Katehon
Eines der wichtigsten Themen der kommenden Wochen ist die mögliche Intervention Frankreichs und seiner Verbündeten in Niger. Diese Invasion, sollte sie stattfinden, wird unter dem Banner der ECOWAS, der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft, die von pro-französischen Elementen dominiert wird, erfolgen. Der Staat Niger selbst ist mit vielen Ländern eng verbunden, so daß die Folgen einer Invasion zu einer Kettenreaktion in der Region führen könnten.
Ethnosoziologie von Niger
Der Staat Niger hat eine komplexe ethnische und geopolitische Geschichte und Struktur. Seine Bevölkerung setzt sich aus mehreren ethnischen Gruppen zusammen: den Tuareg-Berbern im Norden, den Hausa des nilo-saharischen Zweigs, die sich im Südosten mit den nilo-kongolesischen Fulbe vermischen, und den Jerma, ebenfalls des nilo-saharischen Zweigs, den Songai, die eine wichtige Rolle spielen. Die nomadischen Ethnien im Norden des Niger – die Kanuri, Tihishit und Tasawak – gehören derselben nilo-saharischen Gruppe an.
Während der Kolonialzeit wurde das Gebiet brutal von Frankreich erobert und in Französisch-Westafrika eingegliedert. Doch schon lange vor den französischen Kolonisatoren gab es in dem Gebiet eigene politische Einheiten und sogar Reiche.
Songhai-Völker: die Jerma
Die Songhai-Völker (zu denen auch Jerma gehört) gründeten im 15. und 16. Jahrhundert das Songhai-Reich, das sich auf die Staaten Mali, Niger und Nigeria erstreckte. Das Songhai-Reich trat die Nachfolge des Mali-Reiches an und war eine Zeit lang der Hegemon Westafrikas.
Der Songhai-Staat wurde im Becken des Niger (Ober- und Mittellauf) errichtet und dehnte sich von dort aus in beide Richtungen aus – zunächst nach Norden und Süden und dann, nach Gao, nach Westen und Osten.
Die Sultane von Marokko eroberten das Songhai-Reich 1591. Danach wurde Songai eines der regionalen Fürstentümer, zusammen mit vielen anderen.
Das Songhai-Reich basierte auf einer starren und formalisierten Kastenschichtung, die die Kolonialzeit überdauerte und von den Jerma, Dendi und anderen Völkern bis heute beibehalten wird.
Die Gesellschaften der Songai-Völker bestanden aus drei streng endogamen Kasten. Die erste umfaßte freie Menschen – Häuptlinge (Zarmakoi der Jerma), Herdenbesitzer (Hirten) und Landbesitzer (Bauern). Die oberste Schicht dieser endogamen Gruppe, die ihrerseits in eine Reihe endogamer Clans und Unterkaste unterteilt war, bestand aus den Nachkommen von Sonni Ali, die heute als eine besondere Art von Priestern und Wundertätern (sohanche) gelten. Die zweite Gruppe bestand aus den Angestellten (Handwerker, Schmiede, Musiker, Dichter). Die dritte Gruppe schließlich waren die Sklaven.
Sklaven waren eine erbliche Kategorie, und die Nachkommen von Sklaven wurden ihrerseits zu Sklaven. Nach vier Generationen konnten die Sklaven jedoch den freien Status beanspruchen. Zugleich konnte die abhängige Kaste ihren Status nicht ändern.
Die Kastendifferenzierung bei den Songai-Völkern ist mit einem ausgeprägten und stabilen Patriarchat verbunden, was einen bedeutenden Unterschied zur Kastenschichtung bei den Berbervölkern darstellt, die zwar einige Parallelen zu den Songai aufweist, jedoch Verbindungen zu alten matriarchalischen Mustern beibehält, die im Falle der Songai-Stämme (Jerma usw.) völlig fehlen. Die Nähe zu den Berbern könnte zu einem Austausch einiger kultureller Elemente führen, aber das ursprüngliche nilo-saharische Patriarchat der Songai ist ein charakteristisches Merkmal der Songai.
Es ist bezeichnend, daß die Struktur der Jerma-Hütten – rund und mit spitzen Dächern – die Form der nilotischen Häuser vollständig reproduziert, was nicht so sehr den östlichen Ursprung der Songai als vielmehr die Einheit des kulturellen Typs beweist. Gleichzeitig ist die Jerma-Gesellschaft heute sesshaft, und die Mehrheit der Bevölkerung betreibt Getreideanbau, Obst- und Gartenbau sowie eine weit entwickelte Viehzucht.
