Sigrid Hunke gewidmet
Das Bild der Frau (als Zauberin des Lebens, als heilige Bewahrerin der Identität, der Herkunft und des Erbes) weicht langsam, aber unaufhaltsam dem ethnoziden Bild der mutterschaftsabgeneigten Europäerin. Der international anerkannte Soziologe Pierre Chaunu schlug Alarm:
Wir befinden uns am äußersten Rand des Abgrunds!
Der Kernschatten des Geburtenrückganges ist nunmehr unser Schicksal in einer Gesellschaft, die in die ›Hülle der Dinge‹ (Saint-Exupéry) vernarrt ist. In der Nachfolge Simone de Beauvoirs kann sie nur noch Gleichgültigkeit oder Abneigung gegen dieses Ballastkind aussprechen, das die Anschaffung neuer Möbel verzögert, den Kauf eines neuen Autos oder der obligatorischen Videoanlage, ja sogar den Wintersporturlaub gefährdet. Grauenhafte Armut eines Volkes, das seine Hunde an Stelle der leer gewordenen Kinderwagen spazierenführt, mit seinen grünen Papageien plaudert oder seinen goldenen Fischen zulächelt. Schreckliche Leere dieser Häuser, die vom Gesang der Kanarienvögel in ihren Käfigen widerhallen, das Lachen und Schreien von Kindern indes nicht mehr kennen. Häßlichkeit eines Volkes, dessen Bauchumfang nicht mehr das Anschwellen der Lebensgeheimnisse offenbart, sondern die Fettleibigkeit einer Gesellschaft, die in der freiwilligen Mutterschaftsnot verendet.
Europa und besonders Deutschland – der Rekordhalter im demographischen Selbstmord mit einer Geburtenziffer von 1,3 (wobei die Mindestziffer zum vollen Ersetzen der eigenen Generation 2,2 beträgt) – sinken allmählich waidwund ins Greisenalter, schrumpfen um die freiwillige Kinderlosigkeit unserer Frauen zusammen. Macht nichts! Karl-Otto Hondrich, Professor für Soziologie an der Frankfurter Universität, fand in einer Schublade seiner entlohnten Phantasie das Wundermittel. „Es bleibt als letzte Chance gesellschaftlicher Verjüngung die Rettung von außen“, äußerte der geniale Soziologe gegenüber dem Spiegel. Noch besser: „Der Beitrag, den die Quasi-Einwanderung von Asylsuchenden und Gastarbeitern zur Lösung unseres Entvölkerungsproblems leistet, [ist] entscheidend!“ Herr Hondrich schätzt die Identität seiner Mitbürger gewiß recht wenig; die der Ausländer bekümmert ihn kaum mehr.
Der Bevölkerungsschwund durch Beschränkung der Geburtenzahl ist nicht neu. Schon die Griechen mußten sich mit ihm auseinandersetzen. Laut Spengler habe Polybius ihn als das Verhängnis von Griechenland beklagt. In Rom nahm er katastrophale Ausmaße an, „trotz der verzweifelten Ehe- und Kindergesetzgebung des Augustus, dessen lex de maritandis ordinibus auf die Gesellschaft bestürzender wirkte als die Niederlage des Varus.“ (›Der Untergang des Abendlandes‹, II, S. 125) Er war ebenfalls eine der Ursachen dafür, daß die Mayabevölkerung kurz nach der spanischen Eroberung verschwand, deren „Brutalität… einer jungen und fruchtbaren Kulturmenschheit gegenüber wirkungslos gewesen wäre“, wenn das innere Erlöschen nicht schon längst begonnen hätte (ebd., S. 126).
Die Ursachen der Entvölkerung stimmen mit dem Milieu überein, in dem sie Wurzel schlugen, mit anderen Worten mit unserer Gesellschaft, die sich an der Brust des Egalitarismus, der Religion der Menschenrechte, des Liberalismus und des Universalismus ernährt. Man erkennt, daß die egalitäre Ideologie, die Gleichheitslehre, allmählich zum fokalen Bezugspunkt des europäischen Bewußtseins geworden ist, zum institutionalisierten Denken der öffentlichen Meinung, des akademischen Diskurs, der politischen Propaganda, der jüdisch-christlichen Botschaft, der pädagogischen Argumentation. Sie beeinflußt sämtliche Medien.
