
Der folgende Beitrag entstammt der endgültig letzten Ausgabe der Zeitschrift ›Deutsche Warte‹, Nr. 14 – 2025/1.
Etwa 15 Jahre wurde das Heft herausgegeben, anfänglich unregelmäßig unter dem Namen ›Die Russlanddeutschen Konservativen‹, und ab 2021 kam diese Kultur- und Volkstums-Zeitschrift drei Mal im Jahr als ›Deutsche Warte‹ heraus.
Anfänglich ging es dem Initiator Johann Thießen um die Berichterstattung und Vernetzung von Aktivitäten im Bekanntenkreis und im Umfeld einer Gruppe von Russlanddeutschen. Mit der Zeit kamen neue Themen hinzu, u.a. über Politik und Geschichte.

Johann Thießen
Die Erkenntnis, daß die Kultur die höchste Politik, das Fundament der Weltanschauung und der wahren Heimatliebe ist, reifte zu dem Entschluß, das Blatt umzubenennen und sich mit rein kulturgeschichtlichen Themen zu befassen.
Johann Thießen, der Schriftleiter und die Mitwirkenden haben jahrelang ehrenamtlich, mit eigenen Mitteln die Herausgabe der einzigartigen Zeitschrift zustande gebracht. Ihnen gebührt großer Dank und Anerkennung für Ihre wertvolle Arbeit.

Käthe Kruse mit ihren Töchtern Fifi (Sophie) und Mimerle (Maria) (v. l.) Bildquelle: Wikipedia
Käthe Kruse wird am 17.09.1883 in Dambrau bei Breslau als Katharina Johanna Gertrud Simon geboren. Sie ist die Tochter des Stadthauptkassenbuchhalters Robert Rogaske und der Näherin Christiane Simon. Nach ihrem Schulabschluß 1900 nimmt sie Schauspielunterricht und erhält bereits ein Jahr später – mit 17 Jahren – eine Einstellung am Lessingtheater in Berlin. Später folgen Gastauftritte in Warschau und Moskau. Ihr Künstlername ist zu dieser Zeit Hedda Somin.
In der Berliner Künstler- und Literatenszene rund um das ›Cafe des Westens‹ lernt Käthe Kruse 1902 den Berliner Bildhauer und Bühnenbildner Max Kruse kennen, ihre erste Tochter Maria kommt zur Welt.

Käthe Kruse und ihr 1. Kind. Bildquelle: Wikipedia
Während Max Kruse weiterhin in Berlin arbeitete, zog sie 1904 während ihrer zweiten Schwangerschaft in die Toskana und von dort später ins Tessin, um zu malen. Zu Max Kruse bestand zu dieser Zeit reger Briefkontakt, und er reiste oft zu Besuchen an.
Als die zweite Tochter Sophie 1905 geboren wird, wünscht sich die ältere Tochter Maria eine Puppe. Käthe Kruse beauftragt Max Kruse, eine Puppe aus Berlin mitzubringen. Er fand die damals üblichen starren Porzellanpuppen so scheußlich, daß er sich weigerte, Tochter Mimerle eine mitzubringen: „Nee, ick koof euch keene. Ick find se scheißlich. Macht euch selber welche“.
Also fing Mama Käthe zu basteln an. Und legte Mimerle 1905 die erste echte Kruse-Puppe unter den Weihnachtsbaum: ein mit Sand gefülltes Tuch, auf dem ein dicker Kartoffel-Kopf saß. Ein „Kind für ein Kind“.
Schnell zerliebte Mimerle die Puppe, so daß Käthes Künste von neuem gefordert waren. Sie verfeinerte ihr Handwerk und nahm für die Köpfe lieber Gipsformen. Nach einiger Zeit wirkten ihre Puppen so lebensecht, als hätten sie eine Seele, während Kartoffeln im Hause Kruse wieder zum Kochen benutzt werden konnten.