Mitglieder der Oberschicht der Jerma betrachten es als Pflicht, ein Pferd zu besitzen, ein Zeichen ihrer Zugehörigkeit zur militärischen Aristokratie. Die Jerma sind kriegerisch veranlagt und haben in der Vergangenheit Nachbarvölker überfallen, Vieh geraubt und Gefangene versklavt, um sie in der Landwirtschaft einzusetzen oder auf Sklavenmärkten zu verkaufen. Der Sklavenhandel war sowohl bei den Songai als auch bei den benachbarten Berbern und Arabern eine traditionelle wirtschaftliche Einrichtung.
Das Volk der Jerma spielte eine wichtige Rolle in der Geschichte des modernen Staates Niger. So war der erste Präsident des Niger nach der Unabhängigkeit Jerma Amani Diori (1916-1989). Im Jahr 1974 wurde er durch einen Militärputsch von einem anderen Jerma, Seyni Kuntche (1931-1987), gestürzt, der Präsident von Niger wurde und dies bis zu seinem Tod blieb.
Salou Djibo (Foto), der 2010 einen Putsch anführte, war ebenfalls ein Jerma.
Heute stellen die Songhai – Jerma und andere – nur noch 21 % der Bevölkerung Nigers. Dennoch kontrollieren sie die wichtigsten politischen Prozesse.
Hausa
Das Volk der Hausa gehört wie die Jerma zur nilo-saharischen Sprachfamilie. Historisch gesehen sind die Hausa eng mit der in Westafrika weit verbreiteten nomadischen nigerkongolesischen Volksgruppe der Fulbe (oder Fulani) verwandt, die eine frühe und wichtige Kraft bei der Verbreitung des Islam unter den negroiden Völkern war.
Das von den Hausa bewohnte Gebiet in Westafrika wird manchmal auch als „Hausaland“ bezeichnet. In der Antike verfügten die Hausa über ein Netz von entwickelten Stadtstaaten, die durch Sprache, Kultur und Handel miteinander verbunden waren. Der größte Teil des Hausalandes liegt heute in Nigeria, aber ein beträchtlicher Anteil der Hausa macht die Bevölkerung des benachbarten Niger aus.
Die Legenden der Hausa führen ihre Ursprünge auf das Aire-Plateau in Zentralniger zurück. Mehrere ethnografische Gruppen der Hausa nennen sich nach den Namen von Staaten, die (in traditioneller Form) existierten oder existieren. So gehören zu den Hausa von Niger die Gobirawa (Stadtstaat Gobir, traditioneller Herrscher ist der Sarkin von Gobira, der auf dem Gebiet von Nigeria lebt), die Katsinawa oder Maradawa (Staat Katsina, der Herrscher ist der Sarkin von Katsina, der von den Fulbe nach Maradi verbannt wurde), die Damagarawa (Sultanat von Damagaram), die Daurawa (Staat Daura), die Konnawa (Stadt Birnin-Konnie), die Aderawa, die Mauri und andere.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die meisten Stadtstaaten im Hausaland von einer islamistischen Fulbe-Armee („Jihad Fulani“) unter der Führung von Usman dan Fodio erobert und dem Kalifat von Sokoto einverleibt. Die Stadtstaaten Maradi und Damagaram befanden sich auf dem Gebiet des Niger. Nach den Eroberungen von Usman dan Fodio begannen die Hausa massenhaft in das Gebiet des heutigen Niger zu ziehen.
Die Hausa sind ein sesshaftes Volk, das sich der Landwirtschaft, dem Kunsthandwerk und dem Handel widmet. Heute stellen die Hausa die Mehrheit der nigrischen Bevölkerung (55 %). Sie leben im Süden des Landes, entlang der Grenze zu Nigeria, von Dogonduchi im Westen bis Zinder im Osten. Die Hausa sind auch in den Regionen Tahoua und Niamey zahlreich vertreten.
Der nigrische Präsident Mahamadou Issoufou (Foto), der von 2011 bis 2021 regierte, war hausaischer Herkunft.
