Georges Feltin-Tracol

 

Die Ansprüche der USA auf Grönland erinnern daran, daß diese riesige arktische Insel immer noch vom Königreich Dänemark abhängt. Tatsächlich besteht dieser Staat aus drei konstituierenden Ländern: dem eigentlichen Dänemark, Grönland und, im Nordatlantik, der Inselgruppe der Färöer.

Grönland und die Färöer haben eine eigene Regierung und einen von Kopenhagen getrennten Ministerpräsidenten. Die Verbindung zur Krone beruht auf einem ernannten Hochkommissar. Darüber hinaus sind Grönland und die Färöer nicht Mitglied der sogenannten Europäischen Union. Theoretisch gilt das Schengener Übereinkommen über die Freizügigkeit von Personen nicht für sie. Diese beiden Gebiete mit weitgehender interner Souveränität stellen die letzten Überbleibsel eines weitgehend unbekannten ultramarinen Bereichs dar.

Lange Zeit war Dänemark eine führende skandinavische Macht und Seemacht. Die heutige dänische Königsfamilie aus dem jüngeren Zweig des Hauses Oldenburg, dem Geschlecht Schleswig – Holstein – Sonderburg – Glücksburg, ist mit den britischen und norwegischen Königsfamilien verwandt.

Dänemark, das vor allem zur Zeit Napoleons I. oft mit Frankreich verbündet war, blickt eher in Richtung Atlantik und Nordsee, eine entfernte Reminiszenz an das nordische Reich von ›Knut dem Großen‹ (985/995 – 1035), das lange vor der ›Kalmarer Union‹ (1397 – 1438 oder 1448), die Dänemark, Island, Norwegen und Schweden umfaßte, über Dänemark, Norwegen und England herrschte. Bevor die Orkney- und Shetlandinseln 1468-1469 wieder an Schottland zurückfielen, waren sie dänisch.

Ab 1536 begann eine lange Periode der Personalunion zwischen Dänemark und Norwegen. Um 1660 entstand in diesen „Zwillingskönigreichen“ eine gemeinsame Staatsstruktur, in der die dänische und die deutsche Amtssprache praktiziert wurden, ohne daß die Verwendung anderer Volkssprachen eingeschränkt wurde.

Grönland wurde 1397 dänisch und Island 1536. Der Vertrag von Kiel im Jahr 1814 zwang Kopenhagen, Norwegen an Schweden unter einem gewissen ›General Bernadotte‹ abzutreten, der nun als Karl XIV – Johann bekannt war. So hatte Norwegen bis 1905, dem Jahr der friedlichen Trennung und der nationalen Unabhängigkeit, französischstämmige Monarchen.

Dänemark begnügte sich nicht mit dem borealen Horizont. Im 17. und 18. Jahrhundert fuhren Schiffe im Dienste privater kolonialer Handelsgesellschaften über die Ozeane und gründeten, wenn nötig, Handelsposten. Die Stadt Kanton (Guangzhou) in China weist ein dänisches Viertel auf.

Um 1618 errichteten die Dänen im indischen Westbengalen Tranquebar und fünf weitere Handelsniederlassungen (darunter Serampore), bevor sie 1756 die Nikobaren in der Andamanensee eroberten. In Afrika gab es im heutigen Ghana die dänische Goldküste, ein Gebiet, das die brandenburgischen Kolonialisten, d. h. das spätere Preußen, begehrten…

Die Dänen durchquerten schließlich die Karibik und landeten um 1672 auf den Inseln St. Thomas, St. John und St. Croix, die gemeinsam die ›dänischen Jungferninseln‹ bilden (nicht zu verwechseln mit ihren Nachbarn, den britischen Jungferninseln). Diese drei westindischen Inseln unterstanden damals der ›Dänischen Westindien- und Guinea-Kompanie‹.

Skandinavien, Nordatlantik, arktisches Eismeer, Nordsee, Ferner Osten, Afrika am Golf von Guinea und die Kleinen Antillen – Dänemarks koloniale Expansion ist unbestritten. Dennoch zeigten die Herrscher schon recht früh eine gewisse Müdigkeit gegenüber diesem überseeischen Gebiet, das ihnen früher oder später Probleme bereiten könnte.

