Antworten von Guillaume Faye auf Fragen im Rahmen der Nietzsche-Akademie (3. Juni 2012)
Welche Bedeutung hat Nietzsche für Sie?
Die Lektüre von Nietzsche bildete die Ausgangsbasis für alle Werte und Ideen, die ich später entwickelte. Als ich 1967 bei den Jesuiten in Paris Philosophie studierte, geschah etwas Unglaubliches. In dieser Hochburg des Katholizismus hatte der Philosophielehrer beschlossen, das ganze Jahr über nur Nietzsche zu unterrichten! Descartes, Kant, Hegel, Marx und die anderen wurden nicht berücksichtigt. Die „guten Patres“ wagten es nicht, trotz dieser Lehrplanumstellung etwas zu sagen. Das hat mich geprägt, glauben Sie mir.
Nietzsche oder die Hermeneutik des Argwohns… So kam es, daß ich mich schon in jungen Jahren von der christlichen, oder besser gesagt christianomorphen Weltanschauung distanzierte. Und natürlich im gleichen Atemzug auch vom Egalitarismus und Humanismus. Alle Analysen, die ich später entwickelte, wurden von Nietzsches Einsichten inspiriert. Aber es lag auch in meiner eigenen Natur. Später, viel später, sogar erst vor kurzem, habe ich verstanden, daß man die Prinzipien Nietzsches durch die von Aristoteles ergänzen muß, dem guten alten Griechen mit dem apollinischen Blick, Schüler eines Platon, den er respektierte, aber verleugnete.
Für mich gibt es ein klares philosophisches Phylum zwischen Aristoteles und Nietzsche: die Ablehnung der Metaphysik und des Idealismus sowie – als Hauptpunkt – die Anfechtung der Idee der Gottesherrschaft. Nietzsches „Gott ist tot“ ist nur der Kontrapunkt zu Aristoteles’ Auffassung Gottes als des „unbewegten Bewegers“, der einem mathematischen Prinzip gleicht, das das Universum regiert.
Aristoteles und Nietzsche waren die einzigen, die im Abstand von vielen Jahrhunderten das Nichtvorhandensein eines selbstbewußten Göttlichen konstatierten, ohne dabei das Heilige abzulehnen, das dann allerdings zu einer rein menschlichen Verherrlichung wurde, die sich auf Politik oder Kunst stützte.
Dennoch haben sich christliche Theologen nie an Aristoteles gestört, sondern vielmehr an Nietzsche. Warum ist das so? Weil Aristoteles vorchristlich war und die Offenbarung nicht kennen konnte. Wohingegen Nietzsche, als er das Christentum angriff, genau wußte, was er tat. Dennoch ist das vom Christentum vorgebrachte Argument gegen diesen de facto-Atheismus nicht von der Hand zu weisen und wäre eine gute philosophische Debatte wert: Der Glaube gehört in einen anderen Bereich als die Gedankenwelt der Philosophen und bleibt ein Geheimnis. Ich erinnere mich, als ich bei den Jesuiten war, an spannende Debatten zwischen meinem atheistischen, nietzscheanischen Philosophielehrer und den spöttisch- toleranten, von sich eingenommenen braven Patres (seinen Arbeitgebern).
Welches Buch von Nietzsche würden Sie empfehlen?
Das erste Buch, das ich gelesen habe, war ›Die fröhliche Wissenschaft‹. Das war ein Schock. Und dann natürlich alle weiteren, insbesondere ›Jenseits von Gut und Böse‹, wo Nietzsche die manichäischen moralischen Regeln, die aus dem Sokratismus und dem Christentum hervorgegangen sind, über den Haufen wirft. Der ›Antichrist‹ wiederum, das muß man wissen, hat den gesamten antichristlichen Diskurs des rechten Neuheidentums inspiriert, an dem ich mich natürlich weitgehend beteiligt habe.
Aber man muß anmerken, daß Nietzsche, der lutherisch erzogen wurde, gegen die pure christliche Moral, die der deutsche Protestantismus repräsentiert, rebellierte, aber er hat nie wirklich die Frage der traditionellen katholischen und orthodoxen Religiosität und des Glaubens untersucht, die von der säkularisierten christlichen Moral ziemlich abgekoppelt sind.
