Walter F. Otto

Die Götter Griechenlands. Das Bild des Göttlichen im Spiegel des griechischen Geistes, Frankfurt/M. 1970

Aus den mündlichen Überlieferungen der vorchristlichen irischen Mythologie und aus Caesars Werk ›Der gallische Krieg‹ wissen wir von fünf keltischen Hauptgöttern:

Lug: Hauptgott, der  über alle Götter erhaben ist. Die Iren nennen ihn samil-dánach, was soviel bedeutet wie ›Aller Künste kundig‹, da er all das, was die anderen Göttern vermögen, selbst beherrscht.

Dagda: Gott des Himmels. Er ist der göttliche Druide, Herr über Ewigkeit, Zeit, Elemente und Weisheit. Seine Attribute sind ein Kessel, der unerschöpfliche Mengen an Speisen enthält, und eine Keule, mit der er nicht nur Lebende zu Tode bringen, sondern auch Tote wieder zum Leben erwecken kann.

Dagda

Ogmios: Kriegsgott, Gott der Magie, des gesprochenen und schriftlichen Wortes.

Ogmios

Diancecht: Gott der Medizin. Nach einer Schlacht setzt er dem verwundeten König Nuadu, der im Kampf seine Hand verloren hat, eine künstliche Hand aus Silber an. Er wirft die schwer verwundeten und gefallenen Krieger in eine ›Quelle der Gesundheit‹, wo die Verletzten genesen und die Toten zu neuem Leben erwachen.

Brigid: Der irischen Definition nach ist sie die weibliche Göttin, die Erhabene, Mutter der Götter, der Schmiede und der Mediziner. Entsprechend der Funktion, der sie zugeordnet wird, trägt sie verschiedene Namen. Boand, als Gemahlin des Ogmios, Étain als Irlands Königin und Gemahlin des irdischen Königs Eochu und ist ebenso die Königin der Anderen Welt. (Nach: F. Le Roux & C.-J. Guyonvarc’h : Les Druides et le Druidisme 1995)

Das keltische Jahr ist durch eine zentrale Achse zwischen 1. November und 1. Mai deutlich in ein Sommer- und ein Winterhalbjahr unterteilt. Die Feste der Druiden fanden in Wirklichkeit 40 Tage nach einer Sonnenwende oder nach einer Tagundnachtgleiche statt. Das hängt damit zusammen, daß der Zeitraum von 40 Tagen als Periode der Erwartung, der Entwicklung und Vorbereitung auf das Fest betrachtet wurde, während das Fest selbst dann als Kristallisationspunkt der freigesetzten Energien galt.

Samhain, das höchste Fest, findet. am 1. November statt; sein irischer Name ›Samhuin‹ entspricht dem gallischen samonios, der im ›Coligny‹-Kalender erwähnt wird, jenem bedeutendsten Zeugnis für die Kalendereinteilung der heidnischen Kelten. Samhain bedeutet etymologisch ›Ende des Sommers‹ (mit anderen Worten: Winteranfang) und ist der erste Tag des neuen Jahres, genauer gesagt: die erste Nacht, da die Kelten nicht die Tage, sondern die Nächte zählten. Man mag sich darüber wundern, daß der Beginn des neuen Jahres mit dem Winteranfang zusammenfälIt, aber vergessen wir nicht, daß im Druidentum nach Caesar Dis Pater, also eine Gottheit der Finsternis, den Ursprung von Menschen und Dingen darstellt.

Das Samhain-Fest war ein zentrales Ereignis für die keltische Gemeinschaft, an dem alle Mitglieder teilnehmen mußten. So heißt es in der Erzählung von der Geburt des Conchobar:  „Jeder der Ulates, der nicht zur Samhain-Nacht erschien, wurde wahnsinnig, und bereits am nächsten Morgen wurde sein Tumulus, sein Grab und sein Grabstein errichtet“. Das Fest diente einerseits zur Versammlung aller Männer und Frauen der Gemeinschaft, dort wurden die politischen, ökonomischen und religiösen Angelegenheiten besprochen. Andererseits fanden endlose Festgelage statt, bei denen Schweinefleisch verzehrt und Wein getrunken wurde, denn das Fleisch des Schweines verleiht Unsterblichkeit, wie die Sage von den ›Schweinen des Mananann‹ zeigt, während der Wein trunken macht; Trunkenheit aber ist jener Zustand der Ekstase, in dem man die Realität verlassen kann, um sich für das Übernatürliche zu öffnen.

