurs ruft ›Konservatismus‹ Aporien über Aporien hervor: Man kann nicht bewahren, was man ablehnen will. Wir wären Konservative, wenn wir in einer Gesellschaftsform lebten, die unseren Anschauungen, unseren Werten, unseren Idealvorstellungen gemäß wäre.
Ein Konservativer will eigentlich etwas bewahren. Was sollte man aber heute überhaupt bewahren? Die Werte, die Gesetze, die Vorstellungen, die Einrichtungen des Systems? Das hieße gerade das aufrechterhalten, wogegen wir kämpfen!
Ferner: Der Begriff ›Konservatismus‹ deutet an, daß etwas Wichtiges noch zu erhalten sei. Wie läßt sich aber ein Diskurs, der eine globale Ablehnung des Systems sein will, mit einem Diskurs vereinbaren, der von diesem System etwas Wesentliches bestehen lassen will?
Die Werte, auf die wir uns berufen (die ethischen und geistigen Werte der heidnischen Metaphysik Indoeuropas), die Denkhaltungen, die ideologischen oder politischen Alternativen, an denen wir arbeiten (organische Demokratie und Wirtschaft, holistisch aufgegliederte Gesellschaft, Neubestimmung der Identität, usw.) enthalten zweifellos Eigenschaften, die es zu pflegen gilt, – da sie ja fehlen – die man aber erst wiedererobern, sich wiederaneignen muß.
Man kann nämlich nur bewahren, was man besitzt. Die ganze Dynamik unseres Kampfes steckt in dem Willen nach Neueroberung, nach Neuschöpfung, die von vornherein jeglicher konservativen Strategie, Haltung oder Mentalität völlig entgegensteht, da letztere naturgemäß nur defensiv ausgerichtet sind.
Wir denken keinen Augenblick daran, diese Gesellschaft zu reformieren, zu lutherisieren, sie allerdings durchaus zu nietzscheanisieren; das heißt im ›Mittagsmenschen‹* zu suchen und zu finden!
Die ›Neue Kultur‹ ist eine auf Veränderung hinarbeitende, intellektuelle, ethische, spirituelle Bewegung. Alle ihre Theoretiker, Aktivisten, Denker, Künstler, Philosophen, Wirtschaftsexperten, Politologen, Wissenschaftler sind durch ihre Opposition zu den Normen, Gesetzen, Einrichtungen und Werten des Systems — Mutanten. Keineswegs aber Konservative!
Im Zusammenhang mit jenen Allerweltswörtern, die ein jeder ohne Rücksicht auf Genauigkeit oder Nuancen benutzt, sprach Paul Valery oft von „Papagei-Wörtern“. Das Wort ›Konservatismus‹ ist ein solches Papagei-Wort, ein Allerweltswort mit allen Makeln einer Gesellschaft, die wir den Papageien, den Nachplapperern des Systems überlassen wollen.
Was uns betrifft, so möchten wir unseres längsten Gedächtnisses bewußt bleiben – für die neueste, jüngste und modernste aller Nachwelten! Noch nie haben wir uns im systemimmanenten Gestern befunden, und im egalitär durchseuchten Heute sind wir erst recht nicht zu Hause. Das dürfte nach allen hier vorgetragenen Darlegungen nun wohl deutlich geworden sein.
Doch sind wir – vorausgesetzt, daß wir es wissen, begreifen und wollen – eine Vorwegnahme des unmittelbar bevorstehenden Morgens, eines globalen Aufdämmerns, eines Erwachens zu volklich- jugendlichem Licht.
Versuchen wir also, mit den unseren Anschauungen gemäßen Worten uns den Weg zu bahnen, der im Rahmen unseres Willens die neue Geburt Europas im westlichen Apres-System einleiten wird. ♦
*
Und das ist der grosse Mittag, da der Mensch
auf der Mitte seiner Bahn steht zwischen Thier und
Übermensch und seinen Weg zum Abende als seine
höchste Hoffnung feiert: denn es ist der Weg zu
einem neuen Morgen.
Alsda wird sich der Untergehende selber segnen,
dass er ein Hinübergehender sei; und die Sonne
seiner Erkenntniss wird ihm im Mittage stehn.
„Todt sind alle Götter: nun wollen wir,
dass der Übermensch lebe.“ — diess sei einst am
grossen Mittage unser letzter Wille! —
Also sprach Zarathustra.
