…Warum die Zutaten für einen Bürgerkrieg längst bereitstehen

Heinz Steiner 

 

Man muß es aussprechen, auch wenn die Politiker lieber weiterhin das Lied von „Stabilität” und „Zusammenhalt” trällern: Europa ist längst kein Hort der Sicherheit mehr. Die Völker und Gesellschaften sind tief gespalten, das Vertrauen in staatliche Institutionen ist im freien Fall, die ökonomische Basis bröckelt – und die demographische Entwicklung tut ihr Übriges. Professor David Betz von der Universität London bringt es auf den Punkt: Die Risikofaktoren für einen Bürgerkrieg sind längst gegeben, die Frage ist nur, wann der Funke überspringt.

Die Parallelen zu Jugoslawien in den 1990ern sind unübersehbar. Auch dort lebte man bis kurz vor der Eskalation in einer trügerischen Normalität. Noch funktionierte das öffentliche Leben, noch gingen die Leute zur Arbeit, noch waren die Cafés voll. Bis plötzlich nichts mehr normal war und Nachbarn, die jahrzehntelang nebeneinander lebten, zu Feinden wurden.

Wer heute behauptet, in Paris, Brüssel oder Berlin könne so etwas niemals geschehen, verfällt demselben gefährlichen „Normalitätsbias”, den Betz beschreibt: dem Selbstbetrug, daß die Dinge bleiben, wie sie sind – nur weil man es so gewohnt ist.

Die Zutaten für den großen Knall sind bereits vorhanden. Eine Mehrheitsgesellschaft, die sich zunehmend marginalisiert fühlt und der man jede Selbstbehauptung als „rechtsextrem” verbietet. Eine aggressive Identitätspolitik, die alte Fronten wieder aufreißt und neue schafft. Ein politisches Establishment, das Masseneinwanderung nicht als Problem, sondern als „Projekt” zur gesellschaftlichen Umgestaltung begreift.

Und eine Wirtschaft, die durch Schulden, Deindustrialisierung und planwirtschaftliche Energiefantasien an den Rand des Kollapses getrieben wird. Wenn Gesellschaften unter solchem Druck stehen, kippen sie – das lehrt nicht nur die Geschichte, das zeigen auch die Modelle der Konfliktforschung.

Besonders wichtig ist die Frage nach der „kritischen Masse”. Studien wie jene mit dem Titel ›The ‘3.5% rule’: How a small minority can change the world‹ von Erica Chenoweth und Maria J. Stephan belegen, daß es nicht mehr als rund 3,5 bis 5 Prozent einer Bevölkerung braucht, um einen Umsturz oder tiefgreifende Veränderung herbeizuführen – wenn dieser Teil nur entschlossen genug agiert.

Auf die Europäische Union und die einzelnen Staaten übertragen heißt das: Schon eine relativ kleine, aber radikalisierte Minderheit kann das fragile Gleichgewicht zerstören. In einer Zeit, in der ganze Großstädte bereits Parallelgesellschaften (teilweise mit No-Go-Areas) ausgebildet haben, ist das keine theoretische Gefahr mehr.

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Betz warnt vor zwei Szenarien, die sich gegenseitig verstärken könnten: zum einen der „schmutzige Krieg” lateinamerikanischen Zuschnitts, bei dem Gewalt gezielt gegen Eliten und ihre Einrichtungen gerichtet wird und der Staat mit Gegenschlägen antwortet. Zum anderen urbane ethnische Konflikte, wie sie sich in den Banlieues Frankreichs und in so manchen schwedischen Städten längst abzeichnen – Straßenschlachten, Brandanschläge, offene Feindseligkeit gegenüber der Polizei.
Kommt eines davon ins Rollen, rechnet Betz mit einer bis zu 60-prozentigen Wahrscheinlichkeit, daß weitere Länder nachziehen. Frankreich könnte zum Domino-Stein werden, der ganz Europa kippen läßt. Aber auch in Großbritannien oder Irland haben die Bürger zunehmend die Nase gestrichen voll.

Auf wissenschaftlicher Ebene wird längst intern über diese Szenarien gesprochen – nur öffentlich wagt es kaum jemand, die Dinge klar beim Namen zu nennen. Zu groß ist die Angst vor Stigmatisierung, zu mächtig das Narrativ der politischen Korrektheit. Doch das vom System erzwungene Schweigen ändert nichts an den Fakten. Das Vertrauen in Parlamente, Regierungen und Medien erreicht in Umfragen regelmäßig historische Tiefstwerte.

Die demographischen Projektionen zeigen eine rapide schrumpfende Mehrheitsgesellschaft, während die Massenzuwanderung für neue, fragmentierte Minderheitsgesellschaften sorgt. Die ökonomische Basis wird von Inflation, Steuerlast und Energiekrisen zerfressen. Und die politische Elite redet lieber über „Vielfalt”, „Diversität” und „Klimaziele”, als die tickende gesellschaftspolitische Zeitbombe zu entschärfen.

Das Perfide an dieser Entwicklung: Während die breite Masse noch an das Märchen vom „europäischen Friedensprojekt” glaubt, wird die Realität Schritt für Schritt von jenen Bedingungen bestimmt, die laut der Konfliktforschung Bürgerkriege fast unausweichlich machen.
Wer diese Entwicklung ignoriert, betreibt nicht nur Selbsttäuschung, sondern gefährdet das Überleben der eigenen Gesellschaft. Europa ist längst kein sicherer Kontinent mehr. Die Frage ist nicht, ob Konflikte eskalieren, sondern wann und wo sie beginnen.