Karl Richter

 

Ich bin nicht als Panikmacher verschrieen. Ich bekenne aber auch, daß ich angesichts der vor uns liegenden Entwicklung keine Angst empfinde. Sie ist vermutlich unumgänglich. Das Berliner Regime, das im Verbund mit dem ganzen verlogenen „Wertewesten“ spätestens seit 2014 für jeden erkennbar auf die Konfrontation mit Rußland hinarbeitet, hätte schon seit vielen Jahren aus dem Verkehr gezogen werden müssen. Der Wähler bekommt das ersichtlich nicht hin, und ein Asteroid ist ebenfalls nicht in Sicht.

Deshalb steht nun die nächste Eskalationsstufe bevor, und sie ist brandgefährlich. Erstmals hat Rußland dieser Tage offiziell zu verstehen gegeben, daß man sich bereits im „Krieg“ mit der NATO befinde. Bislang hat Moskau solche Festlegungen stets vermieden oder mit Nachdruck zurückgewiesen.

Kein geringerer als der russische Außenminister Sergej Lawrow gab die neuen Koordinaten vor. Auf einer G20-Ministerkonferenz in New York sagte er laut der US-Zeitung „Politico“ wörtlich:

Die NATO und die Europäische Union wollen meinem Land – genau genommen – haben meinem Land bereits einen echten Krieg erklärt und beteiligen sich nun direkt daran.

Die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa schob wenige Tage später nach, man habe Hinweise auf ukrainische Pläne, Sabotageakte in Rumänien und Polen zu verüben, um Rußland anschließend die Schuld zuzuschieben. Die Kiewer Selenskij-Regierung bereite einen ›Casus Belli‹ vor, einen legitimen Anlaß zum Beginn von Kriegshandlungen zwischen Rußland und der NATO.

Wenn sich all dies bestätigt, müssen wir zugeben: Europa stand in der Neuzeit noch nie so kurz vor dem Ausbruch des Dritten Weltkriegs.

Lawrow ist nicht Baerbock. Wenn solche Äußerungen aus dem russischen Außenministerium kommen, haben sie besonderes Gewicht. Man muß sie ernstnehmen. Sie bekräftigen die Behauptungen russischer Diplomaten, die letzte Woche bei einem Geheimtreffen mit europäischen Gesandten in Moskau vorgebracht worden sein sollen.

Laut dem US-Wirtschaftsnachrichtendienst ›Bloomberg‹ hat ein hochrangiger russischer Diplomat bei diesem Treffen die jüngsten russischen Drohnenflüge über NATO-Gebiet als „eine Reaktion auf ukrainische Angriffe auf die Krim“ gerechtfertigt. Die russische Seite habe betont, daß 

„diese Angriffe ohne die Unterstützung der NATO nicht möglich gewesen wären“. Vor diesem Hintergrund, sollen russische Teilnehmer an dem Treffen zu verstehen gegeben haben, „geht Rußland davon aus, daß es sich bereits in einer Konfrontation mit den europäischen Nationen befindet”.

Es steht mir nicht zu, zu beurteilen, ob das von ›Bloomberg‹ erwähnte „Geheimtreffen“ stattgefunden hat und ob die zitierten Äußerungen dort so gefallen sind. Ich verhehle nicht, daß ich die angeblichen russischen Drohnenflüge bislang eher als westliche Propagandahysterie verbucht habe.

Tatsächlich sind auch in einer Auflistung des Berliner ›Tagesspiegel‹ vom 26.09. (Link: https://lmy.de/tVaiI) von dort aufgeführten 7 Drohnen-Zwischenfällen seit dem 9. September immerhin vier offiziell als „ungeklärt“ klassifiziert.

Natürlich ist nicht auszuschließen, daß Rußland nun einen Gang hochschaltet und in den NATO-Stäben Nervosität zu verbreiten sucht. Es klingt dennoch nach Räuberpistole – vergleichbar etwa dem Schauermärchen, das der unvermeidliche „Experte“ Carlo Masala den Lesern seines Machwerks ›Wenn Rußland gewinnt‹ auftischt: dort beginnt Rußland seine für 2028 prophezeite Aggression gegen den Westen mit der Eroberung einer estnischen Kleinstadt und einer vorgelagerten winzigen Insel in der Ostsee. Man sollte die Russen nicht für blöder halten, als man selber ist.

Für westliche Scharfmacher sind die Äußerungen aus Moskau, die die Drohnen-Eskalation zu bestätigen scheinen, freilich ein gefundenes Fressen. Sie haben jetzt einen weiteren Vorwand für ihre Kriegsvorbereitungen.

Bundesverteidigungsminister Pistorius gab die offizielle Linie vor. Am Rande einer Konferenz mitteldeutscher Ministerpräsidenten suggerierte er eine „neue Realität“, „mit der wir umgehen müssen“, da man nun „hybrid mit Desinformationskampagnen und durch Drohneneindringen attackiert“ werde. Und: „Wir sind nicht im Krieg, aber wir sind auch nicht mehr im kompletten Frieden.“

Was unstrittig ist, ist die Tatsache, daß die NATO bei alledem den tatsächlichen Kausalzusammenhang genau verkehrt: schließlich ist an der brandgefährlichen Eskalation nicht Rußland der Hauptverantwortliche, sondern die NATO, die mit ihrer anhaltenden Unterstützung der Ukraine seit nunmehr dreieinhalb Jahren vorsätzlich Öl ins Feuer gießt und spätestens mit dem Maidan-Putsch 2014 die Weichen auf Konfrontation gestellt hat.