Die Samhain-Nacht ist nämlich die Nacht der Begegnung zwischen Lebenden und Toten: Die ›sidh‹ (die Hügel, in denen Götter und Helden wohnen, werden zugänglich, und die beiden Reiche durchdringen einander. Das christliche Allerheiligenfest, das an die Stelle der Samhain-Nacht getreten ist, hat diesen Aspekt der ›Gemeinschaft der Heiligen‹ beibehalten, und in den angelsächsischen Ländern gehen viele Halloween-Bräuche auf die Riten und Maskeraden des keltischen Festes zurück.

Natürlich waren die Festgelage der herrschenden Klasse vorbehalten, das bedeutet, daß vor allem die Herrscher und Krieger daran teilgenommen haben werden. Es ist allerdings kaum anzunehmen, daß die Druiden davon ausgeschlossen gewesen sind. Dem Volk war der Jahrmarkt mit all den dazugehörigen Geschäften und Vergnügungen vorbehalten. Außerdem versammelten sich die Rechtsgelehrten, um die Beziehungen zwischen Individuum und Gemeinschaft zu regeln. Diese Versammlung stellte eine Art Thing dar, in dem die rechtlichen und politischen Angelegenheiten debattiert wurden.

Über das Ritual des Samhain-Festes wissen wir nur wenig. Fest steht aber, daß am Vorabend alle Feuer in Irland ausgelöscht werden mußten. Das war offenbar das Zeichen dafür, daß das Jahr ›gestorben‹ war; seine Wiedergeburt begann in dem Augenblick, als die Druiden das neue Feuer anzündeten. Dieses Brauchtum ist von den Christen vom 1. November auf Ostern übertragen worden. In der SamhainNacht spielen sich alle bedeutenden mythischen Ereignisse ab: Schlachten, Reisen in die Andere Welt, Auseinandersetzungen mit den Tuatha De Danann, der rituelle Tod des Königs oder der gewaltsame Tod des Helden, der ein gewichtiges Verbot übertreten bat. In der Samhain-Nacht wurde schließlich Mac Oc sowohl empfangen als auch geboren, denn da sich die Welt der Götter mit der  Welt der Menschen in dieser Nacht verbindet, ist in ihr auch der normale Zeitbegriff ausgelöscht: sie stellt eine neutrale Zeitzone dar. Als sich Mac Oc des Reiches seines Vaters bemächtigen will, Iäßt er es sich für einen Tag und für eine Nacht ― also für den Zeitraum des Samhain-Festes ― übergeben, was der Ewigkeit entspricht. Diese Vorstellung lebt noch im christlichen Allerheiligenfest weiter (vor allem wie es in der Bretagne gefeiert wird), obwohl die enge Verbindung mit dem darauffolgenden Allerseelenfest, dem Gedenktag für die Toten, die ursprüngliche keltische Konzeption verschleiert. Für die Kelten bestand nämlich in dem Samhain-Fest kein Unterschied zwischen Lebenden und Toten, zwischen Göttern und Menschen, denn alles war ein Ganzes.

Auch wenn wir keinen Beweis dafür haben, ist anzunehmen, daß anläßlich dieses Festes dramatische Spiele aufgeführt wurden, die die großen Urmythen vergegenwärtigen. Das Fest dauerte drei Tage lang und bot daher genügend Zeit für die verschiedensten Aktivitäten (und Gelage!).
(Nach Jean Markale: Die Druiden 1985)

Drei Monate nach dem Samhain-Fest, also am 1. Februar, fand das Imbolc-Fest statt, dessen Schutzpatronin vermutlich die Göttin Brigit war. Das Imbolc-Fest, aus dem das Christentum Lichtmeß gemacht hat, bildete die Mitte des Winters, und sowohl das Feuer als auch das reinigende Wasser wurden dabel verehrt. Es war also ein Fest der Reinigung, und diese Bedeutung kommt noch heute im Lichtmeßfest zum Ausdruck. Wir wissen fast nichts über die einzelnen Elemente des Imbolc-Festes, denn die Christen haben alle heidnischen Zeugnisse vernichtet; vermutlich schuf ihnen die Göttin Brigit Probleme, die am 1. Februar gefeiert wurde und deren Züge noch in der Gestalt der Äbtissin Brigitte von Kildare zu erkennen sind. Davon abgesehen scheint das Imbolc-Fest weit weniger wichtig als das Samhain-Fest gewesen zu sein, denn es betraf weder die Kriegerklasse noch den König und wurde vermutlich in wesentlich engerem Rahmen gefeiert.

