Savitri Devi

– Auszug –

Zeitlose Vollendung und zyklische Evolution

Die zyklische Schau der Geschichte
Diese Schau war bei den Völkern des Altertums als Deutung des Lebens stets lebendig und die Weisen wußten immer um die Fragwürdigkeit des augenfälligen Fortschritts, wie um das Unausweichliche ihres Untergangs und eines neuen Anfangs in einem kosmischen Zyklus.

Wir glauben – im Unterschied zum Christentum -, daß die Fähigkeit, das Göttliche widerzuspiegeln, gebunden ist an die Rasse, das Blut, die körperliche Beschaffenheit, mit anderen Worten, dass der Geist vom Körperlichen abhängig ist. Es ist leichter, Gebildete zu Versklaven als Analphabeten, die sich ihr selbständiges Denken bewahrt haben.

Der sogenannte Fortschritt wird in seinen demoralisierenden Aspekten demaskiert. Auf diese Weise wird jedoch das Kommen von Kalki, dem göttlichen Zerstörer des Übels, unabwendbar vorbereitet, der kosmischen Ordnung gemäß, um ein neues Goldenes Zeitalter vorzubereiten.

Zeit und Gewalt
Im Goldenen Zeitalter war Gewalt zur Aufrechterhaltung der göttlichen Ordnung nicht nötig. Sie wurde es, als im Zeitablauf das Dunkle erstarkte und eine Verteidigung sie rechtfertigte.

Männer der Zeit, über der Zeit und gegen die Zeit
Männer der Zeit werden beschrieben als Menschen mit außerordentlichen Fähigkeiten begabt, obwohl im eigentlichen Sinne ungeistig, doch durch ihren Charakter in ungewöhnlicher Weise die Zeit prägend. Sie brauchen keine Rechtfertigung für ihr Handeln durch eine Religion oder Philosophie, aber sie wissen, was sie wollen und wie sie es machen müssen. In ihrer Größe haben sie etwas Göttergleiches, doch sind sie Elementarkräften gleich, die unwissend den Gesetzen des Kosmos folgen. Als Prototyp dieser Männer ist Dschingis Khan anzusehen – der gottgewollte Zerstörer.

Doch es gibt auch Menschen „über der Zeit”, die scheinbar keine Rolle spielen im raschen Ablauf der Geschichte zur Auflösung und Tod, die, obwohl mächtig, sich jede Gewalt versagen. Ihr handeln ist sonnengleich: es liegt in ihrer persönlichen Ausstrahlung, ihrer Schönheit und Güte. Als solcher ist Echnaton zu bewerten.
So wenig sie ihre Zeit zu prägen vermögen, so ist ihr Einfluß in den Seelen der Menschen doch zeitlos nachwirkend.

Die Beziehung zwischen dem Meister, der „über der Zeit” steht und dem Realisten „in der Zeit”, dem Errichter und Verteidiger aller Kirchen, ist in einzigartiger Weise in Dostojewskis „Der Großinquisitor‘ aus dem Roman „Die Brüder Karamasow“ dargestellt. Der Großinquisitor als Mann „in der Zeit” rechtet mit dem Christus, dessen Lehren über der Zeit stehen, weil es um ewige Werte geht.

Fjodor Dostojewski: Grossinquisitor. Zeitgenössisches Porträt von Papst Pius V. (1566 bis 1572). Er war Dominikaner, wurde 1557 Kardinal und 1558 Großinquisitor

Aber keine Organisation kann „außerhalb”–“„über der Zeit” leben. Das wissen alle Männer „in der Zeit”. Um aber die ewigen Wahrheiten in die Zeit hineinwirken zu lassen, bedarf es der Gewalt, müssen sie gewalttätig, gnadenlos sein. Darin liegt die Tragödie und Widersprüchlichkeit, den Traum von Vollendung in die Wirklichkeit zu holen.
Das geschieht entweder zu früh oder zu spät.

Der Mann „über der Zeit” ist der Erste, der das erkennt. Er hat entweder Anhänger oder er steigt selbst in die Arena hinunter und wird so zum Mann „in der Zeit”. Dann ist sein Leben ganz auf diese Vision ausgerichtet.