Fulbe
Ein weiteres großes westafrikanisches Volk, die Fulbe, sind in Niger eng mit den Hausa vermischt, und die meisten nigerianischen Fulbe sprechen die Hausa-Sprache. In Hausa-Fulbe-Gesellschaften neigt die Fulbe-Ethnie dazu, einen Adelsstand zu bilden, die Toronkawa (in Nigeria).
In sozialer und kultureller Hinsicht sind die Fulbe mit den Hausa eins. Allerdings sind die meisten Fulbe-Völker über ein großes Gebiet in Westafrika verteilt, von Mauretanien, Gambia, Senegal und Guinea bis nach Kamerun und Sudan.
Die Fulbe-Gesellschaft besteht traditionell aus drei Kasten: den Herrschern, den Rimbbe, den Intellektuellen und Bewahrern des kulturellen Erbes, den Ninbbe, und den Sklaven, den Jayabbe.
Die Fulbe sind Nomaden und Viehzüchter und betrachten das trockene Innere Westafrikas als ihr Territorium, ungeachtet der nationalen Grenzen. Einige Fulbe leben heute in städtischen Gebieten.
Sie machen 8,5 % der Bevölkerung des Landes aus.
Der erste Fulbe-Präsident (Foto) von Niger war Mamadou Tandja (1938-2020).
Tuareg
Der Westen Nigers und ganz allgemein der Norden des Staates werden seit jeher von Angehörigen eines anderen nicht-nigrischen Volkes, den Tuareg, bewohnt.
Die Tuareg sind Nomaden und leben in der gesamten Sahara: die nördliche Hälfte im Südwesten Libyens und im Südosten Algeriens, die südliche Hälfte im westlichen Niger, im Osten Malis und im Norden Burkina Fasos. Das von den Tuareg bewohnte Gebiet ist von der Größe her mit dem eines großen afrikanischen Staates vergleichbar.
Die Tuareg gehören zu den archaischsten Berbervölkern, die sich die ältesten Bräuche und Traditionen bewahrt haben. So verbieten die Tuareg auch heute noch den Männern, ihr Gesicht zu entblößen. Tuareg-Frauen bedecken ihr Gesicht nicht. Frauen genießen in der Tuareg-Gesellschaft eine privilegierte Stellung; das Verwandtschaftssystem ist matrilinear und matrilokal. Viele wichtige Entscheidungen in der Gesellschaft werden von der Mutter des Häuptlings (aminokal) getroffen, die eine große Autorität genießt. Trotz der Ausbreitung des Islam und der damit verbundenen Polygamie ist die Ehe der Tuareg streng monogam.
Die Tuareg haben die alte Berbersprache Tamashek und ein spezielles Schriftsystem, Tifinag, bewahrt, das auf der alten libyschen Schrift basiert.
Aufgrund ihres überwiegend nomadischen und auf Weidewirtschaft basierenden Lebensweise und ihrer nicht-vertikalen soziopolitischen Strukturen hatten die Tuareg nie einen eigenen Staat, sondern haben sich aktiv gegen die Integration in andere bestehende politische Systeme gewehrt. Die Tuareg beherrschen seit jeher die an die Tuareg-Gebiete angrenzenden seßhaften Gesellschaften, überfallen sie regelmäßig, erheben Tribut und versklaven sie (die Tuareg haben eine spezielle Sklavenkaste, die Inclans und Ineden-Schmiede, die sich ethnisch von den Tuareg selbst unterscheiden und aus Schwarzen bestehen). Ein Teil der Tuareg betreibt Ackerbau mit der Hacke. Die Tuareg zeichnen sich auch durch die Gewohnheit aus, Ziegen zu züchten, ein Merkmal der alten matriarchalischen Kulturen.
Während der Gründung von Französisch-Westafrika leisteten die Tuareg den Franzosen den heftigsten Widerstand, der in der Tuareg-Rebellion von 1916-1917 gipfelte. Die Tuareg konnten nur durch Bestechung der Führer einiger einflußreicher Stämme dazu gebracht werden, die französische Autorität anzuerkennen.
Nach der Unabhängigkeit der maghrebinischen und zentralafrikanischen Länder, in denen die Tuareg einen beträchtlichen Anteil der Bevölkerung ausmachten, begann sich das traditionelle Modell des ethnisch-soziologischen Kräftegleichgewichts in der Sahara und die Rolle der Tuareg in diesem Gleichgewicht rasch zu verändern. Dies wirkte sich auf die Lebensweise der Tuareg aus, die Intensität ihres Einflusses nahm ab und die jahrhundertealten Strukturen der Beziehungen zu den Nachbarvölkern wurden gestört.
