Karl Hein

Gedanken um Tod und Unsterblichkeit von

Friedrich Nietzsche  und Erwin Guido Kolbenheyer

Du denkst an den Tod?

Er ist dein Freund!

Der Gedanke an ihn breitet dein Leben vor dir aus
wie ein buntes Gewebe aus Licht und Schatten.
Und wohl geraten ist dir das Leben,
wenn du mit deinem Handeln dein Bestes und Äußerstes getan hast,
um deines Volkes Fortdauer und Zukunfts-Offenheit zu erhalten.
Deine leiblichen Nachkommen und dein körperliches und geistiges Tun
wirken fort in die Zukunft hinein, sind ein kleiner Schritt in die Ewigkeit.
Not baute an unserem Leben,
unsere Antworten auf die Not sicherten unseren Weg.
Immer wird das Not-Wendige das Leben weitertragen.
So erwarte denn deinen Freund oder gehe ihm entgegen
– sein Kommen ist notwendig für das Leben nach dir.

Spare dich nicht,wuchere mit deinem Pfund für das Leben,
ringe über dich hinaus
mit allen deinen Kräften!
Sowei du über dein individuelles Ich
in das Leben hinaus wirkst,
wo machtlos wird der Tod vor dir sein.

[E.G. Kolbenheyer / Bauhütte]

Aber nicht nur machtlos soll der Tod vor uns sein: Wohl ist es eine Befreiung aus einer zweitausend jährigen Nacht, wenn wir die verzerrten Vorstellungen eines christlichen Todes-Sinnes abwerfen.

Wohl sind wir frohgemut, wenn wir den Sinn unseres Lebens wieder in der Gemeinschaft finden und den Zweck des Einzelindividuums als Glied in der Kette der Geschlechter erkannt haben.

Und doch können wir auf der Ebene unseres Gemütes, jenseits von Logik und Tageswissen noch eine Stufe weiter kommen, auf eine Höhe, die unsere Ahnen bereits einmal erreicht hatten.

Der Tod ist nicht unser Feind! Er gehört zu uns wie der Sonnenuntergang zum Ablauf eines Tages, wie der Winter zum Abschluß des Jahres.

Der Tod ist unser Freund, unser treuester Gefährte

Wir tragen ihn nicht nur biologisch in uns, er steht auch hinter allem, was das Leben lebenswert macht.

Erst das Vergängliche einer Blüte läßt uns deren Schönheit so tief, so begeisternd empfinden.
Nur der verklingende Ton, das verebbende Lied setzt die jenseits aller Worte waltende Freude an der Musik frei.

Ein ewiges Schlaraffenland, ein Dauerton oder eine ununterbrochene Folge von Klängen, ein nicht endender Sommer wird zu „Hölle”.

Das „ewige Leben nach der Auferstehung des Fleisches” ist ein naiver Selbstbetrug, der mit der fehlenden Vorstellung eines fehlenden Todes das Ganze zu einem leidvollem Chaos degradiert.

Wir selbst schwingen mit in einer Harmonie des Werdens und Vergehens, wären uns selbst ein Fluch, wenn wir auf einer Stufe, z.B. im reifen Alter „ewig” leben könnten oder sollten.

Wir schwingen als winzige Lebenselemente mit im großen Werden und Vergehen, sind eingebunden in diese Melodie, in der der Tod nicht fehlen darf als unser bester und letzter Freund.

Wir sind nicht verloren an den Tod, sondern er endet nur, was mit der Liebe unserer Eltern begann; und unsere Nachkommen und unser Tun wirken weiter, so lange die kosmischen Gegebenheiten Leben auf dieser Erde ermöglichen.

Aus tiefem Born
bist du geborn,
in Urwelt -Fernen
gründet deine Welt.
Leb zu,
an keinen Tod verlorn,
erkämpften Wegs als
Brücke, Lied und Feld.
Über dich
und durch dich geht
das Leben,
das nur dann besteht,
wenn du es
weiterreichst zumal
als rollendes Rad
im pulsenden All.

