Grégoire de Visme

 

Die indoeuropäische Triade ist vielleicht die bekannteste Gemeinsamkeit aller indoeuropäischen Kulturen. Es handelt sich dabei um eine von Georges Dumézil (1898 – 1986) entwickelte Theorie, die besagt, daß es in jeder Kultur, die unter diese Bezeichnung fällt, eine „heilige Dreifaltigkeit“ gibt, die zum gesellschaftlichen Modell erhoben wurde.

Vergleichende Mythologie und Soziologiehaben es durch die Annäherung an vedische und homerische Texte, lateinische, keltische und germanische epische Traditionen ermöglicht, unter verschiedenen Gewändern das gleiche althergebrachte, gut strukturierte Modell einer „dreigliedrigen „Ideologie“zu finden. Diese wurde von G. Dumézil definiert. Sie ist dadurch gekennzeichnet, daß im Pantheon männliche Gottheiten vorherrschen, die eher eine funktionale als eine naturbezogene Rolle spielen. Die Herrschergötter, die Kriegsgötter und die Gottheiten der „dritten Ebene“, die als Beschützer der Viehzüchter und Bauern und ganz allgemein der Menschen, denen sie in Verbindung mit einer Göttin Frieden, Gesundheit, Reichtum und Fruchtbarkeit garantierten, fungierten, bildeten ein gut organisiertes und hierarchisch gegliedertes Pantheon. (J. Freu, ›The Arrival of the Indo-Europeans in Europe‹)

So entspricht die hinduistische Trimurti von Brahma (Schöpfer), Vishnu (Beschützer) und Shiva (Zerstörer) derjenigen von Odin, Freyr und Thor in der skandinavischen Mythologie. Ebenso finden die laboratores (Arbeiter), oratores (Betende) und bellatores (Krieger) des feudalen Modells ihre indischen Entsprechungen in den drei edlen Kasten des Brahmanismus, die sich aus den Brahmanen (Priestern), den Kshatriyas (Anführern und Kriegern) und den Vaishyas (Händlern und Angestellten) zusammensetzen. Diese Triade finden wir natürlich auch im Vater, Sohn und Heiligen Geist des europäischen Katholizismus wieder.

 

Klassische Darstellung der Trimurti: Brahma, Vishnu,. Shiva

 

An der Spitze des indoeuropäischen Pantheons stehen drei Gottheiten, die sich die Macht des Universums sowie die Opfer und Gaben ihrer Anbeter teilen. In Rom waren es Jupiter (Schöpfer), Mars (Krieger) und Quirinus (Sturm und Regen, also Fruchtbarkeit), später Jupiter, Juno und Minerva.

Für die alten Lusitanier mit keltischer Kultur waren es Endovelicus, Ataegina und Runesocesius. Im Vedismus ist die fast systematische Erwähnung von drei Gottheiten zur gleichen Zeit zu beobachten: Varuna (Himmel, Schöpfung), Mithra (Gerechtigkeit) und Aryaman (Beschützer der Arier) oder Varuna (Der Allumfassende), Indra (Krieg) und die Ashvins (Landwirtschaft). Dieser Folge von drei vedischen Gottheiten entspricht die mazdäische Triade aus Ahura Mazda (Gott), Mithra (der Bestrafende, der Geweihte) und Ahriman (das Böse, Herrscher über die Erde).

Heilige Triade und Dreifaltigkeit

vedisch: Indra, Mitra, Varuna – Mitra, Varuna, Aryaman – Dreifaltige Rudra

hinduistisch: Brahma, Vishnu und Shiva – Brahma dreifältig

buddhistisch: Amitabha (Buddha der Vergangenheit), Gotama (der Gegenwart) und Maitreya (der Zukunft).

arisch des Mittani: Uruwana (Varuna), Mihitra (Mitra) und Intar (Indra).

mazdäisch: Ahura Mazda, Mithra und Ahriman (Angra-Mainyu).

zurvanisch: Ashoqar „Pubertät“, Frashoqar „Reife“ und Zaroqar „Alter“.

hethitisch: Im, Utu und Kal

jesidisch: Tawuse Melek (Melek Taus), Scheich Adi Ibn Musafiret und Sultan Ezid

armenisch: Gott-Schöpfer, Gott-Herrscher und Göttin-Mutter

armenisch-christlich: Die Enkel Japhets: Askenez, Riphath und Thorgoma.

skythisch: Die drei Söhne des Targitaos: Lipoxais, Arpoxais und Colaxais.

getisch (Getai): Gebeleizis (dreiköpfig)

mykenisch: Die beiden Königinnen und der König: Demeter, Kore und das göttliche Kind.

griechisch: Die drei Söhne des Deukalion: Aeolus, Ion und Dorus.

orphisch: Phanes, Uranos und Kronos

griechisch-ägyptisch: Serapis, Isis und Harpokrates (alexandrinische Triade)  Hermes Trismegistos („dreimal geboren“)

römisch: Jupiter, Mars und Quirinus, später Jupiter, Juno und Minerva.

neuplatonisch: Die drei göttlichen Hypostasen: das Gute, die Intelligenz und die Universalseele.