Allmählich bildeten sich Konzepte des Tuareg-Nationalismus heraus. Sie beruhen auf historischen Vorbildern. So gründeten die Tuareg im Niger 1449 das Sultanat von Agadez. Im Jahr 1500 wurde es vom Songhai-Reich erobert, erlangte aber 1591 seine Unabhängigkeit zurück. Das Sultanat blühte im 17. Jahrhundert auf. Die Franzosen eroberten es 1900, aber die Tuareg leisteten vier Jahre lang Widerstand und erkannten die Legitimität der französischen Herrschaft nie an.
In den westlichen Teilen Nigers sind die Tuareg traditionell stark und machen einen großen Teil der Bevölkerung aus.
In den 1990er Jahren wurden in Niger die ›Forces armées touarègues du désert du Sahara‹ gegründet. Diese Gruppe rebellierte 1990 und setzte ihre militärischen Aktionen gegen die Regierung bis 1995 fort, woraufhin ein Waffenstillstand erreicht wurde. Die Tuareg nahmen ihren Kampf gegen die nigrische Regierung 2007 in Form der nigerianischen Gerechtigkeitsbewegung wieder auf, der sich regierungsfeindliche Gruppen der Fulbe (nigerino-kongolesische Familie) und der Toubou-Nomaden (nilo-saharische Familie) anschlossen. Der Anführer der nigerianischen Gerechtigkeitsbewegung ist ein Tuareg, Agali Ag Alambo.
Zwischen 2007 und 2009 brachen Tuareg-Unruhen nicht nur in Niger, sondern auch im benachbarten Mali aus, da die Tuareg auch in den angrenzenden Gebieten beider Staaten leben. An der bewaffneten Tuareg-Rebellion in Niger waren daher auch malische Tuareg beteiligt, insbesondere einer der einflußreichsten Politiker und Kriegsherren, Ibrahim ag Bahanga.
Im Jahr 2012 nutzten die Tuareg den Staatsstreich in Mali und riefen die Gründung des unabhängigen Staates Azawad im gleichnamigen Gebiet aus. Die Hauptstadt dieses Gebiets ist Tombouctou. Später schwächten die Tuareg ihre Forderungen ab und akzeptierten eine Autonomie und weitreichende Befugnisse innerhalb Malis. In Mali hat sich der Tuareg-Nationalismus am deutlichsten manifestiert, da die Tuareg die Hauptbevölkerung im Norden des Landes sind, politisch jedoch auf staatlicher Ebene kaum vertreten sind.
Im heutigen Niger machen die Tuareg 9 % der Bevölkerung aus und leben hauptsächlich im Norden des Landes, in der Region Agadez (benannt nach dem alten Staat) und im Niger-Tal. Es ist wichtig zu wissen, daß die Tuareg von Niger mit den Tuareg der Nachbarländer Mali, Algerien und Libyen eine einzige Gemeinschaft bilden.
Die Geopolitik des Niger
2021 wurde Mohamed Bazoum, ein arabischstämmiger Politiker aus dem Fezzan, der dem ehemaligen Präsidenten Mahamadou Issouf, dessen Nachfolger er wurde, nahe stand, Präsident von Niger.
Am 26. Juli 2023 wurde Mohamed Bazoum von den Streitkräften Nigers unter der Führung von Brigadegeneral Abdurahmane Tchiani, einem ethnischen Hausa, gestürzt.
Die Rebellen nahmen Mohamed Bazoum gefangen und beschuldigten ihn der Korruption und der Bevorzugung der französischen Kolonialmacht. Gleichzeitig verkündeten die Rebellen einen Weg der Annäherung an die antifranzösischen antikolonialen Regime von Mali und Burkina Faso, der auf eine multipolare Welt und eine Annäherung an Rußland ausgerichtet ist.
Für Frankreich ist der Niger eine wichtige Uranquelle. Paris ist äußerst besorgt um seine Energiesicherheit, die im letzten halben Jahrhundert auf Kosten dieses ärmsten Landes Afrikas aufrechterhalten wurde. Die Lage im Zentrum der Sahelzone macht die nördlichen Regionen Nigers geostrategisch wichtig. Er ist unter anderem eine Karawanenroute für den Transport von Gold, Drogen, Waffen, Schwarzarbeitern und terroristischen Gruppen, die ganz Afrika destabilisieren. So gelangen beispielsweise Drogen über Niger und die nördlichen Regionen Malis nach Europa, wo die französischen Behörden seit 2013 den Zugang zu den lokalen Behörden verhindern. In der gleichen Region befindet sich in Agadez ein US-Militärstützpunkt mit einem Flugplatz, der militärische Transportflugzeuge aufnehmen kann.