Dänemark entschied sich daher, seine überseeischen Gebiete zu verkaufen. Großbritannien kaufte 1845 Tranquebar, 1850 Dänisch-Guinea für etwa 50.000 englische Pfund und 1868 die Inselgruppe der Nikobaren. Im Jahr 1917 erwarb Washington für fünfundzwanzig Millionen Dollar die Jungferninseln, die zu einem nicht eingegliederten Gebiet der Vereinigten Staaten von Amerika wurden.

Das Verschwinden des dänischen Überseegebiets setzte sich danach in Abhängigkeit von historischen Ereignissen fort. Die US-amerikanischen Bestrebungen, Grönland zu übernehmen, sind nicht neu. In den Jahren 2019 und 2024 greift Donald Trump lediglich alte Forderungen auf. Nachdem die USA 1867 Alaska gekauft hatten, boten sie Dänemark im selben Jahr an, Grönland und Island zu verkaufen. 1946 bot Präsident Truman 100 Millionen US-Dollar, um allein Grönland zu erwerben.

Bildquelle: SBS News

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Grönland zu einem entscheidenden strategischen Punkt des Westens in seiner Konfrontation mit der UdSSR. Die Abkommen mit Dänemark erlaubten der US-Armee, dort Raketen mit Atomsprengköpfen zu stationieren. Als NATO-Schutzgebiet ist Grönland de facto ein Protektorat der USA.

Die von der dänischen Vormundschaft befreite grönländische Hauptstadt ›Nuuk‹ wäre kaum in der Lage, eine vollständige Neutralität anzunehmen. Wäre ein Status als assoziierter Freistaat nach dem Vorbild von ›Puerto Rico‹ nicht eine realistischere Lösung als die Unabhängigkeit oder sogar die Integration in die USA?

Als Gründungsmitglied des Atlantischen Bündnisses ist Island der einzige NATO-Staat, der keine Armee hat. Im Jahr 1940 marschierten die Briten auf der Insel ein, um den U-Boot-Kampf besser koordinieren zu können. Ihnen folgten im Jahr darauf die Vereinigten Staaten. Diese Besetzung förderte die Emanzipation von Dänemark, das ebenfalls von den Deutschen besetzt war.

Im Jahr 1944 wurde das Königreich Island, dessen Herrscher der dänische König war, zugunsten einer unabhängigen Republik abgeschafft. Diese Situation hätte auch die Färöer betreffen können. Im April 1940 löste Churchill die ›Operation Valentin‹ aus und ermöglichte die britische Invasion dieses Archipels.

Diese militärische Besetzung bis September 1945 war so friedlich, daß britische Soldaten unter den Färöerinnen Ehefrauen finden sollten. Im Gegensatz zu Island, das unter dem Einfluß der Yankees stand, bestätigte London hier jedoch die dänische Souveränität. Die Briten hinderten die färöischen Unabhängigkeitsbefürworter daran, im Austausch für die bereits 1948 erlangte Autonomie mit Dänemark zu brechen.

In letzter Zeit ist die Idee der Unabhängigkeit in Grönland und auf den Färöern, wo noch immer Walfang betrieben wird, wieder im Trend. Die dänische Regierung steht der möglicherweise baldigen Unabhängigkeit ihrer beiden überseeischen Gebiete nicht ablehnend gegenüber, sofern die beiden künftigen Staaten ungeachtet ihrer nominellen Unabhängigkeit im westlichen Einflußbereich bleiben. Aufgrund ihrer demografischen und wirtschaftlichen Schwächen sind sie bereits jetzt leichte geopolitische Beute, weshalb sie von ›Uncle Sam‹ und Ihrer ›Gnädigen Majestät‹ ständig mit Argusaugen beobachtet werden.

Freibeuterische Grüße!

Quelle: https://www.terreetpeuple.com/geopolitique-reflexion-69/9317-loutre-mer-danois-dhier-a-aujourdhui-par-georges-feltin-tracol.html
Originalquelle: https://radiomz.org/vigie-dun-monde-en-ebullition-141-loutre-mer-danois-dhier-a-aujourdhui/