Von ihren einzelnen Trägern ist es zweifellos der Liberalismus – ein Cocktail aus humanitaristischem Rationalismus, kosmopolitischem Messianismus und merkantilistisch-utilitaristisch-individualistischer Anschauung –, der uns am wirksamsten in das Zeitalter der Finsternis irreführte, dessen erste Anzeichen Hermann von Keyserling bereits 1930 in seiner berühmten Abhandlung über Amerika erkannte. Der Philosoph warnte Europa ausdrücklich vor dem amerikazentrierten Totalitarismus der entpersönlichenden Obermechanisierung sowie der kommerziellen, sprich liberal-kapitalistischen Ideologie, die zum gemeinsamen Nenner aller Werte erhoben wurde. Er sah bereits die verhängnisvollen Folgen der entkulturierenden ›One-World‹-Ideologie, das ›like-mindedness‹-Zeitalter der geistigen Einförmigkeit und des kollektiven Menschen; das neoprimitive Zeitalter aller rohen Ideale des Hyperkonsums, der Standardisierung, der gleichförmigen Rhythmen, der materiellen Vorherrschaft, der wirtschaftlichen Dämonie. Mit seltenem Scharfsinn sagte er das Termiten-Zeitalter voraus; Europa blieb aber hoffnungslos taub gegen seine Warnungen. Mittlerweile erhielt das liberalistische System weltweites Ausmaß.
Am Geburtenrückgang hat der Liberalismus schon deshalb maßgeblichen Anteil, weil er sich u. a. den überwältigenden Einfluß der Medien zunutze machte. „Die Fernsehbotschaft“, bemerkt der Soziologe Jean Baudrillard, „steckt nicht in den vom Fernsehen übermittelten Bildern; sie ist vielmehr in den neuen Formen der Beziehung und Wahrnehmung zu finden, die es propagiert, sowie in der Veränderung der traditionellen Familien- und Gruppenstrukturen.“ (La société de consommation,1970)
Die Mediatisierung ist eine Parodie der Welt. Durch sie, bemerkt Arnold Gehlen, erlebt der Mensch unsere Zeit sozusagen aus zweiter Hand, indem er die Welt von überall und nirgendwo auf seinem Bildschirm vorüberziehen sieht. Die Massenmedien dienen dazu, das „erlebte, einzigartige, ereignisträchtige Wesen der Welt zu neutralisieren“, schreibt Baudrillard. Die Mediatisierung ist letzten Endes „die totalitäre Botschaft einer Konsumgesellschaft“. Das Zeichen leerte somit den Sinn aus.
Unsere Gesellschaft vergißt zunehmend jene Werte, etwa die Mutterschaft, die dem Leben eine höhere Bedeutung verleihen, wird immer gleichgültiger gegen das kulturelle und historische Erbe, das innerhalb eines bestimmten politischen Entwurfs zu verwalten jedes Volk berufen ist. In einer zum ›Zeichensystem gewordenen Welt‹ führte der wertverdrängende Massenkonsum zur Entkulturierung. Der Überfluß an Informationen desinformierte und domestizierte unsere Zeitgenossen; diese vermögen nicht mehr das Wesentliche vom Überflüssigen zu unterscheiden, sind von allem mediatischen Unrat verblüfft, den ein Wust unnützer Bilder und unbedeutender Reden aufbläht.
Die Atomisierung der Gesellschaft in Individuen kehrte ebenfalls die Prioritäten um: Die Wettervorhersagen nahmen eine größere Bedeutung als die beunruhigendsten demographischen Prognosen ein, denn Ausflüge und Ferien sind als unabwendbar gewordene Ausreißversuche aus einem zunehmend erstickenderen Gesellschafts- und Berufsleben zu bewerten. Die Schwankungen des Dollars/des ›Goldenen Kalbes‹, der statistische Kurszettel unserer Duldungen und Niederlagen, beeinflussen am Rande den Absturz der Geburtenzahl, die demographische Spirale unseres Selbstmords.