Göttin Brigid

Bedeutsamer als das Imbolc-Fest war dagegen das am 1. Mai gefeierte Beltaine-Fest, das den zweiten Höhepunkt des keltischen Festjahres darstellt. Der Name Beltaine bedeutet Feuer des Bel und evoziert die Vorstellung von Wärme und Licht. Weil dieses Fest das Ende des Winters und den Beginn des Sommers bezeichnet, ist es nicht nur besonders reich an Feuerritualen, sondern hebt auch die sakrale Bedeutung der keimenden Vegetation hervor. In einer Viehzüchter Gesellschaft, wie sie bei den Kelten und vor allem bei den Iren bestand, ist der Zeitpunkt, an dem die Herden auf die Weiden getrieben werden, der wichtigste Monat des ganzen Jahres. Die Fiana des Königs Finn verbrachten gewöhnlich die sechs Wintermonate in den Häusern der Iren, die unter ihrem Schutz standen, aber vom 1. Mai an zogen sie wie Nomaden kreuz und quer durch Irland. Auch die mythischen Invasionen Irlands fanden am Beltaine-Fest statt, das offensichtlich den Anbruch von Licht und Leben sowie den Eintritt in das helle Reich des Tages darstellte, während das Samhain-Fest die beginnende Herrschaft der Nacht, die ›schwarzen Monate‹, wie man noch heute in der Bretagne sagt, ankündigte. Wie das Beltaine-Ritual im einzelnen aussah, wissen wir nicht mehr. Gewiß war es ein Fest der Priester, so daß die Druiden darin vermutlich die Hauptrolle spielten. Mit Sicherheit gab es Zeremonien, Spiele, Versammlungen und Festgelage. Der noch heute lebendige Brauch, Zweige in Felder und Gärten zu stecken oder auf Scheunen zu befestigen, ist wahrscheinlich ein ferner Nachklang des Beltaine-Rituals.

Beltaine Fest

Bei diesem Fest sollen auch die sogenannten Johannisfeuer abgebrannt worden sein. Der irische König genoß das Vorrecht, das Feuer als erster anzuzünden, und jeder, der das vor ihm zu tun wagte, soll zum Tode verurteilt worden sein. Auch nach dem Untergang des Druidentums ist der 1. Mai ein volkstümliches Fest geblieben, an dem sicher nicht zufällig die menschliche Tätigkeit, die Arbeit, gefeiert wird. In den germanischen Ländern ist die Nacht des Beltaine-Festes als Walpurgisnacht bekannt; in ihr versammeln sich alle Hexenmeister und Hexen, und das bedeutet nichts anderes, als daß diese Nacht früher der Priesterklasse gehörte. Denn die Druiden haben zwar ihre Funktion als Priester, Philosophen und Rechtsgelehrte verloren, aber im Gedächtnis des Volkes leben sie in Gestalt von Hexenmeistern immer noch weiter. Die wichtige Rolle der Priesterklasse beim Beltaine-Fest läßt sich noch heute in den vielen Beschwörungs-ritualen erkennen, die sich im Brauchtum des 1. Mai erhalten haben; gemeint sind die Segnungen der Tiere und Ställe, das Treiben der Herden durch Feuer oder Glut, die magische Reinigung der Stallungen sowie die verschiedenen magischen Formeln, durch die die Herden vor Krankheiten oder wilden Tieren beschützt werden sollen.

Während das Samhain-Fest sozusagen in den ›Schlaf‹ versetzt, gibt das Beltaine-Fest das Zeichen zum Wiedererwachen. Während der Wintermonate ist das Feuer zwar unsichtbar unter Steinen und Holz versteckt, aber seine Energie besteht weiter, sie ist potentiell vorhanden. Am Beltaine-Fest erwacht diese Energie wieder zu neuem Leben, es tritt also eine wahrhaftige ›Epiphanie‹ ein. Die Feuer, die auf dem Hügel von Tara auflodern, und die der irische König unter dem Schutz der Druiden angezündet hat, waren keineswegs nur ein Symbol, sondern sie waren auch der Beweis dafür, daß sich im Kreislauf der Tage und Jahreszeiten aus dem Tod neues Leben entwickeln konnte.