Seltsamerweise hat mich ›Also sprach Zarathustra‹ nie begeistert. Für mich ist es ein ziemlich verwirrendes Werk, in dem Nietzsche sich für einen Propheten und Dichter hält, der er nicht ist. Ein bißchen wie Voltaire, der sich für besonders schlau hielt, indem er die Tragödien von Corneille nachahmte. Voltaire, ein Autor, der im übrigen Ideen ausbrütete, die dieser „Philosophie der Aufklärung“, die Nietzsche ( allzu einsam) pulverisiert hat, völlig entgegengesetzt waren.
Nietzscheaner sein, was bedeutet das?
Nietzsche hätte diese Art von Frage nicht gefallen, er, der keine Jünger wollte, obwohl… (die sehr komplexe Figur war nicht frei von Eitelkeit und Frustrationen, genau wie Sie und ich). Fragen wir stattdessen: Was bedeutet es, Nietzsches Prinzipien zu folgen? Es bedeutet, mit den sokratischen, stoischen und christlichen und später modernen Prinzipien des menschlichen Egalitarismus, des Anthropozentrismus, des universellen Mitleids und der universalistischen utopischen Harmonie zu brechen. Das bedeutet, die mögliche Umkehrung aller Werte (Umwertung) zu Ungunsten der humanistischen Ethik zu akzeptieren.
Nietzsches gesamte Philosophie beruht auf der Logik des Lebendigen: Selektion der Stärksten, Anerkennung der Lebenskraft (Erhaltung der Blutlinie um jeden Preis) als höchsten Wert, Abschaffung dogmatischer Normen, Streben nach historischer Größe, Denken der Politik als eine ästhetische Angelegenheit, radikaler Ungleichheitssinn etc.
Deshalb sind alle selbsternannten, vom System reichlich alimentierten Denker und Philosophen, die sich mehr oder weniger als Nietzscheaner bezeichnen, Betrüger. Dies hat der Schriftsteller Pierre Chassard sehr gut verstanden, der als guter Kenner die „Nietzsche-Verwerter“ anprangerte.
Es ist in der Tat sehr modern, sich als „Nietzscheaner“ zu bezeichnen. Sehr merkwürdig von Publizisten, deren politisch korrekte und wohlfeile Ideologie der Philosophie von Friedrich Nietzsche völlig zuwiderläuft. In Wirklichkeit haben die Pseudo-Nietzscheaner eine schwere philosophische Verwechslung begangen: Sie haben sich zwar gemerkt, daß Nietzsche ein Herausforderer der etablierten Ordnung war, aber sie taten so, als hätten sie nicht verstanden, daß es sich dabei um ihre eigene Ordnung handelte: den Egalitarismus, der aus einer säkularisierten Interpretation des Christentums hervorgegangen ist.
Christianomorph von innen und von außen. Aber sie glaubten (oder gaben vor zu glauben), Nietzsche sei eine Art Anarchist, obwohl er eine unerbittliche neue Ordnung predigte. Nietzsche war nicht, wie seine Verwerter, ein Pantoffel-Rebell, ein Scheinrevoluzzer, sondern ein revolutionärer Visionär.
Ist der Nietzscheanismus rechts oder links?
Dummköpfe und Gelegenheitsdenker (vor allem auf der rechten Seite) haben immer behauptet, daß die Begriffe rechts und links keinen Sinn ergeben. Was für ein düsterer Irrtum. Auch wenn die praktischen Positionen der Rechten und der Linken unterschiedlich sein mögen, existieren rechte und linke Werte sehr wohl.
Der Nietzscheanismus ist natürlich „rechts“. Nietzsche verabscheute die sozialistische Mentalität, die Herdenmoral. Das bedeutet aber bei weitem nicht, daß rechtsextreme Menschen Nietzscheaner sind. Sie sind zum Beispiel pauschal antijüdisch, eine Position, die Nietzsche in vielen seiner Texte und in seinem Briefwechsel gegeißelt und für dumm befunden hat, wo er sich von antisemitischen Bewunderern abgrenzte, die ihn absolut nicht verstanden hatten.
