Prof. Dr. Jacques de Mahieu

Die Fächer von Möglichkeiten, die sich dem psychischen Leben des Tieres bieten, sind äußerst beschränkt. Ihre über den Paläokortex ausgelösten Instinkte lassen sie Generation auf Generation stets die gleichen Bewegungen und die gleichen Handlungen mit einem winzigen Spielraum für adaptive Variation ausführen.

Der Mensch dagegen ist dank seines Neokortex fähig, auf diesem Gebiet einzugreifen und in seinem Geist und in der Materie neue Formen hervorzubringen. Es sind diese Gestaltungen, die, in der Erinnerung behalten und weitergegeben, die Kultur darstellen, das heißt einen Besitz, über den der Einzelmensch in Funktion seiner Anpassungsfähigkeit verfügt. Hieraus ergibt sich, daß jeder konzeptionelle Gegensatz zwischen Natur und Kultur sinnlos ist: Die Kultur ist ein Teil der Natur des Menschen, und nur des Menschen.

Wenn auch der Kulturbesitz für alle verfügbar ist, so sind doch nicht alle in der Lage, ihn sich im gleichen Maße zu eigen zu machen, und noch weniger, ihn durch die Schaffung neuer Formen zu vergrößern. Unter den Menschen ist die Ungleichheit viel ausgeprägter als unter den Tieren irgendeiner Art.

Bedienen wir uns der qualitativen Einteilung von Otto Ammon und Georges Vacher de Lapouge und stellen fest, daß die schöpferische Fähigkeit bei den Grobianen nicht vorhanden, bei den Aufnehmenden, die die große Masse jeder Gesellschaft ausmachen, sehr gering und bei den Ausführenden beschränkt ist, die nur fremde Ideen entwickeln und verwirklichen können, während sie sich normal in den Neuerern bekundet, um ihren höchsten Grad bei den Genies zu erreichen.

Auf diesem wie jedem anderen Gebiet erfolgt die Einordnung und Entwicklung des Einzelmenschen innerhalb seines physischen und gesellschaftlichen Lebenskreises durch die Einstellung seines genetischen Potentials auf die Gegebenheiten: Er wird von seinen Genen bestimmt und von der Umwelt bedingt. Er ist nicht aus der Verbindung eines Tieres und eines Engels entstanden: Sein Körper und seine Seele sind nur zwei verschiedene Aspekte ein und derselben einheitlichen Wirklichkeit. Seine Kulturfähigkeit erhält er also nicht von außen, sondern sie richtet sich nach seinen genetischen Vorschriften.

Was in dieser Beziehung auf die Einzelmenschen zutrifft, tut es nicht minder in Bezug auf die Gruppen von Individuen, die in gewissem Umfang (quantitativ wie qualitativ) eine gewisse Zahl von somatischen und psychischen Eigenschaften gemein haben und diese innerhalb der Rassen, Völker und Geschlechter auf dem Weg der biologischen Vererbung weitergeben. Deswegen verdankt die Menschheit das Wesentliche ihres Kulturbesitzes sehr wenigen Völkern: denjenigen, die über die Zeiten hinweg eine beträchtliche Minderheit von schöpferischen Menschen mit einer aufnahmefähigen Masse von gehobenem Niveau vereinten.

Die anderen beschränken sich darauf, in verschiedener Weise die von den ersteren geschaffenen Formen nachzumachen oder, wie die tierischen Arten, die gleichen Bewegungen und die gleichen Handlungen mit ganz geringfügigen Abweichungen stets zu wiederholen. Rassen, Völker und Geschlechter sind also ungleich, und zwar nicht nur von Teilgesichtspunkten aus, d. h. nach mehr oder weniger willkürlich gewählten Merkmalen, sondern auch nach einem absoluten Bewertungsmaßstab: ihrer schöpferischen Fähigkeit.

Jede Verschiedenheit ist würdig und achtbar

Jede historische Gemeinschaft schafft sich also ihre eigene Kultur nach ihrer Natur, d. h. nach ihrem genetischen Potential. Daher sind die Rassen, Völker und Geschlechter nicht nur ungleich, sondern auch verschieden und erhalten ihren Wert eben durch eine Verschiedenheit, die Ungleichheit voraussetzt. Jede Kultur, von welcher Höhe sie auch sei, ist achtbar, da sie der Ausdruck einer Gruppe von Menschen ist, so wie sie sich in ihrem Lebenskreis zu bewähren gewußt hat und weiß.