Lugnasad, das vierte keltische Fest, wurde am 1. August gefelert. Nach der Überlieferung soll dieses Fest des Lug von dem Gott selbst in Tailtiu ins Leben gerufen worden sein, und zwar zur Erinnerung an seine Ziehmutter, die Göttin Tailtiu, die das mütterliche Irland verkörpert. Während des Festes wurden verschiedene Spiele veranstaltet, wozu sich alle Teile der Gemeinschaft versammelten. Lugnasad war offenbar vor allem das Fest des Königs, denn der König überwachte die Pferderennen und die Wettkämpfe der Poeten; allerdings gab es weder Kampfspiele noch Todes-Rituale.

Es heißt, daß die königliche Kraft zu diesem Zeitpunkt am größten ist, und diese wird auch für die nun einsetzende Erntezeit gebraucht. Vergessen wir nicht, daß dieses Fest unter der Schutzherrschaft einer Mutter-Göttin steht, die gestorben ist, um das Wohlergehen ihrer zahIreichen Kinder zu sichern. lm Lauf der Christianisierung ist das Lugnasad-Fest untergegangen, aber es lebt noch teilweise in anderen Festen weiter, die ebenfalls religiöse Gepräge haben, wie das Erntedankfest oder der Flurumgang. Alles in allem ist der Sommer jedoch nicht die richtige Jahreszeit für lange Festlichkeiten und ausgedehnte Gelage, denn man muß in dieser Periode des Jahres hart arbeiten, um die Grundlage dafür zu schaffen, daß die kommenden ›schwarzen Monate‹ gut überstanden werden konnten.

Die mythologischen Erzählungen schildern in epischer Breite zahIreiche Rituale, die in den ältesten Zeilten wie Dramen erlebt wurden. In jedem Theaterstück findet man Spuren von etwas Sakralem. Jede Theateraufführung zeigt eine Handlung, deren Strukturen von dem Mythos geprägt sind, den sie verkörpert und plastisch vor Augen führt. So enthält die griechische Tragödie Elemente von wesentlich älteren religiösen Ritualen ― wie etwa den Begriff des Opfers ―, und auch im Spott der Komödie lassen sich kultische Urmuster erkennen. Das gilt für Tragödie und Komödie auf der ganzen Welt. Aber wenn die Bedeutung des Rituals in einer Religion schwindet (etwa weil seine Aussagekraft schwächer wird oder weil die Religion selbst untergeht), dann wird aus der dramatischen Darstellung entweder etwas rein Profanes, oder sie überlebt in irgendeiner epischen Erzählform.

Das geschah bei den Kelten. Als die Druiden-Religion nicht mehr praktiziert wurde, sah man in ihrem Kult, von dem man kaum noch etwas wußte, nur noch das kuriose Überbleibsel längst vergangener Zeiten oder den Aberglauben der Vorfahren. Die Rituale wurden nicht mehr gelebt, sondern nur noch erzählt oder verstümmelt weitergegeben, und diese ›Geschichten‹ ließen sich problemlos in die alten mythischen Erzählungen einbauen. Auf diese Weise sind sowohl die heroischen als auch die mythischen Epen größtenteils entstanden.

Wenn man den Kult des Druidentums in seinen Grundzügen erfaßt, müssen die mythischen Erzählungen also mit größter Aufmerksamkeit betrachtet werden. Geschichtliche Zeugnisse dafür sind selten, und auch der Beitrag der Archäologie ist hier gleich Null. Natürlich darf man nicht alles wörtlich nehmen, das gilt vor allem für die gnadenlosen Kriege, die phantastischen Kämpfe und Menschenopfer. Die meisten Erzählungen sind nämlich erst später von Menschen zusammengestellt, aufgeschrieben und häufig verändert worden, da sie die Bedeutung und den Vorrang des Christentums möglichst stark hervorheben wollten. Dennoch stellen die irischen und walisischen Erzählungen sowie die Artussagen in ihrer überlieferten Form wichtige Zeugnisse der Vergangenheit dar. Unsere Aufgabe ist es, sie kritisch zu untersuchen und mit Geschichte und Archäologie zu vergleichen. / Der Druide. Stellung und Tätigkeit (F. Le Roux & C.-J. Guyonvarc’h)

