Gerhard Hess

Kultgrab vom Agisterstein – Urbauschema der Arkosol-Kopfnischen-Sarkophage?

Wenn die linksverwirrten Politagitateuere im Lande nüchtern urteilen könnten und nicht durch rotideologische Blockaden beschränkt wären, um beständig von „Emanzipation“ und „Frauenquoten“ zu quasseln, könnten sie akzeptieren, daß in Germanien, respektive in Deutschland, leistungsfähigen und gewillten Frauen niemals Führungswürden versagt geblieben sind, wie es die vielen Äbtissinnen unter Beweis stellten, die ja nichts anderes waren, als Leiterinnen bis zu ganz gewaltigen Witschaftsunternehmungen.

Man hat sich im alten Deutschland, auch nach kirchenchristlichen „Bekehrungen“, nie an den hebräisch-evangelistischen Verschrobenheiten orientiert, wie sie beispielsweise formuliert worden sind: 1. Korintherbrief des „hl.“ Paulus aus Tarsus, 14/34-35: „Die Weiber sollen schweigen in den Versammlungen, denn es ist ihnen nicht erlaubt zu reden, sondern unterwürfig zu sein, wie es auch das [jüdische] Gesetz bestimmt. Wenn sie aber etwas lernen wollen, so sollen sie daheim ihre eigenen Männer fragen; denn es ist schändlich für ein Weib, in der Versammlung zu reden.“ – 1. Brief an Timotheus des Paulus, 2/11-13: „Ein Weib lerne in der Stille in aller Unterwürfigkeit. Ich erlaube aber einem Weibe nicht zu lehren noch über den Mann zu herrschen, sondern still soll es sein, denn Adam wurde zuerst gebildet, danach Eva; und Adam wurde nicht betrogen, das Weib aber wurde betrogen und fiel in Übertretung.“

Mächtige, hochgeehrte deutsche Herrscherinnen

Beispielsweise die Sächsin Mathilde (ahd. „Kampfmächtige“, um 896-968) heiratete i.J. 909 Heinrich I. (um 876-936), aus dem Sachsengeschlecht der Liudolfinger, welcher erster autochthon-deutscher bzw. ostfränkischer Gesamtherrscher wurde. Mathildes weise Friedenspolitik verhalf ihren Kindern zu ehelichen Verbindungen mit den Großen der Nachbarländer, wodurch sie zur „Schwiegermutter Europas“ wurde. Ihr ältester Sohn war Otto I., „der Große“ (912-973), welcher als Herzog der Sachsen, König des Ostfrankenreiches, ab 951 König von Italien und ab 962 römisch-deutscher Kaiser wurde. Da war Mathilde Mutter eines amtierenden Kaisers. Sie gründete auf den Besitztümern ihrer Mitgift mehrere geistliche Einrichtungen wie Frauenstifte – auch das von Quedlinburg – und sorgte sich um deren zukünftigen Bestehens. Quellen über ihr Leben und Wirken sind zwei Lebensbeschreibungen sowie die „Sachsengeschichte“ des Widukind von Corvey (um 925-973). Als einzige Tochter aus der Ehe von Kaiser Otto I und der Kaiserin Adelheit, einer Tochter des burgundischen Königs Rudolf II., erwuchs wieder eine Mathilde (um 955-999). Die trug schon als junges Mädchen die Verantwortung für eine der wichtigsten Städte des Reiches und förderte maßgeblich die Bedeutung von Quedlinburg. Schon früh, mit elf Jahren, übernahm sie das Amt ihrer Großmutter, der „hl.“ Mathilde, nachdem sie i.J. 966, im Beisein ihres Vaters und aller Bischöfe und Erzbischöfe des Reiches zur Äbtissin geweiht worden war. Ihre fromme Großmutter hatte sich der Erziehung der Enkelin sorgsam gewidmet. Am 14. März 968 verstarb sie, so dass die junge Mathilde bis zur Rückkehr ihres Vaters aus Italien, Ende 972, für fast vier Jahre die einzige Repräsentantin des Kaiserhauses nördlich der Alpen war. Nach dem Tod der Altkönigin Mathilde kann die Äbtissin Mathilde zum engsten Kreis der politischen Berater ihres Bruders Otto II. und ihres Neffen Otto III. gerechnet werden. Mathilde übernahm, wie gesagt, schon als junges Mädchen die Führung des Damenstifts zu Quedlinburg und war somit für Frauen jeden Alters verantwortlich.

Krypta Quedlinburg

Ein Fachhistoriker schreibt: „Die politische Rolle der Äbtissin war vor allem zu den Zeiten ihres Bruders und ihres Neffen stark ausgeprägt. Die Begleitung ihres Bruders nach Rom im Jahre 981 zeigt, für wie bedeutend ihre Anwesenheit zur Repräsentation der Herrschaft des ottonischen Hauses gehalten wurde. Otto III. vertraute ihr während seines zweiten Italienzugs im Jahre 997 sogar die Stellvertretung im Reich an. Ebendieser hatte der Äbtissin zuvor im Jahr 994 das Markt-, Münz- und Zollprivileg für Quedlinburg zugesichert. Dadurch machte Mathilde nicht nur mehr Einnahmen, sondern es zog auch mehr Pilger zum Marktplatz unterhalb des Stiftbergs an, sodass Quedlinburg einen wirtschaftlichen Aufstieg erfuhr. Im Jahre 998 kam die Äbtissin mit den einflußreichsten Männern des Reiches auf dem Hoftag in Derensburg zusammen, auf dem sie als Vertreterin des ottonischen Königs die Leitung der Versammlung übernahm, Ämter neu besetzte und Recht sprach. Im Hinblick auf diese Repräsentationsaufgaben, durch die Mathilde der Stadt Quedlinburg dazu verhalf, eine der bedeutendsten Städte des Reiches zu werden, wurde sie auch als domina imperialis [„Herrin des Reiches“] bezeichnet. Otto III. gab seiner Tante, in Anlehnung an den Patricius-Titel, den Titel ,matricia‘, der auf ihrer Grabinschrift gefunden werden kann. Mathilde verstarb im Februar 999 mit 44 Jahren auf dem Gipfel ihrer Macht. Nach ihrem Tod wurde sie an der Seite ihrer Großmutter in der Stiftskirche zu Quedlinburg beigesetzt.“

Die beiden ersten, den Grablegungen am nächsten stehenden Säulenköpfe in der Krypta = Spiral-Irminsul und Dreiblatt-Fruchtbarkeits-Kreuz.