Niemand, der die Fakten zur Kenntnis nimmt, leugnet das. Nur der bundesdeutsche Normalbürger weiß davon natürlich nichts und hat an den unverhohlenen Kriegsvorbereitungen seiner Regierung rein gar nichts auszusetzen – wäre es anders, müßte er zu Hunderttausenden auf der Straße sein.

Leider kann man die russische Seite von der Mitverantwortung dafür, daß es so weit kommen konnte, nicht freisprechen. Verlauf und Erfolge der „speziellen Militäroperation“ in der Ukraine sind alles andere als ein Ruhmesblatt.

Seit Februar 2022 hat Putin bei zahllosen Gelegenheiten vor „roten Linien“ gewarnt, die der Westen nicht überschreiten dürfe – der Westen hat alle überschritten, und nichts, gar nichts ist passiert.

Man braucht sich im Kreml nicht zu wundern, daß Kläffer wie Merz, Starmer und Macron die russischen Drohungen nicht mehr ernstnehmen und bei der Unterstützung der Ukrainer inzwischen keinerlei Hemmungen mehr haben.

Ukrainische Drohnen nehmen mittlerweile systematisch die russische Energieversorgung – nicht nur auf der Krim – ins Visier und sind damit durchaus erfolgreich. Alles mit aktiver westlicher Unterstützung, inklusive deutscher Hilfe beim Bau weitreichender Raketen ohne Reichweitenbeschränkung.

Die russische Seite scheint nach dreieinhalb Jahren Krieg weiter denn je davon entfernt, den ukrainischen Brandherd endlich auszutreten. Wie soll das weitergehen?

Igor Wsewolodowitsch Girkin/ Igor Strelkow Fotoquelle: Maxim Shemetov/Reuters]

Es ist nicht so, daß es in Rußland nicht längst kritische Stimmen gibt. Eine der prominentesten, der ehemalige Geheimdienstler Igor W. Girkin (bekannter unter dem Pseudonym Igor I. Strelkow), sitzt seit Jahren hinter Gittern. Das hindert ihn nicht, sich immer wieder mit schnörkellosen Lageanalysen zu Wort zu melden. Er warnte zuletzt Anfang September davor, daß die russische „Spezialoperation“ in der Ukraine eigentlich gescheitert sei:

Wir werden weder morgen noch übermorgen noch überübermorgen ohne sehr große Anstrengungen siegen. Und es wird keinen Kompromiß geben, der Krieg wird weitergehen. (…) Wir konnten im Sommer nirgendwo die Front durchbrechen. Wir konnten im Sommer nichts tun, außer endlich den Gegner aus Chasiv Yar zu vertreiben, das 16 Monate lang angegriffen wurde – eine Stadt mit 20.000 Einwohnern! (…) Der Gegner hat keine Notwendigkeit, diese Altersgruppe [der 16jährigen] einzuziehen, die Ausreisebestimmungen zu verschärfen oder sogar die bisherigen Ausreisebestimmungen beizubehalten. Warum braucht der Gegner also noch mehr Menschen, wenn er mit den ihm zur Verfügung stehenden Kräften zurechtkommt? Ja, vielleicht verliert der Feind eine gewisse Anzahl potentieller Soldaten. Aber im Moment braucht er sie offenbar gar nicht. Das ist eine Schande.

Dem ist wenig hinzuzufügen. Eines aber doch: der Krieg, den der Westen in der Ukraine gegen Rußland führt, wird nicht von allein enden. Er kann vom Westen, Trumps USA im Rücken, noch sehr lange fortgeführt werden. Nach den Ukrainern können die Polen, danach nach Bedarf andere Europäer in der Ukraine verheizt werden, natürlich auch die Deutschen, die zu diesem Zweck gerade die Wehrpflicht zurückbekommen.

Und ewig wird Rußland und die russische Gesellschaft die damit verbundenen Belastungen nicht wegstecken können. Will Rußland Frieden, ist die Konfrontation mit dem Westen tatsächlich unvermeidlich. Der Westen läßt Moskau gar keine andere Wahl. Die Verbohrtheit und Zielstrebigkeit, mit der Merz, Kallas, von der Leyen und Co. jede Friedenslösung torpedieren und stattdessen den Krieg herbeireden, herbeiprovozieren, ist schwerstkriminell.

Alexander Dugin, der große Theoretiker der multipolaren Weltordnung, machte kürzlich eine ernste Bemerkung: Rußland müsse den Krieg mit einem Sieg beenden. Andernfalls werde es untergehen.

Genau das prophezeite schon 1997 der US-Sicherheitsberater Zbigniew Bzrezinksi in seinem Geopolitik-Klassiker ›Die einzige Weltmacht‹. Er widmete der Ukraine darin nicht umsonst 20 Seiten. Die Frage ist, wann der Groschen im Kreml fällt.

Quelle: https://www.facebook.com/karl.richter.798
Beitragsfotoquelle: Maxim Shemetov/Reuters

Die Entscheidung