Über die Existenz der Druiden in der Antike berichten schon griechische und römische Autoren. Die bekanntesten und wichtigsten unter ihnen sind wohl Titus-Livius, Caesar, Strabo und Diodorus von Sizilien, zwischen dem 1. Jahrhundert vor und nach der Zeitwende. Ein einziger historischer Druide aus dem Stamm der Eduens, bezeugt durch Caesar ca. 58 v.d.Z., ist uns aber bekannt. Das Wesentliche, was wir über die druidischen Tradition wissen, befindet sich in den irischen mittelalterlichen Manuskripten, welche zwischen dem XII. und XVI. Jh. verfaßt wurden. Im Kapitel VI,13 in seiner Erzählung ›Der gallische Krieg‹ hat Caesar die Stellung der Druiden in der Gesellschaft am treffendsten gekennzeichnet. Nach ihm besteht die gallische Gesellschaft aus zwei Gesellschaftsschichten, die verehrt werden: die Druiden, die Caesar laut der keltischen Bezeichnung (druis) so nennt und die Ritter (equites).

Die übrigen Menschen haben, laut Caesar, keinen Wert. Dies aber ist die Sicht eines Römers der Herrenschicht, selbst gewohnt an die Trennung  zwischen Patrizier und Plebeier. Tatsächlich handelt es sich aber um die spezifische indoeuropäische Dreiteilung der Gesellschaft, die man am klarsten in den indischen Gesetzen von Manu findet:

Brahman = Lehrstand        Kshatriya = Wehrstand        Vaishya = Nährstand

In Gallien und in Irland ist das Schema dasselbe :
druides ― druid  = Priesterschicht      
equites ― flaith  = Kriegerschicht  
plebes ― aes dána (wörtlich : die Kunstleute) = produzierende Schicht

Dies beweist eine sehr alte gemeinsame Herkunft. Selbst die Bezeichnung Druide ist seit Gallien aus der Caesarenzeit (1. Jh. v.d.Z.) bis in das mittelalterliche Irland des XV. Jh. unverändert geblieben. Fälschlich verglichen mit dem griechischem Wort für Eiche, besteht das Wort Druid aus zwei Vorsilben, do- und ro- und aus einer Wurzel -uid, die die Weisheit, das Wissen bezeichnet und in allen heutigen keltischen Sprachen immer noch Homonym für Holz ist. Etymologisch gesehen ist der Druide der ›sehr Gelehrte‹.

Nach Meinung der Religionshistoriker lassen sich die keltischen Druiden mit den indischen Brahmanen und den römischen ›flamines‹ vergleichen. Bekanntlich kann niemand Brahmane werden, der nicht aus der Brahmanen-Kaste stammt ― das ist eine natürliche Folge der hinduistischen Glaubenslehre über den Kreislauf der Reinkarnation ―, und die römischen Flammes bildeten ein Kollegium, dem nur derjenige angehören konnte, der hineingewählt wurde. Die Druiden dagegen stellten keine geschlossene Klasse dar: jeder konnte Druide werden, ob Mitglied einer Königsfamilie, ob Krieger, Künstler, Hirte, Bauer oder Sklave; jedem, der lange und eingehende Studien hinter sich gebracht hatte, stand der Zugang zu dieser Klasse offen. Zusammenfassend Iäßt sich also sagen: Druide wurde man sowohl durch Berufung als auch durch eine ganz bestimmte Ausbildung. (Aus: Jean Markale, Die Druiden, 1985)

So hat man sich keltische Druiden im 19. Jahrhundert vorgestellt.

Alle Nachrichten über die Bedeutung der keltischen Priesterklasse, sowohl aus der Antike als aus dem Mittelalter, sind ähnlich. Der Druide ist Priester: er beschäftigt sich mit allen religiösen Dingen, seien es Opfer, Riten, oder ähnliches. Der Druide ist Jurist : er ›spricht Recht‹ und er ist es, der das Strafmaß, die Höhe des Schadenersatzes und die Geldbuße festsetzt. Er ist verantwortlich für die gesamte Rechtsprechung und deren Verfahren. Aber der König, Inhaber der irdischen Macht, spricht die Strafe aus.