[Karl Hein]

 

Friedrich Nietzsche: Vom freien Tod

…Auf eine stolze Art Sterben, wenn es nicht mehr möglich ist, auf eine stolze Art zu leben. Der Tod, aus freien Stücken gewählt, der Tod zur rechten Zeit, mit Helle und Freudigkeit….
…so, daß Der noch da ist, der sich verabschiedet, insgleichen ein wirkliches Abschätzen des Erreichten und Gewollten, eine Summierung des Lebens…

Der Tod unter den verächtlichsten Bedingungen, ein unfreier – Tod, ein Tod zur Unrechten Zeit, ist ein Feiglingstod.

Man sollte, aus Liebe zum Leben-, den Tod anders wollen, frei, bewußt, ohne Zufall, ohne Überfall…

Viele sterben zu spät, und einige sterben zu früh. Noch klingt fremd die Lehre: ‚stirb zur rechten Zeit!’

Stirb zur rechten Zeit; also lehrt es Zarathustra. Freilich, wer nie zur rechten Zeit lebte, wie sollte der je zur rechten Zeit sterben? Möchte er doch nie geboren sein! – Also rate ich den Überflüssigen.

Aber auch die Überflüssigen tun noch wichtig mit ihrem Sterben, und auch die hohlste Nuß will noch geknackt sein.

Wichtig nehmen alle das Sterben: aber noch ist der Tod kein Fest. Noch erlernten die Menschen nicht, wie man die schönsten Feste weiht.

Den vollbringenden Tod zeige ich euch, der den Lebenden ein Stachel und ein Gelöbnis wird.

Meinen Tod lobe ich euch, den freien Tod, der mir kommt, weil ich will.

Und wann werde ich wollen? – Wer ein Ziel hat und einen Erben, der will den Tod zur rechten Zeit für Ziel und Erben.

Aus Ehrfurcht vor Ziel und Erben wird er keine dürren Kränze mehr im Heiligtum des Lebens aufhängen.

m Manne ist mehr Kind als im Jüngling, und weniger Schwermut: besser versteht er sich auf Tod und Leben. Frei zum Tod und frei im Tod, ein heiliger Nein-Sager, wenn es nicht mehr Zeit ist zum Ja: also versteht er sich auf Tod und Leben.

Daß euer Sterben keine Lästerung sei auf Mensch und Erde, meine Freunde: das erbitte ich mir vom Honig eurer Seele.

In eurem Sterben soll noch euer Geist und eure Tugend glühn, gleich einem Abendrot um die Erde: oder aber das Sterben ist euch schlecht geraten.

Also will ich selber sterben, daß ihr Freunde um meinetwillen die Erde mehr liebt; und zur Erde will ich wieder werden, daß ich in der Ruhe habe, die mich gebar.

Wahrlich, ein Ziel hatte Zarathustra, er warf seinen Ball: nun seid ihr Freunde meines Zieles Erbe, euch werfe ich den goldenen Ball zu.

 

… Ewigkeit

Höchstes Gestirn des Seins!
Ewiger Bildwerke Tafel!
D u kommst zu mir? –
Was keiner erschaut hat,
deine stumme Schönheit,-
wie? sie flieht vor meinen Blicken nicht?-

Schild der Notwendigkeit!
Ewiger Bildwerke Tafel!
– aber du weißt es ja:
was Alle hassen,
was allein ich liebe:
– daß du ewig bist!
daß du notwendig bist! –
meine Liebe entzündet
sich ewig nur an der Notwendigkeit.

Schild der Notwendigkeit!
Höchstes Gestirn des Seins!
– das kein Wunsch erreicht,
– das kein Nein befleckt,
ewiges Ja des Seins,
ewig bin ich dein Ja:
denn ich liebe dich, oh Ewigkeit! –

[Friedrich Nietzsche]