John B. Calhoun (11. Mai 1917 – 7. September 1995) war ein US-amerikanischer Ethologe und Verhaltensforscher, der für seine Studien zur Bevölkerungsdichte und deren Auswirkungen auf das Verhalten bekannt ist.
Während seiner Studien prägte Calhoun den Begriff ›Behavioral Sink‹ (Verhaltenssenke), um abweichendes Verhalten in Situationen mit überhöhter Bevölkerungsdichte zu beschreiben, und ›Beautiful Ones‹ (Schöne), um passive Individuen zu beschreiben, die sich aus allen sozialen Interaktionen zurückzogen. Seine Arbeit erlangte weltweite Anerkennung.
In den frühen 1960er Jahren erwarb das ›National Institute of Mental Health‹ (NIMH) ein Grundstück in einer ländlichen Gegend außerhalb von Poolesville, Maryland. Die auf diesem Grundstück errichtete Einrichtung beherbergte mehrere Forschungsprojekte, darunter auch solche unter der Leitung von Calhoun. Hier entstand sein berühmtestes Experiment, das Mäuse-Universum.
Im Juli 1968 wurden vier Mäusepaare in das utopische Universum eingeführt. Das Universum war ein 2,7 m² großer Metallkäfig mit 1,4 m hohen Seitenwänden. Jede Seite hatte vier Gruppen von vier vertikalen „Tunneln” aus Drahtgeflecht. Die „Tunnel“ ermöglichten den Zugang zu Brutplätzen, Futtertrögen und Wasserspendern. Es gab keinen Mangel an Futter, Wasser oder Nistmaterial. Es gab keine Raubtiere. Die einzige Widrigkeit war die Begrenzung des Platzes.

Anfangs wuchs die Population schnell und verdoppelte sich alle 55 Tage. Am Tag 315 erreichte die Population 620 Tiere, danach ging das Bevölkerungswachstum deutlich zurück und verdoppelte sich nur noch alle 145 Tage. Die letzte überlebende Geburt erfolgte am Tag 600, wodurch die Gesamtpopulation auf nur 2200 Mäuse anwuchs, obwohl die Versuchsanordnung hinsichtlich des Nistplatzes Platz für bis zu 3840 Mäuse bot.
In diesem Zeitraum zwischen Tag 315 und Tag 600 kam es zu einem Zusammenbruch der sozialen Struktur und des normalen Sozialverhaltens.
Zu den Verhaltensauffälligkeiten gehörten unter anderem: Vertreibung der Jungen vor Abschluß der Entwöhnung, Verwundung der Jungtiere, Zunahme homosexuellen Verhaltens, Unfähigkeit der dominanten Männchen, ihr Territorium und die Weibchen zu verteidigen, aggressives Verhalten der Weibchen, Passivität der nicht-dominanten Männchen mit vermehrten Angriffen aufeinander, gegen die sie sich nicht verteidigten.
Nach dem 600. Tag setzte sich der soziale Zusammenbruch fort und die Population ging bis zur Auslöschung zurück. Während dieser Zeit stellten die Weibchen die Fortpflanzung ein. Ihre männlichen Gegenstücke zogen sich vollständig zurück und nahmen weder an der Balz noch an Kämpfen teil. Sie aßen, tranken, schliefen und pflegten sich – allesamt einsame Beschäftigungen.
Diese Männchen zeichneten sich durch glänzendes, gesundes Fell und das Fehlen von Narben aus. Sie wurden als „die Schönen” bezeichnet. Die Fortpflanzung wurde nie wieder aufgenommen und die Verhaltensmuster hatten sich dauerhaft verändert.
Die Schlußfolgerungen aus diesem Experiment lauteten, daß, wenn der gesamte verfügbare Raum eingenommen und alle sozialen Rollen besetzt sind, der Wettbewerb und der Streß, dem die Individuen ausgesetzt sind, zu einem vollständigen Zusammenbruch komplexer sozialer Verhaltensweisen führen und letztendlich zum Untergang der Population.
Calhoun sah das Schicksal der Mäusepopulation als Metapher für das mögliche Schicksal des Menschen.