Diese Rechtsprechung darf aber nicht mit formalen, rein bürokratischen Verfahren verglichen werden. Die Erfahrung der ›Alten‹ ist dabei wichtiger als das Gesetz allein aussagt. Der Druide ist Lehrer: in Gallien wie in Irland lehrt der Druide mündlich meist in Form von Gedichten, wobei die Ausbildung 20 Jahre dauern kann und alle Bereiche des Wissens umschließt. Dies hier sind die großen Besonderheiten, worüber Caesar berichtet. Die späteren griechischen Autoren wie Strabo oder Diodorus von Sizilien beschreiben eher, wenn auch manchmal unpräzis, die innere Struktur der Priesterklasse. Unwesentliche Unterschiede außer Acht gelassen, sind sie in Gallien und in Irland gleich. In Gallien besteht die Priesterklasse aus drei Arten von Druiden: die Philosophen-Theologen, die ›vates‹- Hellseher und die Barden-Dichter. In Irland sind die ›Fächer‹ noch verschiedenartiger und zahlreicher: der ›vate‹ oder Hellseher (gallisch vatis) trägt die Bezeichnung faith. Die Bezeichnung für den Barden ist ähnlich wie in Gallien: gallisch bardos, irisch bard (siehe wälisch bardd, bretonisch barzh). Der Barde ist aber durch den file oder Dichter überlagert worden. Etymologisch gesehen ist der Barde ein Gelehrter und der file ein Hellseher, der der ogamischen Schrift mächtig ist.

Alle anderen Ämter sind mehr oder weniger Verzweigerungen aus dem file-Dichter:

liaig oder Arzt, Fachmann der drei Medizinarten: beschwörend oder magisch, blutig oder chirurgisch, pflanzlich und der Heilkräuter kundig;
cruitire oder Harfner, Fachmann der drei keltischen Musikrichtungen, diejenige, die einschlafen läßt, diejenige, die das Lachen verursacht und diejenige, die weinen läßt oder manchmal gar zum Tod führt;
deogbaire oder Mundschenk: er ist für die Verteilung der vergorenen Getränke, Bier oder Met, bei den königlichen Feierlichkeiten, verantwortlich;
sencha oder Historiker: seine Haupttätigkeit besteht in der Weitergabe des Wissens, über die Genealogie des Königs und alle Ereignisse, die die Dynastie betreffen;
scelaige oder Erzähler: das ist derjenige, der an den langen Winterabenden dem König und seinem Hof eine aus der irischen Mythologie ausgewählte Geschichte erzählt;
brithen oder Jurist: er ›spricht Recht‹ während der Prozesse. Der König fällt das Urteil, basierend auf den Ergebnissen des Juristen;
dorsaid oder Haushofmeister: ihm kommt es zu, den König über die Identitäten aller Besucher zu informieren;
muccido oder Schweinehirt: er bewacht die Schweine oder die Wildschweinherde, heilige Tiere und Symbole der höchsten Priesterschaft;
faith oder Hellseher: das ist derjenige, der Träume oder bedeutende Zeichen für die Zukunft des Königs und sein Reich interpretiert.

Die Druiden sind zwar keine Beamten, aber doch Fachleute, die den König mit ihrem Rat zu regieren verhelfen. Wenn der König nicht verpflichtet ist, den Ratschlägen der Druiden zu folgen, ist der Druide verpflichtet, seinen Rat dem König zu erteilen. So sind der Druide und der König gegenseitig verbunden, einerseits durch die spirituelle Macht des Druiden, andererseits durch die irdische Macht des Königs. Und so finden die Macht des Druiden und die Macht des Königs ihr Gleichgewicht. Ohne den König, der die Druiden hoch entlohnt, wäre der Druide sinnlos und ohne die Hilfe des Druiden wäre der König wiederum nicht in der Lage, korrekt zu regieren, da die geistige Autorität des Druiden höher steht als die irdische Macht des Königs.

Diese Besonderheit der keltischen Gesellschaftsorganisation und dieses politisches System war auch die Ursache des raschen Verschwindens des Druidismus innerhalb des romanisierten Galliens. Die Abwesenheit von Königen und die Übernahme des religiösen und politischen Systems der Römer innerhalb Galliens hat zweifellos die Weiterführung der keltischen Traditionen verhindert, die eben jegliche Vereinigung zwischen spiritueller und irdischer Macht rigoros stoppte.