Zur Vorbereitung auf ihre großen Aufgaben und als eine Art Handbuch zum Herrschen widmete der erwähnte Widukind von Corvey der dreizehnjährigen Mathilde seine Sachsengeschichte („Res gestae Saxonicae“) in der er die Weisheit der jungen Frau lobt; er nennt sie darin „Gebieterin von ganz Europa“. Wer war dieser sächsische Geschichtsschreiber Widukind, der eine der wichtigsten und meistdiskutierten Quellen zur Ottonen-Zeit schuf ? Wahrscheinlich war er aufgrund der Namensgleichheit ein Nachfahre des sächsischen Herzogs Widukind des Gegenspielers von Karl dem Frankenkönig und „Sachsenschlächters“. Widukind trat als Knabe vor 942, noch unter Abt Volkmar I., in das Benediktinerkloster Corvey ein. Vor seiner „Sachsengeschichte“ hatte der schreibfrohe Jüngling andere Schriften verfaßt, die jedoch verlorengingen. Der Äbtissin Mathilde, der er sein Hauptwerk gewidmet hat, sah er etwa 28- bis 30-mal. Seine Darlegung der sächsischen Geschichte ist im nationalistischen Sinne getragen von der Achtung vor seinem Sachsenvolk, so daß schon angenommen werden darf, daß Herzog Widukind einer seiner stolzen Vorväter war. Die Kenntnis, wie der schlimme Karl mit seinem gefangengesetzten Gegner Widukind verfuhr, nämlich geradso schmählich wie es in unserer Zeit die Engländer mit Rudolf Hess taten, verdanken wir den Forschungsergebnissen des Historikers Prof. Dr. Gerd Althoff, in „Der Sachsenherzog Widukind als Mönch auf der Reichenau. Ein Beitrag zur Kritik des Widukind-Mythos“, „Frühmittelalterliche Studien, Bd. 17, 1983, S. 251-79. Vier Belege in den Verbrüderungsbüchern des Bodensee-Klosters Reichenau und dem Reichenauer Nekrolog beziehen sich ersichtlich auf den Mönch namens „Uuituchind“ und „Wituchi“, dem der Titel „mon(achus)“, also König und zu seinen Eintritt im Jahre 786 der klosterintern-ironische Zuname „dominator“ (Herrscher) beigestellt wurde. Sein Sterbetag war offenbar der 12.12. 825. Folglich wurde der große sächsische Geschichtsschreiber ca. 100 Jahre nach dem Tode seines großen Vorfahren Fürst Widukind geboren.

Wie wir hörten, gründete im Jahr 986 Äbtissin Mathilde, Tochter von Otto I. und Schwester Kaiser Ottos II., das Marienkloster auf dem Quedlinburger Münzenberg. Aufgrund des Bauernkrieges und der Reformation wurde es aufgelöst. Danach nutzte die Bevölkerung das Kloster als Steinbruch, bevor 1580 kleine Wohnhäuser auf dem einstigen Klosterareal durch Künstler und mittellose Bürger entstanden. Die damaligen Hausbewohner bauten ihre Eigenheime über den noch bestehenden Klostermauern, wobei die unter den Häusern befindlichen Klosterräume oftmals als Keller dienten. Manche Häuser stehen auf alten Gräbern. Dank des Engagements eines Ehepaars, wurde es in unserer Zeit möglich, einige Häuser, die wesentliche Bauteile der Kirche enthielten, aufzukaufen. Eine gegründete Stiftung erfaßte die Hauskäufe und ermöglichte einen öffentlichen Zugang. Interessant sind vor allem die zahlreichen vorhandenen Kopfnischengräber, die hier gefunden wurden. Ein Bewohner entdeckte vor wenigen Jahren ein solches Grab bei Erweiterungsarbeiten in seinem Keller. Vielleicht wollte er seinen Weinkeller vergrößern, als der Stein nachgab und ihn die Gebeine aus dem 10. Jahrhundert erschreckten. Das Skelett lag in einem Kopfnischengrab, in denen wohlhabende Personen zur damaligen Zeit beigesetzt wurden. Im linken Brustkorb des frommen Toten steckte eine Lanzenspitze; die Zeit war noch voller Heiden, die sich gegen ihre Zwangsbekehrungsbemühungen zur Wehr setzten. Man legte die Toten damals in ein Leichentuch gewickelt in die körpergeformten Steinaushöhlungen mit extra Kopfnische. Daher auch die Bezeichnung. Als Kopfnischengräber werden solche Gräber bezeichnet, die in ihrem unteren Teil die Körperform imitieren. Die Körperform wird direkt in das anstehende Substrat eingetieft, dabei wird eine rechteckige bis trapezförmige Kopfnische durch einen Absatz von der restlichen trapezförmigen Grabgrube getrennt. Dies geschah wohl in Anlehnung an die Steinsarkophage. Kopfnischengräber waren also nachweislich die zeitgemäße Bestattungsart wohlhabender Personen zwischen dem 10./13. Jahrhundert in Europa, nach bisherigem Forschungsstand. Es waren in Steinen gesetzte oder in Stein gehauene Gräber in Form des Umrisses eines Menschen. Ein Holzsarg diente lediglich zum Transport der Leiche zum Bestattungsplatz. Die Leiche selbst hüllte man dann nur in ein Leichentuch und bettete sie dann in das Grab. Große Steinplatten oder einfache Holzplanken überdeckten die Gräber. Der Blick des Toten sollte immer nach Osten gerichtet sein, der aufgehenden Sonne entgegen, weil die Christenheit die „Wiederkunft Christi“, am Tage des „Jüngsten Gerichtes“, natürlich aus dem Osten erwartete, geht doch das Tageslicht für die gesamte Menschheit im Osten auf. Die Frage erhebt sich, nach dem Prototyp, wo könnte das Vorbild für den Kopfnischengrabbau zu suchen und möglicherweise zu finden sein?