Menschen „in der Zeit” sind dem Blitz vergleichbar und Menschen „außerhalb” oder „über der Zeit der Sonne.
Menschen „gegen die Zeit haben Anteil an beiden Aspekten, denn sie sind inspiriert von den Idealen des „Goldenen Zeitalters” in seiner zeitlosen Wahrheit und andererseits lebend und kämpfend, um diese Ideale auf dem materiellen Feld zu verwirklichen. Yogis im Geiste – Krieger der Tat.

Dschingis Khan, von etwa 1160 bis etwa 1227

Der Blitz – Dschingis Khan

Das Kind der Gewalt
Wie das physische Universum ein Meisterwerk des göttlichen Schöpferwillens im Weltenraum, so ist die Geschichte jedes Zyklus eines von unpersönlicher Kunstfertigkeit im Zeitenablauf. Niemand kann die Wichtigkeit erkennen, bevor sie nicht der unabdingbare Bestandteil der Historie geworden sind, die, im Ganzen betrachtet, ihrem „Jüngsten Gericht“ in vollkommener Ordnung zustrebt. Solch ein Geschehen war der Raub der Mutter aus einer Jurte der Mongolei und die Geburt des Dschingis Khan.

Der Wille zum Überleben
Er kam nur mit dem Willen zum Überleben zur Welt – wurde über ihn geschrieben – und alle seine Handlungen entsprangen diesem einzigen Grundprinzip. Ohne Eitelkeit strebte er seinen Machtzielen zu, als Geißel Gottes.

Der Wille zu erobern
Ein Schamane sagt über diesen Willen zum Erobern: „weil die Macht des Ewigen blauen Himmels‹ zu ihm herabgestiegen ist,” … besser kann das Übernatürliche dieses Mannes in seinem Wirken nicht beschrieben werden. Auf die genauesten und langwährenden Planungen folgten mit blitzartiger Schnelligkeit seine Feldzüge, und das mit einer Grausamkeit ohnegleichen, der Millionen Abgeschlachteter zum Opfer fielen. Den Willen zum Erobern vererbte er seinen Sohnen, als er mit 70 Jahren starb.

Dschingis Khan und seine Erben (Ausstellungskatalog), München 2005, S. 255)

Von der Donau zum Gelben Meer
Doch auch in seinen Generalen, in allen Mongolen lebte etwas von diesen Geist, dem schließlich Rußland und halb Europa erlag, bis nach der Schlacht von Liegnitz eine Botschaft aus Asien die Mongolen zurückrief. Doch es war ein Weltreich entstanden, wie es nie zuvor je bestanden hat, das unter einer strikten Ordnung zusammengehalten wurde, die derart streng eingehalten wurde, daß „eine Jungfrau mit Goldschmuck beladen vom Asowschen Meer bis nach Peking reisen konnte, ohne behelligt zu werden”. Ebenso hielten sie es mit der religiösen Toleranz und ahndeten Streitigkeiten im engsten Bereich mit der Todesstrafe.

Der „Mongolische Friede” wurde durch seine Repräsentanten sichergestellt, auf die der große Staat ausgerichtet war: die direkten Nachkommen des Dschingis Khan.

Dieses Staatsgebilde zerfiel, als die Nachkommen Frauen der Besiegten in ihre Familie aufnahmen, wodurch die Gesetze des Dschingis Khan verwässert wurden.

Echnaton, 1372 bis 1336 v.d.Z.

Die Sonne – Echnaton

Das schöne Kind der lebenden Sonne
In das uralte Äypten kam eine Prinzessin aus Mesopotamien – arischen Geblüts und rassestolz –, deren Vater sich dem agyptischen Werben sechsmal verweigert hat, bis er, wohl aus politischen Rücksichten, sie dem ägyptischen Prinzen zur Frau gab. Deren Sohn heiratete die Tochter eines Priesters, der vermutlich arisch-syrischer Herkunft war. So lebte in beiden, dank ihrer Abstammung etwas vom Wissen der Arier, die die Sonne als geistiges Zentrum anbeteten. Ihr Sohn war Echnaton.