Weder die USA noch Frankreich beabsichtigen, ihre Truppen aus Niger abzuziehen. Zumindest gibt es keine offiziellen Erklärungen in diesem Sinne. Die Erfahrungen im benachbarten Mali legen jedoch nahe, daß die Präsenz des französischen Militärs nach der Konsolidierung der neuen Regierung in Frage gestellt werden könnte.
Die Möglichkeit einer militärischen Intervention Frankreichs und seiner Verbündeten in Niger bleibt bestehen.
Neben der Wiedereinsetzung des „rechtmäßigen“ Präsidenten Bazoum könnte auch die Sicherheitslage ein Vorwand für eine Intervention sein. Nach dem Sturz des pro-französischen Präsidenten sind die in Rußland verbotenen Dschihadisten des Islamischen Staates in Niger aktiver geworden. Gleichzeitig kündigte der ehemalige Tuareg-Rebellenführer Rissa Ag Boula die Gründung des „Widerstandsrates für die Republik“ (CRR) und den Beginn des Kampfes gegen die nigrische Armee an. Die Tuareg-Rebellen sind in den letzten Jahren sowohl in Algerien als auch in Mali in Erscheinung getreten, was mit der Verschlechterung der Beziehungen dieser Länder zu Frankreich zusammenfiel.
Sollte es zu einem militärischen Eingreifen Frankreichs und seiner Verbündeten kommen, wird dies mit Versuchen einhergehen, die Sahelzone mit Hilfe von Tuareg- und dschihadistischen Faktoren zu destabilisieren. Fulani- und Tuareg-Gruppen dienen derzeit als Basis für extremistische Bewegungen in der Region, insbesondere der Islamische Staat in der Großsahara, ein in Rußland verbotener Ableger von ISIS, und eine ebenfalls in Rußland verbotene Koalition al-Qaida-treuer Gruppen (JNIM), die von dem ehemaligen Tuareg-Nationalisten Iyad Ag-Ghali geführt wird. Aber auch ohne Intervention könnten externe Kräfte versuchen, die Instabilität in Niger zu schüren, was zu einer Eskalation der Spannungen in der gesamten Sahelzone führen könnte, in der dieselben Bevölkerungsgruppen und grenzüberschreitenden Gruppen aktiv sind.
Die Intervention der NATO in Libyen im Jahr 2011 hat nicht nur die territoriale Integrität des Landes für ein Jahrzehnt untergraben, sondern es auch zu einer Hochburg des Extremismus und der Kriminalität gemacht. Die von Muammar Gaddafis Truppen aus Libyen vertriebenen Tuareg wurden 2012 zur treibenden Kraft hinter dem Aufstand im Norden Malis, dem sich später auch Dschihadisten anschlossen. Die Destabilisierung Libyens führte zu einer Destabilisierung der Sahelzone, und Frankreichs Vorgehen gegen Dschihadisten stärkte lokale Separatistengruppen, die in Mali und Niger zahlreich sind. Sollten die Regionalmächte Mali, Burkina Faso und Algerien versuchen, Niger zu destabilisieren und sich in seine Angelegenheiten einzumischen, muß man damit rechnen, daß sich der Konflikt zu einem größeren Krieg in der Sahelzone ausweitet. Dies wiederum wird sich auf die Lage in ganz West- und Nordafrika auswirken.
Theoretisch kann die Bedrohung beseitigt werden, wenn Niger sich neuen Partnern zuwendet. Das könnten natürlich Rußland und die PMC Wagner sein, die sich in der Zentralafrikanischen Republik und in Mali bewährt haben. Aber auch die Türkei versucht aktiv, sich in der Region zu etablieren. Ankara baut Beziehungen zu Ländern auf, die Niger angesichts einer möglichen Intervention unterstützen – Mali und Burkina Faso – und hat sich bereits gegen eine Intervention in Niger ausgesprochen. Es sei darauf hingewiesen, daß Burkina Faso ein wichtiger Abnehmer von türkischen Militärprodukten ist.