Familie Kruse
Käthe Kruse hat in der Puppe nie das Handelsobjekt oder Sammlerobjekt gesehen, den Gegenstand, den man kaufen und verschenken kann. Vor ihren Augen stand immer das Kind, das mit der Puppe spielt, der kleine Mensch, der durch das Spiel in das lebendige Leben hineinwächst. Sie wollte schlicht den Reiz eines Wesens, das liebevolle Gefühle erweckt, wiedergeben. So können Käthe Kruses Puppen an dem mit Stoff überzogenem Kopf, kindlichen und ernstem Gesichtsausdruck und der damit erreichten Natürlichkeit erkannt werden.
Im Jahre 1909 wird die dritte Tochter „Hannerle“ geborenen, und Käthe und Max Kruse heiraten in München. 1910 – also fünf Jahre nach ihrem ersten Kartoffelkopf – nimmt Käthe Kruse an der Ausstellung in Berlin „Spielzeug aus eigener Hand“ teil.
Die Hand geht dem Herzen nach. Nur die Hand kann erzeugen, was durch die Hand wieder zum Herzen geht. [Käthe Kruse]
Käthe Kruse präsentiert dort zum ersten Mal ihre liebevoll von Hand gefertigten Puppen. In der Presse werden die Puppen als „Ei des Kolumbus“ bezeichnet. Danach war in der Puppenindustrie nichts mehr wie vorher. Die Kruse-Fangemeinde wuchs schnell und bald auch über die Grenzen Deutschlands hinaus. Und als sogar aus den USA ein Auftrag über 150 Kruse-Puppen kam, richtete sich Käthe 1912 eine eigene Werkstatt in Bad Kösen im Süden Sachsen-Anhalts ein.
Jetzt kommen mehrere Puppen-Ausstellungen, in Deutschland, in Europa, weltweit, an denen Käthe Kruse teilnimmt und gewinnt: in Florenz die ›Große Goldene Medaille‹, in Frankfurt den ›1. Preis‹ und in Breslau den ›1. Preis‹.
Die Puppenproduktion in Bad Kösen florierte. Käthe Kruse verkaufte ihre Modelle erfolgreich im In- und Ausland und konnte sie durch geschickte Werbeschachzüge wie z. B. ein eigener Katalog, Werbeanzeigen in internationalen Magazinen, Interviews und Werbepostkarten weltweit auf dem Spielzeugmarkt etablieren. Sie waren auf allen wichtigen Messen vertreten und hatten auch schon Preise gewinnen können. Neben den Puppenkindern mußte sich Käthe Kruse aber auch noch um ihre eigene, wachsende Kinderschar kümmern. 1921 kam mit Max das letzte ihrer sieben Kinder zur Welt: Maria 1902, Sofie 1905, Hanne 1909, Michael 1911, Jochen 1912, Friedebald 1918 und Max 1921. 1937 war die Weltausstellung in Paris, Grand Prix für Schaufensterfiguren, wo Käthe den ersten Preis bekam.
1942 starb Max Kruse in Berlin (*14.04.1854-29.11.1942). In wirtschaftlich guten Zeiten beschäftigte Käthe Kruse bis zu 120 Frauen, die sie selbst anlernte. In reiner Handarbeit gefertigt gingen von Bad Kösen aus mehrere hunderttausend Puppen in alle Welt.
1945 wird Bad Kösen sowjetische Besatzungszone. Die Produktion wird immer schwieriger. So gründeten zwei ihrer Söhne, darunter der spätere Kinderbuchautor Max Kruse, Werkstätten in Bad Pyrmont und Donauwörth. Wegen der drohenden Enteignung verließ Kruse 1950 Bad Kösen und ging nach Donauwörth.
1949 Weihnachten war sie noch da, und dann auf einmal hieß es: Die ist weg!
erinnert sich eine ehemalige Perückenknüpferin. Zurück ließ die Künstlerin ihre Werkstätten und das handwerkliche Geschick vieler Frauen beim Nähen, Stopfen, Bemalen und Reparieren von Puppen. Die neuen Werkstätten in Donauwörth wurden von 1946 bis 1953 von Käthe Kruses Sohn Michael geleitet. Danach beschloß der gelernte Physiker nach Südafrika auszuwandern, wo er in Pretoria lebte und arbeitete.
Max Kruse jun., der bereits von 1946 bis 1949 das Zweigwerk in Bad Pyrmont aufgebaut und geleitet hatte, übernahm die Werksleitung in Donauwörth bis 1958 und übergab dann die Werksleitung an seine Schwester Hanne Adler-Kruse und deren Ehemann Heinz Adler. Max Kruse widmet sich seitdem seiner Berufung als Schriftsteller – vor allem bekannt für seine Kinderbücher ›Der Löwe ist los‹ und das auch durch die Augsburger Puppenkiste populär gewordene ›Urmel aus dem Eis‹.
Hanne Adler- Kruse übernahm die künstlerische Leitung der Werkstätten, Heinz Adler kümmerte sich um Geschäfte und Kunden. Bereits 1957 hatte Hanne Kruse ihr erstes eigenes Puppenmodell, das ›Däumlinchen‹ kreiert und mit großem Erfolg auf der Nürnberger Spielwarenmesse vorgestellt. Ihre folgenden Puppenschöpfungen wurden unter der Bezeichnung ›Modell Hanne Kruse‹ vermarktet.
Käthe Kruse starb am 19.07.1968 in Murnau und wurde in Ebenhausen im Isartal begraben. Als sie starb, leitete ihre Tochter Hanne Adler-Kruse gemeinsam mit ihrem Ehemann Heinz Adler die Herstellung weiter. Zwischen 12.000 bis 15.000 Kösener Künstler-Puppen wurden jährlich bis 1964 noch in Bad Kösen gefertigt, die statt des Namenszuges ihrer Erfinderin nun den VEB-Stempel auf die linke Fußsohle bekamen. Ein offizielles Andenken an die wohl berühmteste Bewohnerin, die in ihrer Bad Kösener Zeit den ›Grand Prix‹ auf zwei Weltausstellungen gewann, ihre Fertigungsmethoden patentieren ließ und einen Urheberrechtsstreit um den geschützten Markennamen „Käthe-Kruse-Puppe“ gewann, gab es in der DDR nicht. Die Erinnerungen der Bad Kösener an Käthe Kruse und ihre Puppen aber blieben. Hanne Adler-Kruse und Heinz Adler leiteten die Werkstätten bis 1990.