Ein König kann nicht Druide werden und umgekehrt. Der Druide besitzt dennoch das Recht, wenn er es für nötig hält, Waffen zu tragen und Krieg zu führen, wie es in Irland öfter als sonst wo der Fall war. (Nach: F.Le Roux & C.-J. Guyonvarc’h, Les Druides et le Druidisme, 1995)

Feierliches Mistelschneiden

Für die Druiden gab es nichts Heiligeres, als die Mistel und den Baum, der sie trug, die Heilige Eiche. Kein Fest wurde ohne einen Zweig dieses Baumes gefeiert, und man nahm an, daß alles, was auf diesem Baum wächst, vom Himmel gesandt wurde. Die Mistel, ›die alles heilt‹ wurde nach einer rituellen Opfervorbereitung mit einer goldenen Sichel geschnitten.

Man führte zwei weiße Stiere unter den Baum, und der weiß gekleidete Druide kletterte auf die Eiche und warf die geschnittene Mistel auf ein weißes Tuch. Schließlich brachte man ein Opfer dar in der Hoffnung, die Gottheit gnädig zu stimmen, da man glaubte, ein Getränk mit einer Mistel verleihe Mensch und Tier Fruchtbarkeit und Widerstand gegen jegliches Gift.

Verbote, Zaubersprüche, Symbole, Die andere Welt  (F. Le Roux & C.-J. Guyonvarc’h)

Die ›Geis‹

Im Alltag der keltischen Gesellschaft hat der Druide eine erhebliche soziale und politische Rolle gespielt, auch wenn diese Rolle hauptsächlich religiöser Art war. Über die Zeremonien hinaus, ist der Druide Hellseher und Magier. Er bedient sich außerdem zahlreicher Methoden, um Krieger und Könige zu zwingen, seine Entscheidungen zu achten. Vor allem herrscht er über die vier Elemente: Erde, Wasser, Feuer und Luft. Er ist in der Lage, die Erde zu beherrschen, einen Fluß oder einen See verschwinden zu lassen, einen Feuerregen zu provozieren oder gar dem Wind zu befehlen. Sein Hauptmittel aber ist die geis, Befehl, Verbot und Verpflichtung in einem. Wehe demjenigen der eine geis nicht beachtet: meistens stirbt er.

Es reicht, daß der Druide eine Beschwörung ausspricht, gesungen oder einfach psalmodiert, und die Realität beugt sich vor den Ereignissen, die der Druide vorausgesehen hat. Außerdem hat diese Parole, manchmal auch dieser Schrei, tödliche Konsequenzen für die betreffende Person. Das ist der glám dichinn, der höchste Schrei, die grausamste aller Beschwörungen.

Der Druide, der sie rezitierte, nahm die archaische und magische Haltung an ›mit einem Bein, einer Hand, einem Auge‹. Drohung oder Verordnung, gelegentlich traf dies sogar den König aufgrund seiner schlechten Regierungsgeschäfte, seines Geizes oder einer Unehrenhaftigkeit wegen.

Die Vorhersage

Eine ausführliche Liste der magischen Praktiken des Druiden aufzustellen, ist leider nicht mehr möglich, da St. Patrick, (selbst ein Druide) und seine Nachfolger alles, was nicht im Sinne des Evangeliums war, zerstörten oder verschwinden ließen. Nur einige Überreste sind geblieben, wie z. B. der tarbfes, ein Stierfestmahl anläßlich der Wahl eines Königs. Der Name des zu wählenden König wurde während des magischen Schlafes dem Druiden offenbart.

Eine andere politische Waffe des Druiden ist die Vorhersage, die der Druide oder die Wahrsagerin zum Nutzen des Königs praktiziert haben. Die bánfile Fedelm sagte z. B. der Königin Medb das traurige Schicksal der irischen Armee im Krieg gegen König Ulster voraus. Aber ein Druide hatte vorher der Königin versichert, daß sie dennoch heil aus diesem Krieg zurückkehren würde.

Die heiligen Symbole: Die Männer der Eichen

Die Kelten, die die Verarbeitung des Holzes und der Metalle meisterhaft beherrschten, haben Steine in der Architektur und für ihre Skulpturen niemals verwendet, und schon gar nicht Inschriften in sie gemeißelt. Die Megalithen sind weder Symbole noch Denkmäler der Kelten.

