… für
zum Geburtstag!
Herr Mannelig (schwedische Ballade) in Deutsch von Margherita Pirri
Herr Mannelig
Einstmals früh am Morgen vor Sonnenaufgang
Noch bevor der Vögel Lied erklang
Macht’ die Bergtrollin dem Ritter einen Antrag
Sie sprach mit gespaltener Zunge
Herr Mannelig, Herr Mannelig
Ich bitt’ mich, heirat’ mich
Für alles, was ich dir so gern geb’
Deine Antwort kann nur „ja“ sein oder „nein“
Sagst du „ja“ oder „nein“
Ich werde dir zwölf feine Stuten schenken
Die dort im schattigen Hain grasen
Noch nie haben sie einen Sattel gespürt
Noch an einem Zügel geführt
Herr Mannelig, Herr Mannelig
Ich bitt’ mich, heirat‘ mich
Für alles, was ich dir so gern geb’
Deine Antwort kann nur „ja“ sein oder „nein“
Sagst du „ja“ oder „nein“
Ich geb’ dir dieses goldene Schwert
Das klingt mit fünfzehn Goldringen
Im Kampfe schlägt es, wie du willst
Auf dem Schlachtfeld wirst du Sieger sein
Herr Mannelig, Herr Mannelig
Ich bitt’ mich, heirat’ mich
Für alles, was ich dir so gern geb’
Deine Antwort kann nur „ja“ sein oder „nein“
Sagst du „ja“ oder „nein“
Deine Geschenke würd’ ich gern nehm’
Wenn du eine christliche Frau wärst
Doch du bist ein böser Bergtroll
Aus dem Hause der Trolle und des Teufels
Herr Mannelig, Herr Mannelig
Ich bitt’ mich, heirat’ mich
Für alles, was ich dir so gern geb’
Deine Antwort kann nur „ja“ sein oder „nein“
Sagst du „ja“ oder „nein“
Da rannt’ die Bergtrollin hinaus aus der Tür
Sie weinte und klagte so laut …
Herr Mannelig, Herr Mannelig
Ich bitt’ mich, heirat’ mich
Für alles, was ich dir so gern geb’
Deine Antwort kann nur „ja“ sein oder „nein“
Sagst du „ja“ oder „nein“
Haggard – Herr Mannelig, italienische Version von Sängerin Laura Bel
Herr Mannelig
Eines frühen Morgens, bevor die Sonne aufging,
bevor die Vögel begannen zu singen,
machte die Schwarzalbin dem schönen Jungen einen Antrag.
Sie sprach mit gespaltener Zunge:
„Herr Mannelig, Herr Mannelig, heiratet Ihr mich,
für das, was ich Euch so gerne gebe ?
Ihr könnt nur ja oder nein sagen,
ob Ihr es tun wollt oder nicht ?
Ich werde Euch die zwölf prächtigen Rösser geben,
die dort im Gehölz grasen.
Noch nie wurde ein Sattel auf sie gelegt,
noch nie hatten sie eine Trense im Maul.
Ich werde Euch die zwölf feinen Mühlen geben,
die zwischen Tillö und Ternö stehen.
Die Mahlsteine wurden aus dem rotesten Kupfer gefertigt
und die Räder sind mit Silber beschlagen.
Ich werde Euch das vergoldete Schwert geben,
das von fünfzehn Goldringen widerhallt.
Und wenn Ihr es im Hader führt,
werdet Ihr das Schlachtfeld erobern.
Ich werde Euch das brandneue Hemd geben,
das schimmernde Schönste, das es zum Tragen gibt.
Es wurde nicht mit Nadel oder Faden genäht,
sondern gewirkt aus weißester Gasterseide.“
„Solche Gaben nähme ich gerne an,
wenn du eine Frau mit gutem Geist wärst.
Aber du bist nun einmal die schlimmste Schwarzalbin,
aus Lokis Brut von Necken und Thursen.“
Die Trollin sprang aus der Tür,
sie heulte und jammerte so laut:
„Hätte ich diesen schönen Jungen bekommen,
wäre ich von meiner Bannung befreit gewesen.“
Herr Mannelig, Herr Mannelig, heiratet Ihr mich,
für das, was ich Euch so gerne gebe ?
Ihr könnt nur ja oder nein sagen,
ob Ihr es tun wollt oder nicht ?
Gerhard Hess
NORDLAND-SEELENFLUG
Ihr Brüder greift zum Zügel,
es geht zurück gen Nord,
zu unserer Väter Mutterland,
die Heimat ist nur dort.
Ihr Schwestern hört das Raunen,
der Runen alten Sang,
kommt mit, kommt mit, kommt her zu uns,
es ist ein guter Gang !
Im Süden herrscht das Feuer,
das ist ein arger Geist,
ihn brennt der Hunger nach Verzehr,
manch‘ Seele er verspeist.
Wir sind der Nordwelt Kinder,
das Südland ist uns fremd,
verliert Euch nicht im falschen Land,
das unsere Seelen hemmt.
Im herben, klaren Norden,
dort gilt noch Manneswort,
dort ehrt man Weib und Eid und Treu‘,
und Männermut an Bord.
Auf stolzen Rosses Rücken
dann Ruderknecht im Boot,
der Sturm brüllt Flausen aus der Brust,
die Möwe fliegt ins Morgenrot.