Der Nietzscheismus ist natürlich „rechts“, und die Linke, die sich immer in der Position der intellektuellen Prostitution befindet, hat versucht, Nietzsche zu neutralisieren, weil sie ihn nicht zensieren konnte. Um es kurz zu machen, würde ich sagen, daß eine ehrliche Interpretation Nietzsches auf der Seite der revolutionären Rechten in Europa angesiedelt ist, wobei wir diesen Begriff der Rechten mangels eines besseren nehmen (wie jedes Wort beschreibt er die Sache nur unvollkommen).
Nietzsche integrierte wie Aristoteles (und übrigens auch wie Platon, Kant, Hegel und natürlich Marx – aber ganz und gar nicht Spinoza) das Politische zutiefst in sein Denken. So war er zum Beispiel in einer geradezu fantastischen Vorahnung für eine Vereinigung der europäischen Nationen, genau wie Kant, aber aus einer ganz anderen Perspektive.
Kant, ein Pazifist und Universalist, ein unverbesserlicher utopischer Moralist, wollte die europäische Einheit, wie sie heute existiert: einen großen weichen Körper ohne souveränen Kopf mit den Menschenrechten als übergeordnetem Prinzip.
Nietzsche hingegen sprach von der Großen Politik, dem großen Plan für ein vereintes Europa. Im Moment setzt sich die kantische Vision durch, zu unserem Unglück. Andererseits kann man zumindest sagen, daß Nietzsche kein Pan-Germanist, kein deutscher Nationalist, sondern vielmehr ein europäischer Nationalist – und Patriot – war. Das war bemerkenswert für einen Mann, der in einer Zeit lebte, der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts („Dieses dumme 19. Jahrhundert“, sagte Léon Daudet), in der sich wie ein tödliches Gift die kleinen, schäbigen, innereuropäischen, brudermörderischen Nationalismen verschärften, die zu der abscheulichen Tragödie von 14-18 führen sollten, in der junge Europäer zwischen 18 und 25 Jahren sich gegenseitig abschlachteten, ohne genau zu wissen, warum sie das taten.
Nietzsche, der Europäer, wollte alles, nur nicht ein solches Szenario. Deshalb irren sich diejenigen, die Nietzsche (in den 1930er Jahren) als Ideologen des Germanismus instrumentalisierten, genauso wie diejenigen, die ihn heute als vorzeitigen Linken darstellen. Nietzsche war ein europäischer Patriot und stellte den eigentlichen Genius der deutschen Seele in den Dienst jener europäischen Macht, deren Niedergang er als Visionär bereits spürte.
Welche Autoren sind in Ihren Augen Nietzscheaner?
Nicht unbedingt diejenigen, die sich auf Nietzsche berufen. In Wirklichkeit gibt es keine Autoren, die im eigentlichen Sinne „Nietzscheaner“ sind. Nietzsche und andere sind einfach Teil einer sehr beweglichen und komplexen Strömung, die man als „Rebellion gegen die vorgegebenen Prinzipien“ bezeichnen könnte. In diesem Punkt bleibe ich bei der These des italienischen Denkers Giorgio Locchi, der einer meiner Lehrer war: Nietzsche hat den Surhumanismus, d. h. die Überwindung des Humanismus, eingeleitet. Ich werde es dabei belassen, denn ich werde hier nicht wiederholen, was ich in einigen meiner Bücher, insbesondere in ›Wofür wir kämpfen‹ entwickelt habe.
Man könnte sagen, daß es bei einer großen Anzahl von Autoren oder Filmemachern „Nietzscheanismus“ gibt, aber solche Aussagen sind sehr oberflächlich. Ich glaube hingegen, daß es eine sehr starke Verbindung zwischen Nietzsches und Aristoteles‘ Philosophie gibt, trotz der Jahrhunderte, die zwischen ihnen liegen. Zu sagen, daß Aristoteles Nietzscheaner war, wäre natürlich ein uchronistischer Gag. Aber zu sagen, daß Nietzsches Philosophie die Philosophie von Aristoteles, dem mißratenen Schüler Platons, fortsetzt, das ist die Hypothese, die ich riskiere. Das ist der Grund, warum ich sowohl Aristoteliker als auch Nietzscheaner bin: weil beide Philosophen den Grundgedanken vertreten, daß die supranaturale Gottheit auf ihre Substanz hin untersucht werden muß.