Der sog. „Heliand“ ist ein altsächsisches Großepos aus dem 9. Jh., von fast sechstausend (5983) stabgereimten Langzeilen über das Leben „Jesu Christi“, wie es für die kirchenchristliche Übertölpelungs-Mission unter den volksgläubig-heidnischen norddeutschen Landesbewohnern eingesetzt wurde, ein Vorgang, den man heute mit dem beschönigenden Begriff „Inkulturation“ umschreibt. Die kirchliche Kultfigur des Juden Jeshua/Jesus wird als „Heliand“, für lat. „salvator“ (Erlöser, Heiland), beschrieben. Das Produkt ist aus den Schreibstuben der Klöster von Werden/Ruhr oder Fulda hervorgegangen. Der Text, in schwülstig-verherrlichendem Stil gehalten, versucht die orientalisch-hebräischen Geschehnisse auf altdeutsche Verhältnisse zu übertragen, um sie den Deutschen als eingängige Kost anzupreisen. In dieser Kampf- und Umbruchsphase der Christenkirche gegen die angestammte Volksreligion, vom 9. bis zum 12. Jahrhundert, mußte die fränkische Staatskirche, auch die vatikanische Romkirche, manche synkretistische Anleihen aufnehmen, um auch das einfache Volk zu gewinnen. Das geschah, indem sie vertraute altgläubige Vorstellungen, Bilder, Zeichen und Brauchtümer entdämonisierte und sich selbst als Kirchengut aneignete. Das was uns Heutigen als selbstverständlich gilt, galt damals für die Mehrheit der Menschen nichts weniger als verschroben und ein geistiger Vergewaltigungsakt, genauso wie die vorausgegangenen blutrünstigen Niederschlagungen und Unterjochungen des Volkswillens durch die von den Christenmönchen gutgeheißenen Bluttaten, wie das „Blutgericht zu Cannstatt“ (746), „Blutgericht von Verden“ (782), „Stellinga-Gericht“ (845), „Rachegericht“ nach der Schlacht am Welfesholz (1115), wo die Kurie den für Kaiser Heinrich V. gefallenen Kämpfern das „christliche Begräbnis“ verweigerte, um sie auf Dauer „unselig zu machen“. Beim Stellinga-Aufstand wie beim Aufstand der Sachsen gegen Heinrich V. – nur unter sich verkehrenden politischen Voraussetzungen – ging es zum Gutteil, um die Rückerstattung der verlorenen heidnischen Freiheitsrechte.

Sächsische Wiedererhebung und Restauration in Ottonischer Zeit

Dann geschah aber etwas völlig Neues. Nach dem Tode von Franken-Kaiser Karl, im Jahre 814, und dem seines Sohnes Ludwig I. (genannt „Ludwig der Fromme“), im Jahre 840, zerbrach das von Karl zusammengeraffte Karolingerreich in drei Teile, was mit dem „Vertrag von Verdun“ (843) besiegelt wurde. Im Jahre 919 beriefen die sog. „ostfränkischen“ respektive deutschen Fürsten, den Sachsen Heinrich I. zum deutschen König. Als er im Jahre 936 starb, ging die deutsche Königswürde auf Sohn Otto I. „der Große“ über. Der stellte sich nach außen zwar in die Fußstapfen der karolingischen Staatstraditionen, schon deshalb, um im politischen Ränkespiel möglichst keiner Rechte verlustig zu gehen, doch dahinter erhob sich der – zumindest im Geiste der sächsischen Bevölkerung und einem Teil der Edelinge – ein altsächsischer, jetzt Ottonischer-Stolz, aus dem Triumphbewußtsein, nun doch über die vormals eingedrungenen fränkischen Imperialisten obsiegt zu haben. In Widukind von Corveys „Sachsengeschichte“ (967/968) kam das zum Ausdruck. Besonders aber schon nach dem triumphalen Sieg Ottos I. auf dem Augsburger Lechfeld, am 10. August 955, als die hunnisch-ungarischen Räuberhorden dauerhaft vertrieben werden konnten und damit eine Gefahr für den Reichsbestand gebannt schien, stieg das Selbstbewußtsein der Sachsen und der übrigen Deutschen beträchtlich. Die Sachsen trugen ihre Häupter wieder höher, sie waren kein schmählich niedergeworfenes Volk mehr, sie hatten sich als die Stärkeren erwiesen, sie durften sich damit auch wieder zu ihrer vorchristlichen Geschichte bekennen. Zu dieser gehörten die Heldentaten der Väter und alle die volksgläubigen Symbolismen die den verehrten Vorfahren so viel bedeutet hatten, daß sie dafür lieber in den Tod und in die Verbannung gegangen waren, als sie zu verraten und von ihnen zu lassen. Sie erfuhren in Ottonischer Zeit eine liebevolle Rückbesinnung, eine Restauration, allerdings durch den verunschärfenden, distanzierenden Filter einer Grenzziehung seitens der gefestigten Staatskirche, die eine echte und offen hervortretende Wiederbelebung und Wiedererhebung heidnischer Parteiungen nicht zuließ. Von dem was im verborgenen Untergrund diesbezüglich geschah, schweigen die Quellen.