Fazit: Der Egalitarismus ist bestrebt, die ethnischen, kulturellen, ja sogar sexuellen (Neofeminismus) Unterschiede zu kriminalisieren, die absurde Vorstellung, daß die Menschen alle gleich seien, durchzusetzen, die liberale Theorie des ›besseren Vorteils‹ zu katechisieren, den Profit zu vergöttern, und das wurde zu einem Volltreffer: Die Europäer schenkten ihm Glauben um den Preis eines ansteckenden existentiellen Unbehagens, das die Soziologen ›Koeffizient des Zukunftsverlusts‹ nennen. Leidend an einer Gesellschaft, die kein anderes historisches Projekt als den Vorruhestand, die 35-Stunden-Woche, die Urlaubsverteilung oder den nächsten magischen Wahlzirkus kennt, leidend an der zukünftigen Welt, die der Unikultur, dem Univolk, der Unigeschichte und dem Unisex geweiht ist, zunehmend besessen vom Schickalsgespenst ihrer Dekadenz und Nivellierung, sind unsere Zeitgenossen immer weniger darauf bedacht, ihre Nachkommenschaft zu sichern und für ihre Kultur einzustehen. Wir müssen zuletzt die schwere Krise hervorheben, die zwischen dem europäischen Mann und der europäischen Frau herrscht und von den Verwandlungen des Neofeminismus noch verschärft wurde. Diese Krise geht unter anderem auf die im kollektiven Unbewußten unserer Völker fortlebende Kriminalisierung der Frau durch das Judäochristentum zurück. Nur wenn Mann und Frau sich in ihre jeweilige natürliche Identität wieder einwurzeln, werden sie ihre gegenseitige Inbrunst wiedererwecken, „die nur gibt und niemals ausplündert, denn die Inbrunst verlangt weder Eigentum noch Gegenwart“ (Saint-Exupéry).
In dieser entzauberten Welt sind Fatalismus und Sinistrose leichte Versuchungen. Das demographische Verhängnis hängt jedoch mit dem egalitären Verhängnis unerbittlich zusammen. Mit anderen Worten: Nur wenn wir dieses überwinden – durch die Neueroberung unserer Identitäten, unserer Kultur, unserer Daseinsgründe, durch die Neuerschaffung des Sinnes in den Zeichen, den Dingen und den Handlungen – werden wir jenes bezwingen.
Die Natur erfand die Arten, damit die Völker ihr biologisches und kulturelles Schicksal unterschiedlich gestalten können. Sie sah nicht die Panmixie der Zauberlehrlinge der Gleichheitslehre bzw. ihrer Kollaborateure vor. Robert Ardrey schrieb, daß der Mensch, tragisches Produkt des Pleistozäns, „für das Drama geschaffen ist“. Als „wetterharte Tiere, Kinder der Katastrophe“, zeigen wir, „daß der Mensch sein Bestes gibt, wenn die Zeiten am schlechtesten sind.“
Zu Ende dieses Jahrhunderts besitzt die Frau die Schlüssel unseres Schicksals. Sie soll ihren männlichen Flitterkram verbrennen und das leuchtende Kleid der Mutterschaft wieder anlegen. Da sie ihr Wesen wenig achtete, verlor sie ihr Geheimnis. Vielleicht wird ihr das unvergleichliche Erlebnis, ein Kind zu tragen, wieder zuteil, die Zeit nämlich, da die Frau wie niemals sonst so dicht daran ist, „einen Hauch von Unsterblichkeit zu verspüren“ (Arianna Stassinopoulos).
Aragon, ein Vorsänger des Kommunismus, sagte, daß die Frau die Zukunft des Mannes ist. Diesmal werden wir ihm nicht widersprechen: der Wahrheit war er noch nie so nah.
Leitartikel in ›Elemente zur Metapolitik für die europäische Neugeburt‹ vom Juni/Sept 1987.
Manifest der ›Antigones‹
Femen, ihr behauptet, daß Frauen mittels Feminismus kämpfen müssen.
Wir entgegnen euch, daß sie mit Weiblichkeit kämpfen müssen.
Femen, ihr behauptet, daß Frauen halb nackt für ihre Sache einstehen müssen.
Wir entgegnen euch, daß Respekt nur von Würde herkommt.
Femen, ihr behauptet, daß Religion eine Geisteskrankheit sei.
Wir entgegnen euch, daß die Religion für viele von uns der Weg zu Freiheit
und Selbstverwirklichung ist.
Femen, ihr behauptet, daß ›Machismus‹ unsere Gesellschaft beherrscht, und ihr
bekämpft Männer.
Wir entgegnen euch, daß wir nur mit Männern Frauen in der vollen Bedeutung
des Wortes sein werden.
Femen, ihr fordert die Gleichheit der Geschlechter.
Wir entgegnen euch, daß die Ergänzung durch Verschiedenheit der
Geschlechter eine Quelle des Reichtums für unsere Gesellschaft ist.
Femen, ihr werdet bezahlt, um eure Ideen zu verbreiten.
Wir entgegnen euch, daß die Sache der Frauen keinen Preis hat
Femen, ihr bringt euch durch Skandal und Gewalt zur Geltung.
Wir stehen zusammen in Ruhe und Gelassenheit.
Und wir zitieren Antigone:
›Nicht zu hassen – zu lieben bin ich da.‹
Das nenn ich wahre Ritterlichkeit, dass hier ein Mann eine so wunderschöne Lanze für die Frau als Mutter bricht.
Ich bin sehr berührt.