Wärme und Licht (als strahlende Energie) in der Scheibe (Sonne) = Echnaton
Als er mit 18 Jahren die Macht übernahm, obschon König mit 12, unterzeichnete er mit dem Namen „Aton” (=Sonnenscheibe), zum Unwillen der Priester, die bis dahin Macht und ihr Wissen auf andere Götter bezogen. Seine Gottesvorstellung ging über alles Persönliche hinaus ausgeweitet, zu einer grenzenlosen, unbegreifbaren Kraft, als die das Göttliche bei den alten Germanen angesehen wurde, einer Vorstellung, der man sich heute von wissenschaftlicher Seite wieder nähert.

Er lebte in Frieden und Liebe zu allem Geschaffenen als ein Mensch des Goldenen Zeitalters. Es gab keine Gebotstafel, die seiner Lehre hätte Dauer verleihen können, aber unter den Zeugnissen seiner jungen Königsherrschaft findet sich das folgende: Du hast alle Menschen geschaffen und auf ihren Platz gesetzt, Du begrenzest ihr Leben. Du gabst jedem das Seine, berechnetest die Länge seiner Jahre. Du hast sie geschaffen in unterschiedlicher Form, in der Farbe ihrer Haut und in ihrer Sprache. Als Unterscheidender hast Du die sich fremden Menschen voneinander geschieden.

Diese Unterschiedenheit anerkennt er als Sonnen-Erzeugnis, als von Gott gewollt und somit grundsätzlicher Art. Darin lag für ihn nichts von Feindschaft gegeneinander, entsprechend dem Denken des Goldener Zeitalters. Seine Auffassung von der Wahrheit war im letzten wissenschaftlich, modern in unserem Sinne:  „über der Zeit”.

Echnaton und Nofretete empfangen die Strahlen von Aton

Der Sitz der Wahrheit
Weil Echnaton ganz in dieser Wahrheit lebte, machte er seine rein persönliche Überzeugung zu einer Staatsreligion, zumal es seit altersher üblich war, daß das Staatsoberhaupt göttergleich und damit Oberpriester war. So verstand er das Leben in seinem Staat als ganz in der göttlichen Ordnung stehend, in absoluter Harmonie mit dem Kosmos.

Weil die in der Tradition verhafteten Priester ihm in seiner Auffassung nicht folgen konnten – sie verloren ihre eigentliche Funktion als Mittler – mußten sie ihn bekämpfen, zumal er ihren Reichtum angriff. So nahe fühlte er sich dem Goldenen Zeitalter, daß er alles tat, um es im voraus in seinem Staat zu verwirklichen.

In der Realität sah es aber anders aus –  so sehr er sich auch bemühte –; denn ihn umgaben Menschen eines anderen, des Dunklen Zeitalters. In seiner unkämpferischen Einstellung kümmerte er sich nicht um die dringendsten politischen Belange, so daß nach seinem Tod auch der Staat zerfiel.

Zu spät und zu früh
Die Tragik Echnatons liegt vor allem darin, daß er zeitlich viel zu weit entfent ist vom Goldenen Zeitalter, denn seine Zeit, aus unserer heutigen Sicht betrachtet, liegt genau zwischen dem vergangenen und einem neuen Goldenen Zeitalter. Schon im Silbernen Zeitalter, das dem Goldenen folgte, setzte der Niedergang ein, der zu Echnatons Zeit schon voll im Gang war – freilich noch nicht bis zum heutigen Stand gediehen.

Kriege und Kämpfe wurden nicht mit Lügen geführt, sondern man sagte frei, worum es ging. Heute am Ende des Dunklen Zeitalters ersticken wir an Lügen, die sich auf alle Bereiche erstrecken, vor allem im Geistigen. So haben wir eine Religion, ein Christentum, das völlig wider die göttliche Natur des Menschen konzipiert ist.

Zwischen den Zeiten stehend, „über der Zeit” war sein Auftreten historisch gesehen, nutzlos, aber menschheitlich-geistesgeschichtlich gesehen ein Fanal.

Savitri Devi, 30.09.1905 bis 22.10.1982