Dem Sachsen König Heinrich I. kann kein Loblied zu laut gesungen werden, ihm verdankt nicht nur Deutschland, auch Europa seinen Bestand, indem er die asiatisch-hunnischen Räuberscharen der Ungarn zerschlug, was ebenso zum Mittelalterbeginn die Westgoten in der „Schlacht auf den Katalaunischen Feldern“, im Jahre 451, gegen den Hunnenherrn Attila vollbrachten und die germanischen Völker der Gepiden und Goten geleistet hatten, indem sie die hunnischen Horden der Attilasöhne in der Schlacht am Nedao in Pannonien, des Jahres 454, besiegten. Ohne die deutsch-germanische Tatkraft wäre das Abendland ohne Zweifel mongolisiert worden. Welche Kunde drang damals aus dem europäischen Südwesten, über das Westfrankenreich, auch nach Sachsen ? Mit dem adeligen Westgotenstämmling Pelayo aus Asturien begann die Reconquista („Rückeroberung“) der iberischen Erde aus den Händen der aus Afrika eingefallenen islamischen Mauren. Er wurde zum Gründer des asturischen Königreiches und zum Nationalhelden. Seinem Sohn gab er den gotischen Namen seines Vaters: Fafila. Die asturischen Könige verstanden sich im 9./10. Jh., auf dem Höhepunkt ihrer Macht, als Rechtsnachfolger des westgotischen Reiches, das von 418-711/25 existierte, bis es durch innere Zwistigkeiten im Arabersturm untergegangen ist. Ermutigende Berichte über die westgotisch-asturischen Erfolge drangen auch an die deutschen Herrenhöfe, das ist gewiss. Möglicherweise war das mit ein Anstoß für Heinrich I., daß auch er sich so kraftvoll für die Reconquista vor seiner eigenen Haustüre einbrachte, nämlich der Bekämpfung der in die alten Germanensiedlungsgebiete eingesickerten ostischen Slawen. Nach einem vorbildlichen Kämpferleben erlitt Heinrich im Oktober 935, in seinem 60. Jahr, während eines Jagdausrittes, vermutlich einen Schlaganfall. Im Frühjahr 936 läd er die Großen zu einem Abschieds-Hoftag nach Erfurt ein. Die Wahl seiner Grabstätte in Quedlinburg war längst getroffen, die Vorkehrungen dazu, also die Bauaufträge, waren vergeben, die ihm verbleibende Zeit hatte gereicht, bis zum Juli 936, als ihn der Tod in Memleben ereilte. Noch auf dem Sterbebett, besprach er mit seiner Gemahlin „viele Geheimnisse“, heißt es in der „Vita Mathildis reginae posterior“, Kap. 8. Wahrscheinlich ging es u.a. um den Bau und die Vollendung des geplanten Damenstifts bzw. der königlichen Grabstätte auf dem Burgberg zu Quedlinburg. Ein Memorialort sollte es sein, auch im Gebetsgedenken sollte an Heinrich I. erinnert werden, bis in alle Ewigkeit. Das Königspaar hatte acht bis neun Monate Zeit, die gewünschten Angelegenheiten zu regeln. Seine Frau, Königin Mathilde, mit Enkelin Äbtissin Mathilde, werden die Baulichkeiten der letzten Ruhestätte im Sinne des Königs besorgt haben. Es heißt bei dem langobardischen Diplomaten Liutprand von Cremona (Kap. IV. 15): Heinrich wurde von Memleben „nach Sachsen gebracht und hier in einem Kloster edler und frommer Frauen, das auf einem Gute des Königs mit Namen Quedlinburg gelegen ist, in der Kirche mit großen Ehren beigesetzt.“ Er fand zunächst vor dem Petrusaltar der damaligen Quedlinburger Kirche seine letzte Ruhe. Mit ihrer konsequenten Suche nach den Gebeinen Heinrichs I. gelang den NS-Forschern ein Glücksfund unterhalb der leeren Grabstelle, den Stufenraum, der für die zeitweilige Aufbewahrung der Königsgräber gedient haben muß (siehe Steffi Bethge, „Das Grab Heinrichs I. in Quedlinburg“, 2019). Es gibt keinen Zweifel, dass sich die Grabstelle Heinrichs I. in der Krypta bei seiner Gemahlin und Enkelin befindet, aber der Verbleib seiner Gebeine ist ein Rätsel. Sein mysteriöses Verschwinden ist allein erklärbar, in einem absichtlichen Verschwindenlassen durch einen verbohrten Kleriker, einem „Dunkelmann“, dem es nicht gefiel, daß im Kreise von der Kirche „geheiligten“ Frauen und einem Wust von dort angehäuften Reliquien, ein deutscher König ohne „Heiligenschein“ geehrt würde. Widukind von Corvey berichtet auch vom Tod der Königinwitwe Mathilde: „Beigesetzt wurde sie … neben ihrem geliebten Gemahl, mit ihm im Tode vereint zu werden, den sie im Leben so geliebt hatte, war zeitlebens ihr ständiger Wunsch gewesen.“ Thietmar von Merseburg, ein weiterer Chronist der Ottonenzeit, gab Information über den im Februar 999 erfolgten Tod der Mathilde, Enkeltochter Heinrichs I.: „Bestattet wurde sie in der Kirche zu Häupten König Heinrichs, ihres Großvaters.“ Wir dürfen davon ausgehen, dass diese drei, sich liebenden und ehrenden, verehrungswürdigen Menschen viel Offenkundiges sowieso, aber möglicherweise noch mehr Geheimes für das deutsche Volk und Vaterland geleistet haben.
Dieser ottonisch-sächsische Nationalgedanke, ja Nationalismus, stand im Widerspruch zu den imperalen, sich ergebenden Gelegenheiten Otto I., der sie nutzte, als er seine militärische Macht spürte, in die Fußstapfen von „Karl dem Großen“ zu treten; 961 eroberte er das langobardische Königreich Italien. Er nahm in Pavia die langobardische Königskrone an und ließ sich 962 in Rom zum Kaiser krönen. Er verband sein rein deutsches Reich mit dem italischen Königreich, dem „Regnum Italiae“. Außerordentlich war dabei, daß auch seine zweite Ehefrau, Adelheid, gesalbt und zur Kaiserin gekrönt wurde, somit den gleichen Rang erhielt. Mit der Kaiserkrönung durch den Papst wurde eine Tradition für alle künftigen Kaiserkrönungen des Mittelalters begründet. Dagegen erhoben sich erhebliche Einwände. Zeitgenossen Ottos, wie Widukind von Corvey, auch Brun von Querfurt, ein Verwandter der Kaiserfamilie, standen diesbezüglich in Opposition. Sie wollten offenbar ein rein deutsches Reich, ohne die Römer als Reichsvolk und den „römischen“ Begleitbegriff in der Reichsbezeichnung, wahrscheinlich sahen sie auch schon die politischen Probleme voraus, hinsichtlich der Abhängigkeiten vom Vatikan und den ausgedehnten Grenzen bis in den Mittelmeerraum hinein. Jedenfalls stand die Idee eines „romfreien Kaisertums“ im Gegensatz zur ottonischen Imperialpolitik.