Grüngold‘ne Wellen spielen
im Sommersonnenglanz -;
ob Winters Grimm, ob lichtes Glück,
der Norden schenkt sich ganz.
Erklärungen von Gerhard Hess
Die altschwedische Ballade „Herr Mannelig“ handelt von einer Trollin die den hübschen Herrn Mannelig überreden möchte, sie zu heiraten. Sie würde ihn dafür mit Geschenken überschütten, doch er lehnt ab, weil sie keine Christin sei. Darauf bemerkt sie, bei einer Heirat „wäre sie von ihrer Qual befreit gewesen“, was z. B. heißen könnte, daß sie bei einer Heirat mit einem christlichen Mann eine unsterbliche Seele bekommen hätte.
Da es sich bei derartigen Erzeugnissen aus der Volkstradition in aller Regel um späte christenkirchliche Umdichtungen handelt, darf man davon ausgehen, daß im Urtext die Ablehnung der Bewerbung natürlich nicht erfolgt ist, weil die Bergtrollin keine Christin ist, vielmehr weil sie zur schwarzalbischen Sippe der Unholden gehört, aus dem Urvater des Bösen, nämlich dem Dämon Loki.
Möglicherweise, nein sicherlich meinte der Originaltext das genaue Gegenteil! Wie aus isländischen Texten der Familien-Sagas hervorgeht, ängstige man sich vor den Schaden bringenden dämonischen Seelen verstorbener Christinnen. Der junge Herr Manneling lehnte also einstmals die Bewerbung der Dämonin eben deshalb ab, weil sie dem böswilligen, fremden, romkirchlichen Bibelglauben anhing, der die volksgläubigen Traditionen und Götter mit unsäglichem Haß verfolgte.
Bezeichnend ist die Herkunftsangabe des Liedes. Es ist erstmals 1877 gedruckt worden und zwar in einer sogenannten Volksliedersammlung „aus der Kirchspielsgemeinde Lunda“. Lunda in Södermanlands, Gemeinde Nyköping. Die beiden in der vierten Strophe des Liedes erwähnten Orte Tillö und Ternö liegen im südlichen Södermanland. Der Titel lautet dort „Bergatrollets frieri“ („Bergtrolls Heiratsantrag“).
Die Vermutung, daß es andere – eben keine kirchenchristlichen Varianten des Liedes gab, beweist Band 3 der genannten Volksliedersammlung. Sie enthält eine ebenso tendenziöse Form dieses Liedes mit dem Titel „Skogjungfruns frieri“ („Waldjungfraus Heiratsantrag“). Auch hier lehnt Herr Mannelig ab, weil die Waldjungfrau eine Heidin ist.
Weitere Varianten dieses Liedes heißen „Herr Magnus och Hafstrollet“ („Herr Magnus und der Meertroll“) sowie „Hertig Magnus och Hafsfrun“ („Herzog Magnus und die Meerjungfrau“). In einer Liedvariante aus Näshulta heißt es statt der „gespaltenen“ also „lügenhaften Zunge“, stattdessen: „Hon sjong med så rörande tunga“ (d. h.: „Sie sang mit so rührender Zunge“).
In dem Märchen von Hans Christian Andersens „Die kleine Meerjungfrau“ versucht sie durch die Heirat mit dem Prinzen eine unsterbliche Seele zu bekommen, doch ist auch ihr Versuch, das Herz des Prinzen zu gewinnen, zum Scheitern verurteilt. Die vorchristlichen Menschen des Nordens waren von einer unsterblichen Seele überzeugt und sie glaubten an die Wiedergeburt, also an das immerwährende Neuerwachen uralter Seelenkräfte innerhalb ihrer Sippen.
Um die zu erwerbende „unsterbliche“ Seele kann es im Urtext nicht gegangen sein, sondern um die lichtalbische Seele, also um die unangekränkelte vorchristliche sonnenstarke Seelenenergie. – Ich habe bei dem hier vorgestellten Liedtext minimale rückkorrigierende Begriffsänderungen vorgenommen, damit dieses nordische Lied von kirchenchristlicher Entstellung befreit würde.
Der Balladenzug „Erlösung durch Liebe“, daß durch das „Ja“ zur Heirat ein Bann des/der Verfluchten aufgehoben sei, ist ein immer wiederkehrendes Motiv in Märchen und Legenden. Abgesehen davon, daß ganz natürlich nur die Liebe des Menschen den Mensch zu erlösen fähig ist – sei es die Geschlechter- oder die Freundesliebe – werden in der Mannelig-Ballade die Glaubensgegensätze der Missionszeiten thematisiert.
Eine Christin, die „kristelig qvinna“, mußte im Gemeinwesen einer nichtchristlichen Siedlung aus altgläubiger Sicht einer nachbarschaftsfeindlichen, mißwilligen Dämonin gleichen. Nach den Glaubensüberzeugungen des Einzelnen war und ist die Auffassung von „Heil-und-Unheil“ austauschbar. Die Erlösung einer gebannten bzw. verführten Christenseele kann durch die Liebe eines Heiden ebenso erfolgen, wie es umgekehrt dem bekanntgewordenen kirchenchristlichen Mannelig-Modus entspricht.