Jürgen Hübschen

 

Nach mehrfachen israelischen Luftangriffen gegen den Iran, haben die USA in der Nacht vom 21./22. Juni die iranischen Atomeinrichtungen bombardiert.

Der Generalsekretär der NATO und ehemalige niederländische Ministerpräsident, Mark Rutte, hat das Vorgehen der USA im Iran auf einer Pressekonferenz in Den Haag verteidigt. Seiner Ansicht verstößt das, was die USA getan haben, nicht gegen internationales Recht.“

Im Vorfeld des NATO Gipfels schickte er die nachstehende persönliche Botschaft an den US-Präsidenten:

„Herr Präsident, lieber Donald,
ich gratuliere dir und danke dir für dein entschlossenes Handeln im Iran, das wirklich außergewöhnlich war und was sich sonst niemand getraut hat zu tun. Das macht uns alle sicherer.“

In einem ZDF Interview erklärte Bundeskanzler Merz, er sei dankbar für das israelische Vorgehen gegen Iran. Merz wörtlich: „Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle.“

Vor dem Hintergrund dieser Aussagen stellt sich die Frage, ob die regelbasierte internationale Ordnung noch auf dem Völkerrecht fußt oder mittlerweile durch das Recht des Stärkeren ersetzt wurde.

Die grundsätzlichen Regeln des Völkerrechts

Das UNO-Gewaltverbot nach Artikel 2 Nr. 4 der UN-Charta, verbietet die Anwendung oder Androhung von Gewalt im zwischenstaatlichen Bereich. Es ist ein grundlegendes Prinzip des Völkerrechts und soll den Frieden und die Sicherheit der Welt gewährleisten.

Die wesentliche Ausnahme zum Gewaltverbot ist das Recht eines jeden Staates auf Selbstverteidigung. Dazu können ggf. auch Präventivkriege gehören, falls ein Angriff auf das betreffende Land unmittelbar bevorsteht.

Wesentliche Beispiele für die Verletzung des Völkerrechts durch Angriffskriege in der jüngeren Vergangenheit

Die nachfolgende Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern führt nur beispielhaft die eklatantesten Völkerrechtsbrüche der jüngeren Vergangenheit auf.

  • Die Rechtmäßigkeit des Vietnamkriegs von 1955 bis 1975 wird von vielen Experten angezweifelt, u.a., weil es den als Auslöser des Krieges bezeichneten nordvietnamesischen Angriff auf die US-amerikanischen Kriegsschiffe, darunter die Zerstörer „USS Maddox“ und „USS Turner Joyim“ im Golf von Tonking nicht gegeben hat.
  • Der israelische Sechs-Tage-Krieg von 1967 war und ist für viele Experten kein Präventivkrieg im Sinne des Völkerrechts.
  • Der russische Krieg in Afghanistan 1979 bis 1989 ist als völkerrechtswidrig einzuordnen, weil es kein UN-Mandat dafür gegeben hat.
  • Der Angriffskrieg der USA in Grenada 1983 war völkerrechtswidrig.
  • Der Angriffskrieg der USA in Panama 1989/90 war völkerrechtswidrig.
  • Die NATO hatte für ihr Eingreifen im Kosovokrieg 1998/99 kein UN-Mandat. Somit war der Einsatz völkerrechtswidrig.
  • Der USA Krieg gegen Afghanistan 2001 bis 2021 ist völkerrechtlich strittig, weil das amerikanische Recht auf Selbstverteidigung im konkreten Fall angezweifelt wird, es kein UN-Mandat gegeben hat und keiner der Attentäter vom 11. September 2001 aus Afghanistan kam. Dagegen war die NATO-Mission in Afghanistan durch ein UN-Mandat legitimiert.
  • Der US-Krieg gegen den Irak im Jahr 2003 war ein völkerrechtwidriger Angriffskrieg, basierend auf unwahren Behauptungen Washingtons.
  • Das UN-Mandat – UN-Resolution 1973 – für den internationalen Militäreinsatz in Libyen im Jahr 2011 diente ausschließlich der Einrichtung einer Flugverbotszone, zum Schutz der Zivilbevölkerung in Libyen und der Verhinderung von Waffenimporten über See. Alle weiteren militärischen Maßnahmen, die letztlich zum Sturz von Präsident Gaddafi führten, waren völkerrechtswidrig.
  • Der 2022 begonnene und weiterhin andauernde russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ist völkerrechtswidrig.
  • Die Angriffe Israels und der USA gegen den Iran werden von führenden Völkerrechtlern weder als Maßnahmen der Selbstverteidigung noch als legitime Präventivmaßnahmen eingestuft und sind deshalb völkerrechtswidrig.

Darüber hinaus gab es verschiedene völkerrechtswidrige Militärinterventionen der USA in Nicaragua. Luftangriffe der USA gegen den Irak oder gegen Syrien oder die Liquidierung des iranischen Generals Suleimani und anderer – nach Meinung der USA – „Unterstützer des internationalen Terrors“ durch amerikanische Drohnen, waren vom Völkerrecht nicht gedeckt.

Zukunft der regelbasierten internationalen Ordnung: Völkerrecht oder Recht des Stärkeren?

Vor dem Hintergrund der aufgeführten Völkerrechtsbrüche muß man feststellen, daß die regelbasierte internationale Ordnung de facto nicht mehr auf dem Völkerrecht beruht, sondern sich mehr und mehr das Recht des Stärkeren durchsetzt. Diese Entwicklung ist nicht nur unmoralisch, sondern auch brandgefährlich. Die Wirkung dieser Tendenz wird noch entscheidend dadurch verstärkt, wenn zu bestimmten Völkerrechtsbrüchen gratuliert wird oder diese als zu erledigende Drecksarbeit bezeichnet werden, während andere – wie im Fall Rußlands – u.a. mit Sanktionen bestraft werden.

Dadurch entsteht der Eindruck, daß Völkerrechtsbrüche, die von Staaten und Politikern begangen werden, die sich selbst eine höhere moralische Qualität und Integrität anmaßen, nicht so schlimm sind als wenn diese von Diktatoren begangen werden. In Bezug auf Israel geht die Entwicklung so weit, daß sich Deutschland selbst bei Völkerrechtsbrüchen noch mit Israel solidarisch erklärt.

Dabei sollte sich Deutschland – nicht zuletzt im eigenen Interesse, dafür einsetzen, daß das Völkerrecht wieder die Grundlage der regelbasierten internationalen Ordnung wird und nicht durch das Recht des Stärkeren ersetzt wird, weil unser Land nämlich nicht zu „den Stärkeren“ gehört!

Quelle: https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/wie-geht-es-mit-dem-voelkerrecht-weiter/

 

 

Amerikas Kriege seit dem 2. Weltkrieg