Irminsul-Darstellungen im Fundgut

Es ist nicht immer leicht, die Semantik der Darstellungen deutsch-paganer Sinnzeichen an den Kirchenbauten – Tympana, Kapitelle, Taufen – zu deuten, wenn nicht klare Hinweise gegeben werden, wie beispielsweise „hässlich-heidnische“ Fratzen oder Sinnzeichen die aus Mäulern von Ungeheuern/Drachen hervorkommen bzw. von diesen gefressen werden. Die altsächsisch-heilige Irminsul („gewaltige Allsäule), das Standbild welches Frankenkönig Karl im Jahre 772 auf einem Felsensporn der Eresburg/Obermarsberg zerstören ließ, bestand aus zwei Sinnbildelementen: 1.) der Säulenstamm als Inbild der Stützungsaufgabe zur Welt(dach)erhaltung und 2.) die Doppelspirale (ähnlich ionischer Kapitelle) als Inbild der jährlichen Segensbahn bzw. des Sonnenweges. Die einfache Form der Irminsul konnte auch eine einfache Gabelstütze sein, dafür gibt es Bildbelege. Die Doppelspiralkopf-Säule zeigte ich in etlichen Aufsätzen, mit den entsprechenden Bildbelegen des diesbezüglichen Denkmälerbestandes auf, von den bronzezeitlichen Felsritzbildern in Bohuslän/Schweden, bis zu den Irminsul-Abbildungen an Sakralgebäuden und z.B. dem bronzezeitlichen Felsbild der Ur-Irminsul in Region Kasen (bei Tanumshede, nördl. Uddevalla, Bohuslän/Schweden, ca. 1.000 v.0), Irminsulen auf bronzeitl. Plattenfibeln von Bohuslän/Schweden (z.B. aus Vegstrop), Irminsul-Kettenanhänger von Sackrau bei Breslau (ca. 3. Jh.), heidnisch-christliche Mischform St.-Bridgets-Crossin (452-525) nahe Cliffony (Sligo, Irland) – hier wurde das Kreuz zur Weltstütze und die Sonnenweg-Doppelspirale darüber eingetieft (das dreikreisige Sonnenzeichen u. Hakenkreuz verstärken solaren Charakter), Irminsulen auf merowingisch-heidnischen Grabsteine (Landesmuseum Trier), Irminsul-Schmuckanhänger (5. Jh.) aus Västergötland/Schweden, Irminsul-Motive auf germ. Fibeln, Doppelspirale des Sonnenweges unterm Himmelsdach-Bogen (in Mus. f. Ur- u. Frühgeschichte Thüringens, Weimar), Irminsul-Fibel von Haithabu/Schleswig (770-1066), Kryptasäule der Michaelskirche in Fulda aus 820-822, Irminsul-Steinrelief von „S. Maria Assunta“, im lombard. Städtchen Gussago (7.-8. Jh.), Langobardisches Irminsul-Kapitell, Mailand, Museo archeologico, Langobardische „Eberkopf“-Fibeln der Varianten mit Gabelstützen-Irminsul-Darstellungen (Fibel von „Salin Nr. 350“), zwei ottonische Irminsul-Kapitelle in Dom-Krypta „St. Peter und Paul“ in Zeitz (erbaut 968), Irminsul im Tympanon (11. Jh.) der Kirche zu Falslev/Randers (Nordjütland), Irminsulformen auf etlichen Taufsteinen des Nordens, z.B.: Spiralsulchen/-bäumchen von Karby (mit Hahn u. Doppelspirale), Rieseby, Althadersleben (Anbetung durch Bär und Eber), Feldstedt (Anbetung durch dummen Esel und stolzes Pferd mit Fahne),Irminsul auf Kamm vom Prager-Goldschatz, 10./11. Jh., Irminsul-Tympanon vom Nordeingangder Kirche zu Grebehna / Zwochau, 1180, Irminsul, von heidnischen Tieren angebetet, auf Türsturz Haug-Stift/Würzburg, 12. Jh., Irminsul im Tympanon-Nordeingang der Kirche zu Grebhena/Zwochau (12. Jh.).