Nietzsche wirft einen kritischen Blick auf die Göttlichkeit, der aristotelisch geprägt ist. Die meisten Autoren, die sich als Bewunderer Nietzsches bezeichnen, sind Betrüger. Paradox: Ich stelle eine Verbindung zwischen Darwinismus und Nietzscheismus her. Diejenigen, die Nietzsche wirklich interpretieren, werden von den ideologischen Manipulatoren beschuldigt, keine echten „Philosophen“ zu sein. Eben jene, bei denen Nietzsche – sehr peinlich – das Gegenteil von dem aussagt, was er eigentlich gesagt hat.
Diese Vereinnahmung der Philosophie durch eine Kaste von Mandarins, die eine Verzerrung der Texte der Philosophen, ja sogar eine Zensur vornehmen, muß angeprangert werden. Auch Aristoteles fiel dieser Vorgehensweise zum Opfer: Einen Nietzsche und andere Philosophen könne man nur durch ein gelehrtes Raster lesen, das dem gemeinen Volk nicht zugänglich ist. Aber das ist nicht der Fall. Nietzsche ist sehr gut lesbar, für jeden gebildeten und vernünftigen Menschen. Aber unsere Zeit kann ihn nur durch das Raster einer Zensur durch Auslassungen lesen.
Könnten Sie eine Definition des Übermenschen geben?
Nietzsche hat absichtlich eine vage Definition des Übermenschen gegeben. Es ist ein offener, aber dennoch expliziter Begriff. Natürlich haben sich die pseudo-nietzscheanischen Intellektuellen beeilt, dieses Konzept abzuschwächen und zu entminen, indem sie aus dem Übermenschen eine Art wolkigen, abgehobenen, überlegenen, meditativen, quasi-buddhistischen Intellektuellen gemacht haben, der dem aufgeblasenen Bild entspricht, das sie von sich selbst vermitteln wollen. Kurzum, das genaue Gegenteil von dem, was Nietzsche meinte. Ich bin dafür, die Autoren nicht zu interpretieren, sondern sie zu lesen, und wenn möglich, aus Respekt, in der ersten Instanz.
Nietzsche verknüpfte den Übermenschen offensichtlich mit dem Begriff des Willens zur Macht (der ebenfalls manipuliert und verzerrt wurde). Der Übermensch ist das Modell dessen, der den Willen zur Macht erfüllt, d. h. der sich über die Moral der Herde erhebt (und Nietzsche zielte auf den Sozialismus, eine Herdenlehre), um selbstlos eine neue Ordnung mit einer doppelten Dimension von Kriegertum und Souveränität durchzusetzen, mit einem beherrschenden Ziel, das mit einem Machtentwurf ausgestattet ist.
Die Interpretation des Übermenschen als höchsten „Weisen“, als ätherischen Gewaltlosen, gewissermaßen ein Vor-Gandhi, ist eine Dekonstruktion von Nietzsches Denken, um es zu neutralisieren und zu verflachen. Die Pariser Intelligenzia, deren Markenzeichen der falsche Geist ist, hat dieses perverse und sophistische Talent, entweder das Denken großer, unumgänglicher, aber unbequemer Autoren (einschließlich Aristoteles oder Voltaire) zu verzerren, oder aber sich unberechtigterweise auf sie zu berufen, indem sie ihre Gedanken verstümmeln.
Es gibt zwei mögliche Definitionen des Übermenschen: den geistigen und moralischen Übermenschen (durch Evolution und Erziehung, indem er seine Vorfahren überwindet) und den biologischen Übermenschen. Es ist sehr schwierig, eine Entscheidung zu treffen, da Nietzsche selbst diesen Ausdruck nur als eine Art Mythem, als literarischen Geistesblitz, verwendet hat, ohne ihn jemals wirklich zu konzeptualisieren. Eine Art vorausschauender Terminus, der vom darwinistischen Evolutionismus inspiriert war.