Käthe Kruse, Bildquelle: kaethe-kruse.de
Über 80-jährig entschloß Hanne Kruse sich dazu, die Werkstätte in neue Hände zu geben. Da alle ihre Kinder mit anderen Berufen und mit Familie fest im Leben standen, fand sich unter den Kruse- Nachkommen niemand, der die Werkstätten übernehmen mochte. 1990 übergab Hanne Adler-Kruse die Käthe-Kruse-Werke an Andrea Kathrin und Stephen Christenson und der Familie des Fürsten zu Castell-Castell.

Käthe Kruse mit ihren Enkelkindern. Bildquelle: Käthe Kruse GmbH
Dort wurden bis 2013 noch ganz im Sinne der legendären Schöpferin Käthe- Kruse-Puppen geschaffen. So lebte der Geist der 1968 verstorbenen Käthe Kruse weiter: Nach ihrem Leitspruch „Die Hand geht dem Herzen nach“ wird noch immer jede Puppe in Handarbeit hergestellt. Dahinter stecken bis zu sechs Stunden Arbeit. Für manche Exemplare zahlen Liebhaber sogar bis zu 800 Euro. Die sind dann aber wirklich bei erwachsenen Puppenmuttis besser aufgehoben als in Kinderhänden.

Puppe aus dem Jahr 1918. Bildquelle: Wikipedia
2013 übernimmt der weltgrößte Hersteller von Holzspielwaren aus nachhaltigen Materialien, die ›Hape Holding AG, die Käthe Kruse GmbH – zum 130. Geburtstag von Käthe Kruse. Zu DDR-Zeiten war eine Ehrung der bedeutendsten Bürgerin der Stadt undenkbar. Erst nach der politischen Wende erhielt die Straße, in der sich bis 1971 die Werkstätten befanden, ihren Namen. Das Museum der Stadt Bad Kösen bemühte sich intensiv um den Aufbau einer ständigen Käthe-Kruse-Puppenausstellung.
Der Bereitstellung von Fördermitteln durch das Land Sachsen-Anhalt und der Stadt Bad Kösen ist es zu verdanken, daß 1992/93 aus Privathand die Sammlung „Wally Lüer“ erworben werden konnte. Zusammen mit den eigenen Beständen verfügt das Museum der Stadt Bad Kösen gegenwärtig über zirka 230 Käthe-Kruse-Puppen. Ein Großteil von ihnen wird seit 1993 im Obergeschoß der Kunsthalle präsentiert.

Käthe Kruse im Jahr 1923 mit ihrem Sohn Friedebald, der ihr Modell zur Puppe ›Das deutsche Kind‹ war. Bildquelle: Metapedia