Agisterstein-Externstein-Fragestellungen

Daß diesen gewaltigen, naturgebildeten Sandsteintürmen im Teutoburger Wald, die Menschen zu allen Zeiten ihre Aufmerksamkeit schenkten, steht außer Frage. Und, dass diese grandiose Kulisse zur Einrichtung eines Kultplatzes einlud, wie kaum eine zweite, ist ebenso sicher. Der dort an den Externsteinen zu vermutende, uralte Sonnenkult wird bestätigt von der Existenz der Höhenkammer im zweiten Felsen, mit dem Sonnenauslug nach 45° NNO, also der altheidnischen Peilrichtung von Stonehenge, zum jährlichen Sonnenhöchststand, welchem nie eine kirchenchristliche Bedeutung zugemessen wurde. Prof. Dr. Wolfhard Schlosser bestätigte – daß die ehemalige Raumachse der Turmkammer im 2. Externsteinfelsen mit der Nord-Ostlage bzw. der  Sommersonnwendortung übereinstimmt. (Ich war zugegen bei 1. Horner Fachtagung, mit Wolfhard Schlosser: „Der Externstein, Ergebnisse neuer Forschungen“, 21.-24.9.1989) Die von mir nachgemessene Ausrichtung des Kopfnischengrabes im Grabblock an den Kultsteinen weist das gleiche Ergebnis auf wie die des Sonnenbeobachtungs-Ausschaues. Der Bogen des Arkosol-Grabes ist so archaisch-ungenau gearbeitet, daß kein Vernünftiger annehmen darf, es würde sich um eine hochmittelalterliche Steinmetzarbeit kichlich-staatlicher Auftragsgeber handeln können, denn eine solche wäre im höchsten Maße ausgereift und hätte feine, exakte Strukturen bewerkstelligt, wie wir sie anderenorts an den Externsteinen sehr wohl vorfinden. Der Befund lautet, auch nach Aussagen von Steinmetz-Fachleuten: An den Steinen gibt es an mehreren Stellen massive Zerstörungen, es gibt uralte Formungen, die mit primitiven Arbeitsmitteln ausgeführt worden sind, es gibt feinere mittelalterlich-christliche Arbeiten, wie das Kreuzabnahmerelief, saubere Fensterrahmenwülste, ebenso die Petrus-Figur, die ihr Schlüssel-Attribut in rechter Hand hält. Die Grabanlage und das andere Erwähnte müssen älter und vorchristlich sein. Zum Grabblock führten ursprünglich von rechts und links Treppenstufen hinauf auf dessen Kuppel. Die linke Treppe ist im unteren Bereich abgeschlagen worden, eine Benutzung wurde unmöglich gemacht. Die Frage stellt sich, wann diese offensichtlich kirchlichen Umarbeitungen vorgenommen wurden. Die Zerstörungen hat vornehmen lassen, wie es die „Fränkischen Reichsannalen“ ausweisen, bereits Frankenkönig Karl, aus seinem katholischen Hass gegen den Altglauben. Unmittelbar nach den karolingischen Zerstörungen wird die Stelle lange Jahre im Düsteren, als gemiedener heidnischer Ort, unberührt gelegen haben. Aus dieser Zeit müsste ihr ältester bekanntgewordener Name Agisterstein („Schreckensstein“) stammen. Dass sich dort Einsiedler und Klausner niederließen ist bezeugt, möglicherweise haben sie die Petrusfigur eingemeißelt. Aber von einer aufwendigen „Grab-Christi-Anlage“ der Kirche kann keine Rede sein, das sind freie, zweckgebundene Erdichtungen neuzeitlicher theologischer und der Kirche nahestehender Autoren. Gesichert ist für mich, aus einer Vielzahl von Gründen, daß nach der Schlacht am Welfesholz (11. Februar 1115 ), wo Kaiser Heinrich V. Feldhauptmann Hoyer I. Graf von Mansfeld das Streitfeld und sein Leben verlor, das Siegesbild der fanatisch-antikaiserlichen Gregorianer-Mönche in den Felsen gehauen wurde. Sie saßen in Paderborn, nur 20 km entfernt. Ein antikaiserlicher sächsischer Clan, dem die Steine gehörten, muß es wohlwollend geduldet haben. Es gibt eine auf das Jahr 1093 datierte Kaufurkunde des damals noch Agisterstein benamten Objektes, die als nachgefertigt gilt, wohl wegen eines Brandschadens von 1163. Wann auch immer die Originalurkunde ausgestellt sein mag, sie beinhaltete, dass von einem vorbesitzenden Edelmann namens Imico und nach seinem frühen Tode durch dessen Mutter Ida, für den ansehnlichen Kaufpreis von vierzehn Pfund Silbers, „nebst anderer Geschenke“, der Agisterstein respektive Externstein in den Besitz des Paderborner Klosters Abdinghof überging. Das Kloster wollte ihn also unbedingt haben, den altheidnischen Kultkomplex, mit dem eindrucksvollen Kreuzabnahmerelief, das ihn – nach mönchischer Verständnisweise – entdämonisierte. In den Wirren der Reformation kam der Agister-Kultort den Mönchen wieder abhanden. Beim mißglückten Rückkauf im Jahre 1659 boten sie sogar 60.000 Kronen. In einer undatierten Werdener Kloster-Urkunde, um 1140, ist vom großen Fels die lapidare Rede ist, in den ein Heiligtum gearbeitet sei, also das große Kreuzrelief, dann schweigen die Urkunden über 200 Jahre. Sämtliche Angaben sind in der hervorragenden Recherche „Der Externstein“,1971, von Freerk Haye Hamkens einzusehen. Hamkens schreibt treffend (S. 316): „Mehr als alle anderen, dagegen stehenden Gründe bezeugt das völlige Schweigen während einer so langen Zeit und der gänzliche Mangel selbst gelegentlicher Erwähnung, dass alle Theorien von einer berühmten mittelalterlichen Wallfahrtskapelle bare Phantasien seien.“ Wohl ist dort ein einsiedlerisches-christliches Klausnertum bezeugt, bis dieses kriminell entartete, sich auf Räubereien, Mord und Totschlag verlegte, so daß die Obrigkeit den „Mord-Tempel“ in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts säubern („turbieren“) ließ.

Was ist das ältere Heiligtum, das Orpheus-Grab oder der Agisterstein?

Heute hat sich unser Blickwinkel stark erweitert, über die argumentativen Engpässe in der Beweisführung der 30er Jahre des XX. Jahrhunderts, daß der Agisterstein ein altgläubiges Heiligtum darstellt, sind wir hinausgeschritten, insbesondere mit dem Wissen um den ca. 4.000 Jahre alten sog. Orpheus-Grab-Komplex im südbulgarischen Tatul, wo die alte Thraker-Kultur zuhause war. Das Arkosol-Kopfnischengab vom Agisterstein hat damit ein Parallelstück gefunden, das die Frage hervorruft, welche der beiden Anlagen die ältere ist, welche hat die andere initiiert, ist dazu der Impuls vom Norden her, oder vom Süden aus ergangen? Die großen Impulse vermittelnden Wanderbewegungen der europäischen Völker pflegten von den kälteren in die wärmeren südlichen Siedlungsregionen zu ergehen und nicht umgekehrt, allerdings müßten die klimatischen Verhältnisse der in Frage kommenden Zeitläufe von den Fachwissenschaften erörtert werden. Der „neolithischen Revolution“ lag nicht die Nordwanderung von ethnisch gesonderten Wissensträgern zugrunde, wie es bei den „Seevölkerstürmen“ und der „Dorischen Wanderung“ war, vielmehr handelte es sich um einen sukzessiven Informationstransfer.

Arkosol-Gräber von Tatul und vom Agisterstein. – Es mutet geradezu lächerlich an, zu glauben, eine „Nachbildung des Grab-Christi“ hätten kirchlich beauftragte Steinmetze des Hochmittelalters so schnuddelig herrichten dürfen, dass nicht einmal der Rundbogen von gleichmäßiger Exaktheit war. Zumindest wäre eine zierlichere Ausführung in Auftrag gegeben worden.