Aber, Ihre Frage ist sehr interessant. Es geht nicht darum, eine Antwort „über Nietzsche“ zu haben, sondern zu wissen, welchen Weg Nietzsche vor mehr als hundert Jahren eröffnen wollte. Nietzsche glaubte nicht, da er Antihumanist und ein A-Christ war, daß der Mensch ein festes Wesen sei, sondern daß er der Evolution, ja sogar der Selbstevolution unterworfen sei (das ist die Bedeutung der Metapher von der „Brücke zwischen der Bestie und dem Übermenschen“).
Was mich betrifft (aber hier weiche ich von Nietzsche ab und meine Meinung besitzt keinen immensen Wert), so habe ich den Surhumanismus so interpretiert, daß er aus teils biologischen Gründen den Begriff der menschlichen Spezies selbst in Frage stellt. Wie auch immer. Dieser Begriff des Übermenschen ist sicherlich, viel mehr als der des Willens zur Macht, eine dieser mysteriösen Fallen, die Nietzsche uns gestellt hat, eine der Fragen, die er der zukünftigen Menschheit gestellt hat.
Ja, was ist der Übermensch? Allein dieses Wort läßt uns träumen und delirieren. Der Übermensch hat keine Definition, da er noch nicht definiert ist. Der Übermensch ist der Mensch selbst. Nietzsche hatte vielleicht die Intuition, daß die menschliche Spezies, zumindest einige ihrer höheren Komponenten (nicht unbedingt „die Menschheit“), die biologische Evolution beschleunigen und lenken könnte.
Eine Sache ist sicher, die das fixierende monotheistische Denken in Anthropozentrik zermalmt: Der Mensch ist keine Essenz, die sich der Evolution entzieht. Und außerdem sollten wir nie vergessen, dem Konzept des Übermenschen das Konzept des Führungsvolkes hinzuzufügen… ahnungsvoll.
Andererseits dürfen wir Nietzsches Überlegungen zur Frage der Rassen und der anthropologischen Ungleichheiten nicht vergessen. Die Vereinnahmung von Nietzsches Werk durch Pseudo-Wissenschaftler und Pseudo-Philosophiekollegs (vergleichbar mit der Vereinnahmung des Werks von Aristoteles) läßt sich durch folgende sehr einfache Tatsache erklären: Nietzsche ist ein zu großer Fisch, um entsorgt zu werden, aber viel zu subversiv, um nicht verzerrt und zensiert zu werden.
Ihr Lieblingszitat von Nietzsche?
Es muß jetzt Schluß sein mit jeder Art von Scherz.
Das bedeutet vorausschauend, daß die Werte, auf denen die westliche Zivilisation beruht, nicht mehr akzeptabel sind. Und daß das Überleben von einer Umkehrung oder Wiederherstellung der lebenswichtigen Werte abhängt. Und daß all dies das Ende des ›Festivalismus‹ (ein von Phillipe Muray geprägter und von Robert Steuckers weiterentwickelter Begriff) und die Rückkehr zu ernsten Dingen voraussetzt.
Quelle: https://www.terreetpeuple.com/philosophie-reflexion-72/5624-nietzsche-vu-par-guillaume-faye.html
Wir empfehlen in diesem Zusammenhang das Buch von Dietrich Schuler aus unserem Verlag ›Ahnenrad der Moderne‹
Die ideologische Uminterpretation universalistisch-liberalen Gesindels, die bereits in der Verleugnung der Ordnung Nietzsches letzter Gedanken durch seinen engsten Freund Heinrich Köselitz (Peter Gast) und seiner Schwester, also der Schrift „Der Wille zur Macht“, mündet, entstellt das Werk wie schon aller großen Persönlichkeiten zuvor. Es ist bezeichnend, dass die Öffentlichkeit versucht, alles mit großem Wiederhall Geschriebene und Gesagte in ihr Weltbild zu drängen und sich in Schulen zu scharen. Die nüchterne und ehrliche Betrachtung ist wahrlich eine Seltenheit. Ich gehe mit René Descartes:
„Glaubt nie, dass die Dinge, von denen man euch versichert, sie machen meine Lehre aus, von mir stammen; schreibt mir nur das zu, was ihr aus meinem Munde vernehmt“ (I, 201 u. III, 30; Cousin‘ elfbändige Gesamtausgabe, 1824-1826)
Bevor es zu Missverständnissen kommt: die Verleugnung Nietzsches letzter Gedanken in Form von „Der Wille zur Macht“, das von Köselitz und seiner Schwester sortiert wurde. Die Verleugnung erfolgt nicht durch letztere, sondern durch das universalistisch-liberale Gesindel.