Galater: 3 Völker, 3 Hauptstädte, 3 Herrscher (Tetrarchie).

gallisch: Die drei Göttinnen – Toutatis (Mars, Merkur?), Esus (Merkur?), Taranis (Jupiter, Dis Pater) – Der dreiköpfige Gott der Rèmes (Cernunnos) – Apollon, Cernunnos, Merkur – Jupiter, Cernunnos, Merkur.

Limoges: Diana, Merkur, Venus (Legende von St. Martial).

inselkeltisch: Die 3 Kinder von Ked: Mor-vran (der Seerabe, Führer der Seefahrer), die schöne Creiz-viou (die Mitte des Eies, das Symbol des Lebens) und der hässliche Avagdu oder Avank-du (der schwarze Biber).

irisch: Lug, Dagda und Ogma (Tuatha Dé Danann) – Die drei Morrigans: Macha, Morrigan und Badb.

lusitanisch: Endovelicus, Ataegina und Runesocesius

skandinavisch: Odin, Freyr und Thor – Odin und seine Brüder Vili und Vé

slawisch: Triglav (dreiköpfig) – Sviatovit, Perun und Radegast

russisch: Die drei Söhne von Mistislaw

ukrainisch: Kii (Gründer von Kiew), Schtschek und Choriw

Drei Schutzgöttinnen

hinduistische: Die Tridevi: Lakshmi, Sarasvati und Parvati

albanerische: Mirat, Oren, Fatien

rumänische: Ursitorile (Drei Feen)

mykenische: Die Potnias (Madonnen)

griechische: Die Moiren: Klotho, Lachesis und Atropos

römische: Die Parzen: Nona, Decuma und Morta

lateinische: Die Carmentes

ligurische: Die Matronae (Muttergottheiten)

keltische: Die Matronen (Matronae Aufaniae)

gallische: Tarvos trigaranus (Die drei Kraniche der Nautensäule)

walisische: Die Morganen

irische: Die Morrioghna, Macha, Morrigan und Badb

arthurische: Die Fee Morgana, die Königin von Northgales,die Königin von Wastelands (Arthurs Tod)

skandinavische: Die Dises – Nornen: Urd („Vergangenheit“), Verdandi („Zukunft“) und Skuld („“Gegenwart“)

slawische: Die Sjudjaje, Sudicky – Rozenica

bulgarische: Oresnici, Narecnitzi

litauische: Die Laima, die Laumes

Matronen, Bildquelle: Wikipedia

Lokale Matrone („Göttinnen im Rheinland“), Frauenmuseum Bonn Foto: mec

Die weiblichen Triaden

In der indoeuropäischen Mythologie und Volkskunde gibt es Göttinnen, die in Dreiergruppen zusammengefaßt sind, um die wesentlichen Prinzipien des Lebens in weiblicher Form darzustellen. Sie werden verehrt, um Unheil und Krankheiten abzuwehren. Als übernatürliche, weibliche Silhouetten sind sie die Vorfahren der Feen und Hexen aus unseren Volksmärchen. Die drei Feen, die sich über die Wiege von Aschenputtel beugen, erinnern also an diese weibliche Triade.

In Indien ist die Tridevi („drei Göttinnen“) das weibliche Pendant zu Trimurti. Sie besteht aus Lakshmi, der Gefährtin von Vishnu und Göttin des Wohlstands, Sarasvati, der Gefährtin von Brahma und Göttin des Wissens, und Parvati, der Gefährtin von Shiva und Göttin der Fruchtbarkeit. Dies sind die drei Hauptgöttinnen des Hinduismus.

In der germanischen Welt:

Die Muttergöttinnen im eigentlichen Sinne werden oft als Relief in der Anzahl von dreien dargestellt. Sie sitzen entweder alle drei mit einem Obstkorb auf dem Schoß oder nur die mittlere sitzt, während die beiden anderen daneben stehen. […] Sie sind großzügige Spenderinnen, die den Menschen und ihren täglichen Sorgen nahe sind. Ihre Anhänger gehörten vor allem den unteren Klassen an. Diese Feststellung reicht aus, um ihre teilweise Verdunklung in der nachrömischen Zeit zu erklären. Ihre Verehrung war auf die Familie ausgerichtet und hatte daher kaum Chancen, in den schriftlichen Quellen beschrieben zu werden. Bei den Angelsachsen begann das Jahr mit Modraniht, der „Nacht der Mütter“. […] Im Norden werden diese Mütter durch die Disen repräsentiert, deren Name mit dem der Dhisanas verwandt ist, den in Indien verehrten Fruchtbarkeitsgöttinnen. Ihre Verehrung hatte ihre Zentren im Südosten Norwegens und in der schwedischen Provinz Ostgotland. (R. Derolez, ›Die Germanen‹)

Quelle: https://arya-dharma.com/2022/01/la-triade-sacree-divinites-indo-europeennes.html