Der Felsenkomplex Tatul war eine Kultstätte der Thraker, die erst in den 60er des vergangenen Jahrhunderts entdeckt wurde. Zdravko Dimitrov vom archäologischen Museum in Sofia gibt an: „Wir haben drei Jahre in Tatul geforscht, und die große Überraschung ist, dass wir Funde aus insgesamt sieben durchgehenden Epochen gemacht haben.“ Die erste Epoche ist die Kupferzeit von 3.800-3.500 v.0 Hinweise auf Wohn- oder andere Gebäude aus dieser Zeit sind gefunden worden. Die Fundstücke aus dieser Zeit sind um 1.500 Jahre älter als die ägyptischen Pyramiden. Doch stammt nicht die Kultstätte selbst aus dieser Zeit, sondern Reste von Gebäuden und Gefäßen. Sie deuten darauf hin, daß es bereits vor 6.000 Jahren ein hoch entwickeltes kulturelles Leben in Tatul gegeben hat. Von den Thrakern wurde Orpheus als Halbgott verehrt, Tatul gilt als seine mögliche letzte Ruhestätte, zumindest als Kultstätte für einen berühmten Thraker, wo Riten zelebriert und Opfer dargebracht wurden. „Der Kult für Orpheus hat eine Bedeutung für alle thrakischen Stämme, nicht nur in den Ost-Rhodopen. Und die Sagen berichten davon, daß für sie Orpheus die Verbindung zwischen den Lebendigen und den Göttern ist. Dieses Felsengrab in Tatul ist ein symbolisches Grab für Orpheus. Es stellt eine Verbindung zwischen der Erde und dem Himmel dar“, soweit die Aussage eines bulgarischen Wissenschaftlers. Diese Funde sind für die Archäologen ein Indiz, daß das Heiligtum in dieser Zeit ohne Unterbrechung genutzt wurde. In dem Felsengrab wurde 2004 eine Wurzel eines Weinstocks gefunden, deren Alter auf 3.000 Jahre bestimmt wurde. Wir dürfen demnach davon ausgehen, daß das Arkosolgrab von Tatul mindestens ein Alter von 3.000 Jahren aufweist. Nichts spräche dagegen, den Arkosol-Grabblock vom Agisterstein ebenso alt einzuschätzen.

Kopfnischengrab vom Agisterstein, ausgerichtet auf 45° NNO. – Und Kopfnischengrab aus Museum „St. Marien“ auf dem Quedlinburger Münzenberg. Dort werden mehrere Gräber gezeigt, die samt Skeletten unter einem gläsernen Fußboden liegen. Sie wurden bei Freilegung des Kirchengrundrisses entdeckt. Die junge Mathilde, einzige Tochter aus der Ehe von Kaiser Otto I. und Kaiserin Adelheit, war Äbtissin im „Stift Quedlinburg“ und gründete i.J. 986 das Kloster „St. Marien“ auf dem Münzenberg. Die dort gefundenen Kopfnischengräber sind ausgerichtet mit kirchenchristlicher Blickrichtung nach Osten.

Das Kopfnischengrab wurde Sitte unter den Vornehmen

Beschauen wir einmal das familiäre Herkommen der Ottonen, um ihre anzunehmende Gesinnung zu erahnen, unabhängig von dem was eine damalige Herrscherfamilie – dem kirchenfrommen Zeitgeist angepaßt – nach außen darzustellen hatte. Die sächsische adelige Mathilde, zweite Ehefrau von Heinrich I., war die Tochter von Reinhild, aus dänisch-friesischem Adel und die Ururenkelin Fürst Widukinds. Sie wurde in Enger geboren, das ca. 50 km nördlich der Agistersteine liegt, und im Kloster Herfort erzogen, das ca. 75 km nördlich der Kultsteine liegt. Ihr Vater war der sächsische Graf Dietrich, ein Nachkomme des Sachsenherzogs Widukind. Mathilde wird der sogenannten „widukindisch-immedingischen Verwandtengruppe“ zugerechnet. Sie hatte drei Schwestern: Amalrada, Fridarun und Bia. Wäre die Mutter eine überzeugte Christin gewesen, hätte sie niemals einer Tochter den heidnischen Namen Fridarun – also „Friedens-Rune“ – gegeben. Die 13-jährige Mathilde wurde i.J. 909 mit dem 33-jährigen Sachsen-Herzog Heinrich, aus dem Adelsgeschlecht der Liudolfinger vermählt, das im Raum von Gandersheim begüterten war. Von dort sind es 85 km zum westlich gelegenen Agisterstein. Die Vermählung erfolgte in der Königspfalz Wallhausen des Südharzes. Ahnherr der Liudofinger war Liudolf, mit der Fränkin Oda verehelicht, Heinrich wurde also deren Enkelsohn. Er soll vor einer Scheune in Quedlinburg gesessen und Singvögel in einem Netz gefangen haben, als die Delegation erschien die dem 42-jährigen, auf Vorschlag von König Konrad I., die deutsche Königskrone anboten. (Ein Konrad-Denkmal, das 1894 errichtet wurde, steht sehr schön auf dem Bodenstein-Felsen über der Lahn bei Villmar.) Von Quedlinburg sind es 200 km zum westlich liegenden Agisterstein. Heinrichs Mathilde wurde von der Kirche „heiliggesprochen“; diese Frauen übten ein Christentum das sie in der Mildtätigkeit auslebten und nicht im antivölkischen Hass, wie manche der Gregorianer, insbesondere in der Phase des späteren Investiturstreites. Der umsichtige, tatkräftige Heinrich legte bekanntlich den Grundstein für das erstarkende deutsche Königtum, er stelle eine gepanzerte Reitertruppe auf, ließ Schutzburgen errichten und vermochte Reitereinfälle der hunnischen Ungarn zurückzuschlagen. Mathilde gebar den Sohn Heinrich, der den Namen des Vaters trug, und den späteren „Otto I., den Großen“. Die angelsächsische Königstochter von Wessex, Edgith, wurde als erste Braut für Otto I. ausgewählt, um das Sachsentum zu stärken. Sie hatte mit ihm zwei Kinder, Liudolf und Liutgard, sie starb 946 in Magdeburg. Fünf Jahre darauf heiratete Otto I. die christlich fromme  Adelheit von Burgund, deren und Otto I. Tochter, Mathilde war, welche, 30 Jahre nach Gründung des Stiftes Quedlinburg, zur ersten geweihten Äbtissin wurde. Der Chronist Widukind von Corvey wird sich seiner weitläufigen Verwandtschaft mit Mathilde (über Großmutter Mathilde, Frau von Heinrich I.) sehr bewußt gewesen sein, woraus sich die Widmung seiner „Sachsengeschichte“ für die Kaisertochter Mathilde, der ersten Äbtissin des Stifts Quedlinburg, erklären würde. Wir vernahmen es schon: Er ist als jüngerer Sohn eines hohen sächsischen Adeligen nach Kloster Corvey geschickt worden, wo er seine Ausbildung erhielt. Corvey liegt nur ca. 40 km vom Agisterstein-Kultmal entfernt. Sicher hat es der umtriebige, vielbewanderte Chronist gekannt und auch seiner verehrten Mathilde davon Mitteilung gemacht, während seiner ca. vierzig Zusammentreffen. Ohne jeden Zweifel wußte man in Sachsen der Ottonen-Zeit, als sich die Bildungsbürger wieder mit der eigenen Volksgeschichte zu beschäftigen begannen, eine ganze Menge mehr als wir Heutigen. So gut wie der überall mißtrauisch, nach verborgenen Heidentümern herumschnüffende Klerus, so gut wußten die Landedelleute und Gaufürsten, die karolingische Massaker überlebt, viele auch fränkische Töchter geehelicht hatten, von den ursächsischen Kulttraditionen und vom Agisterstein, wo noch immer „heidnische Dämonen“ die Besucher schreckten, doch aber auch das große Bild von der „Kreuzabnahme“ – erst ab dem 12. Jh. – zu bestaunen war.
Der Nimbus einer gewaltigen Würde muß von dieser Kultstätte zu allen Zeiten ausgegangen sein, auch die lockende Dämonie des Geheimnisvollen mag dazu beigetragen haben, man sieht es bis heute, wenn sie die jungen Leute magisch anzieht, obgleich sie von ihrer Geschichte und Bedeutung, so gut wie keine Ahnung mehr haben, weil die Quellen zu den Ahnen bewußt abgeschnitten worden sind. Das Gegenteil war der Fall zur Zeit der Ottonen, wo man die altvölkischen Quellen wieder suchte und versuchte, sie mit dem neuen Kirchenchristianismus in Einklang zu bringen. Man wollte sich der vorchristlichen Ahnen nicht mehr schämen, wegen ihres Heidentums, aber den kirchlichen Diktionen mußten sich die einen grollend, die anderen freudig fügen, wie viele der Frauen, die der salbungsvoll-scheinheiligen Kirchenpropaganda vom „kommenden Friedensreich“ vertrauten. Die Kirchenstrukturen hatten die Franken im unterjochten Sachsenland, auch mit den „Paderborner Blutgesetzen“, zu fest eingezwungen, da gab es kein zurück, wie die gescheiterten völkischen Aufstände der Stellinga („Genossen, Kameraden“) der Jahre 841 bis 845 bewiesen hatten. Ab 842 wurde er von Teilen des  sächsischen Adels, mit fränkischer Hilfe, blutig niedergeschlagen.