Fürwahr! Ich wiederspreche dem in meinem eigenen Kommentar unten nicht, gebrauche im Gegenteil die Worte „Der Wille zur Macht“ wie selbstverständlich im Kontext der Philosophie Nietzsches.
Von Aristoteles zu Nietzsche bzw. im Falle Guillaume Fayes von Nietzsche zurück zu Aristoteles! Hochinteressant, aber auch philosophiegeschichtlich problematisch! Ich ging als Klassischer Philologe, der übrigens auch Nietzsche gewesen ist, den umgekehrten Weg: von Aristoteles nach vorübergehender Verirrung bei Plotin und seinem modernen Plagiator Rudolf Steiner über Schopenhauer (des jungen Nietzsche nach wie vor nicht zu unterschätzender Lehrmeister und Inspirator) zu Nietzsche. Die nikomachische Ethik des Stageiriten ist in der Tat eine aristokratische Ethik des guten und gerechten Maßes. Damit hat es sich aber, was die Gemeinsamkeit zwischen Aristoteles und Nietzsche anbelangt; denn Aristoteles kann sowohl deistisch als auch atheistisch interpretiert werden, atheistisch in der Tradition des Alexander von Aphrodisias (um 200 p.) und deistisch in der Tradition der Mittleren Akademie Platons. (1. Jh. a.) Aber nicht nur aus diesem Grund und nicht zuletzt auch deshalb, weil Nietzsches Gegner Marx und die Junghegelianer ebenfalls Atheisten waren, ist der Atheismus zur Konstruktion einer Linie Aristoteles -Nietzsche ungeeignet. Nein ,es gibt keine direkte Linie von der klassisch-griechischen zur nachkantianischen Philosophie. Bereits Kant selbst, – der zuweilen als der „deutsche Plato“ bezeichnet wurde, wobei allerdings nur der Wunsch Vater des Gedankens war -, stand nur noch insoweit in Kontinuität zur klassischen Philosophie, als er, wenn man so will, die platonischen Ideen als kosmische Koordinaten der Erkenntnis durch die Kategorien des menschlichen Verstandes ersetzte. Eine philosophiehistorisch sehr abstrakt konstruierte Kontinuität, die sich zudem rein auf die kantianische Erkenntnistheorie beschränkt! Von seiner Mentalität her war Kant nämlich alles andere als ein Mensch der Antike oder der Renaissance, sondern ein verkappter Lutheraner. Das antike und das neuzeitliche Weltbild sind auch unter jeweils atheistischem Vorzeichen nicht kompatibel. Unser leider zu früh verstorbener philosophischer Primus Dr. Carlos Dufour brachte klassisch griechische und klassisch deutsche Philosophie auf die zwei Nenner: Sein und Wille. Plato und Aristoteles kreisten um das bleibend Seiende im Kosmos, Schopenhauer und Nietzsche um das ewige Werden und Vergehen. Schopenhauer („Die Welt als Wille und Vorstellung“) wollte im blinden Willen (Drang) zum Leben und in’s Dasein Kants ominöses „Ding an sich“ erkannt haben, das eigentliche Wesen hinter allem vergänglichen Schein. Nietzsche Verdienst war die bedingungslose Bejahung des von Schopenhauer in buddhistischer Manier verneinten Willens zum Leben als Wille zur Macht und zur Gestaltung.
Der Wille – die Gewalt – die Macht – das Gut. (Vgl. Weltgeschichtsformel.)