Der Urbaum der Kelten ist kein spezifischer, meist aber ist es eine Eibe. Sehr häufig dient die Eiche als Symbolbaum, deren gallischer Name dem des Druiden derwydd ähnelt. Die Druiden waren die ›Männer der Eichen‹. In allen keltischen Sprachen ähnelt die Bezeichnung für die Wissenschaft dem Wort für das Holz (siehe bretonisch gwez für Baum und gouiziek für Gelehrter), und das Holz gilt als Symbol für das  ›Wissen‹.

Die anderen wichtigen Bäume oder Pflanzen der keltischen Traditionen sind die Eberesche, die Haselnuß, die alle der Magie dienen, und deren Früchte Wissen verleihen; so ist der Apfelbaum der Baum der Anderen Welt und seine Früchte gewähren demjenigen, der sie verzehrt, das ewige Leben; die Eibe dient gleichzeitig der Magie und der Herstellung von Waffen (Schild, Speer), wie auch Birke und Weißdorn magische Bedeutung haben.

Die heiligen Tieren

Die heiligen Tiere teilen diese Symbolik: das Fleisch vom Schwein und Wildschwein werden zu Samhain verzehrt. Das Wildschwein dient außerdem als Symbol für die Priesterklasse der Druiden. Sein Verzehr verleiht das ewige Leben. Die anderen heilige Tiere sind der Schwan und die Ente, Botschafter der Götter, die die Musik der Anderen Welt singen. Der Wolf dagegen, heiliges Tier bei den anderen Indoeuropäern, hat kaum eine Spur bei den Kelten hintergelassen. Seine Name ist sogar in der keltischen Sprachen in Vergessenheit geraten. Im Gegensatz zu den Griechen, schätzen die Kelten den Hund. Bär und Stier stehen ebenso in symbolischer Beziehung zum König, wie das Pferd.

Die andere Welt

Die Andere Welt ist gleichzeitig die Welt der Götter und der Toten. In der klassischen irischen Tradition ist sie nach Westen ausgerichtet, jenseits des Meeres und nur mit dem Schiff erreichbar. Sie trägt eine auffallende Bezeichnung: síd. Etymologisch: Friede. Das Wort bezeichnet in Irland auch die Wohnorte der Götter unter Hügeln oder Seen.

Der síd liegt fast immer in den zahlreichen Inseln, da wo die Auserwählten ein paradisisches Leben führen, umgeben von jungen und wunderschönen Frauen. Es gibt keine Zeit, weder Krankheiten noch Tod oder unvollkommene Dinge. Die Festmahlzeiten sind unbeschreibbar schön und ewig. Von Zeit zu Zeit holt eine Frau aus der Anderen Welt, eine sog. banshee, einen glücklichen Sterblichen, immer einen hochrangigen Mann, einen berühmten Krieger oder Königsohn, und verspricht ihm eine nicht endende Glückseligkeit.

Da dieses Andere Land eben die Vollkommenheit selbst ist, bedarf es keiner Regierung mehr. Es gibt dort keine Druiden und auch keine wie auch immer geartete Führungs-schicht. Die wenigen Menschen, die aus dem síd zurückkehren, haben dies nur aus übergroßer Sehnsucht nach Irland getan. Ihre Rückkehr bedeutet aber eine Abkehr von der Ewigkeit, und sobald sie die Erde berühren, verfallen sie zu Staub oder werden in Greise verwandelt, die niemand wiedererkennt.

Die Thematik der Anderen Welt, seit dem V. Jh. christianisiert, findet man in den ›immrama‹ oder den sog. Reisen von Mönchen oder Heiligen auf der Suche vom neuen Paradies. Die Christianisierung aber hat diese mythologische Reise verfälscht, indem sie etliche Teufel, bizarre Inseln und andere exotische Abenteuer hinein verpflanzt hat, die nichts mehr keltisches besitzen und dennoch weit entfernt sind von der klassischen Vorstellung des christlichen Paradieses.◊

 

Walter F. Otto; ᛉ 22. Juni 1874 in Hechingen; ᛣ 23. September 1958 in Tübingen

 

Beitragsbild: Druidenstatue / Croome Park

 

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