Die egalitäre Naturrechtlerei, die Völker wie Menschen auf ein für alle gleich anwendbares rationelles Schema beschränken will, widerspricht dem authentischen Naturrecht auf kulturelle Identität, das heißt auf Verschiedenheit. Es gibt keine vom Körper losgelösten platonischen Ideen von universellem Wert, wohl aber dynamische Formen, die sich vererben und sich auf verschiedenen Ebenen bekunden.

Natürlich haben alle Menschen anatomisch und physiologisch eine vergleichbare Gestaltung. Aber ihre physische und psychische Fähigkeit, ihre verschiedenen Organe zu gebrauchen, ist bei diesem und jenem quantitativ und qualitativ anders. Um sie einander gleich zu machen, muß man sie auf den niedrigsten gemeinsamen Nenner bringen.

So verschwinden die Unterschiede. Das bedeutet vom kulturellen Gesichtspunkt aus, daß nicht die Hottentotten auf das Niveau der Europäer gehoben werden (was wegen der Beschaffenheit des Gehirns der ersteren nicht möglich ist), sondern die Europäer auf dasjenige des am wenigsten schöpferischen afrikanischen Volkes herabgedrückt werden. Einem Volk – mit welchen Mitteln auch immer – eine ihm fremde Kultur aufzuzwingen, ist Völkermord.

Von der Französischen Revolution bis zum Zweiten Weltkrieg hat der Egalitarismus vergeblich versucht, den europäischen Kulturbesitz auf die farbigen Völker zu übertragen. Durch die Sklaverei in Amerika und durch eine gewisse Form des Kolonialismus in Afrika und Asien beabsichtigte er, unter Schwarzen und Gelben die Sprachen, Religionen und Bildungsregeln der Weißen zu verbreiten.

In gewissem Umfang gelang ihm das. Das Ergebnis ist nicht eben glänzend. Authentische Kulturen, die der Natur ihrer Schöpfer entsprachen, wurden zerstört, um sie durch fremde Formen zu ersetzen, die bestenfalls oberflächliche Imitationen waren. Indem sich die europäisierten örtlichen Eliten von ihren Wurzeln trennten, wurden sie zu reinen Nachahmern wie der Affe im Zirkus. Der Afrikaner ist in seiner Stammstruktur authentisch und achtbar. Aber zum Weißen taugt er nun einmal nicht.

Egalitarismus führt zum Völkermord

Seit 1945 hat sich der Vorgang umgekehrt. Da es dem Egalitarismus nicht gelingen wollte, aus Schwarzen und Gelben Weiße zu machen, ist er jetzt dabei, in die europäische Kultur fremde Elemente aus dem Besitz der Afrikaner und Asiaten einzupflanzen, so wie dieser sich nach 150 oder mehr Jahren der Verfälschung noch darbietet.

Das geht von den Bemühungen eines Lévi-Strauss, die Strukturen der europäischen Völker auf diejenigen kannibalischer Stämme zu beschränken, bis zur Rock- ›Musik‹ und dem Jahrmarktsrummel orientalischer Sekten. Während die afrikanischen und asiatischen Eliten versuchen, die Europäer oberflächlich nachzumachen, lassen diese sich von fremden Kulturen durchtränken, die aus dem Zusammenhang gerissen wurden, in dem sie sinnvoll waren, nachdem man sie grausam verstümmelt hatte.

Durch diesen doppelten Vorgang werden die Unterschiede, die den Wert der einen wie der anderen ausmachten, abgemildert, aber in beiden Fällen auf einem niedrigeren Niveau. So auch in Bezug auf die bewunderungswürdigen Sprachen, die sich im Lauf der Jahrtausende nach dem Wesen und Empfinden jedes Volkes geformt haben: Ihre langsame Ersetzung in der weißen Welt durch ein nach den Prinzipien des Pidgin-Englisch geformtes internationales Kauderwelsch fördert nicht die Einigung Europas, die nur von Wert und Dauer sein kann, wenn sie die einander ergänzenden Verschiedenheiten wahrt und bestärkt; im Gegenteil ― die Zersetzung der gewachsenen Sprachen bewirkt die Gleichmachung auf der Ebene einer vaterlandslosen Subkultur.

Jede Theorie, die die Kultur auflöst, als wäre sie das Produkt von Universalien ohne Bindung an die genetischen Besonderheiten der Rasse und des Volkes, führt dazu ― welche Absicht auch immer ihre Vertreter haben – das fraglos zu verabscheuende Verbrechen des Völkermordes zu legitimieren. Ein ›Kulturismus‹ dieser Art wird so zum Instrument des nivellierenden Egalitarismus. ◊

Jacques de Mahieu, ᛉ 1915 in Marseille; ᛣ 4. Oktober 1990 in Buenos Aires

 

 

 

 

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