Eine Indizien-Hypothese – Ein Denkmodell

Das Quedlinburger Museum „St. Marien“ auf dem Münzenberg zeigt den Besuchern drei Gräber, die samt Skeletten unter einem gläsernen Fußboden liegen. Insgesamt wurden 69 Gräber im ehemaligen Klosterboden erkannt, von denen die meisten weiblich waren. Ein Mann von zwei Meter Größe ist darunter, dem von hinten unten ein Speer in den Rücken gebohrt worden ist. Offensichtlich saß er während der Attacke auf einem Pferd. Die Frauen hatten eine Größe von über 1,70 m, ihr Alter betrug zwischen 30 und 40 Jahren. Ganz natürlich waren alle Gräber in der kirchenchristlichen Normalausrichtung angelegt, nämlich mit Blickrichtung Osten. Man geht in Fachkreisen davon aus, dass Kopfnischengräber vom 11. bis 13. Jh. in Mode waren, danach verlor sich die Sitte. Im Jahre 986 hatte Mathilde, Otto I. Tochter und Äbtissin im „Stift Quedlinburg“ das Benediktinerinnenklosters errichtet, wo adelige Frauen untergebracht waren, die entweder darauf warteten, verheiratet zu werden oder als Witwen ihren Lebensabend zu verbringen. Von Quedlinburg aus regierte Mathilde zeitweise das Reich, welches ihr Neffe Kaiser Otto III. ihr zur Herrschaft anvertraut hatte, solange er mit Reichsgeschäften in Italien gebunden war. Man darf im logischen Schluß davon ausgehen, daß mit Beginn der Kostergründung, zum Ende des 10. Jhs., die adeligen sächsischen Damen die Kopfnischenbeerdigung bevorzugt haben, und zwar im synkretistischen Bemühen, altehrwürdig-mythen-sächsisches Herkommen, mit den Kirchenregeln ihrer Zeit zu verbinden. Mathilde muß von den Kopfnischenbestattungen ihrer Damen und männlichen Klosterbedienstesten und Schutzleute gewusst und es akzeptiert haben, daß es ohne ihr Wissen geschehen sein könnte ist völlig undenkbar. Sie hatte den sächsisch-adeligen Herrinnenstolz, sie hatte alle Kunde über das Brauchtum der Väter und Mütter vom nationalgesinnten Widukind von Corvey, sie stand als Repäsentantin des ottonischen Kaiserhauses quasi über dem Recht. Sie wird in ihren adeligen Frauenkreisen erwogen haben, in Übereinkunft mit ihrer Großmutter Mathilde, daß eine extra Aussparung, eine Hervorhebung für das Haupt des Toten, einer adligen Besonderheit entspräche, einer erhabenen, schmückenden, einer altväterlichen Tradition zudem, erschaubar am mythischen Lichtmess-Stein im heiligen Osning-Hain. Mathilde sinnierte wohl: „Auch die Parawari und Ehwarte der Vorfahren hatten Zugang zur Jenseitswelt, sie wussten die Festzeiten zu erfassen, sie hatten Heilwissen, wenn auch der Herre Christ alles neu gemacht hat und die heiligen Kirchenväter so viele Papyriseiten beschrieben haben. Und manches, von dem die Großmutter erzählte, über die Meinungen der Runenmeister, der Weitgereisten, der Weisen im Sachsland, klang in einzelnen Zügen ähnlich dem, was die heutigen Männer des Gesetzes von den Kanzeln verkünden, nur war nicht so viel Hass dabei. Also mag es nicht ganz unbillig und unhold gewesen sein. Die österliche Richtung unserer Gräber aber lasst uns jedenfalls beibehalten, von dort erscheint der Erlöser sicherlich am Jüngsten Tag. Aus dem Norden kann er nicht kommen, das ist die Mitternachtsrichtung der Dämonen.
Sie hat, zusammen mit ihrer aus heidnisch-antifränkischen Herkunft des Freiheitshelden Widukind stammenden Großmutter, in enger Gemeinschaft die anstehenden Geschäfte geführt.Königin Mathilde starb im März 968, ihre Enkelin Mathilde starb im Februar 999 zu Quedlinburg; bis zuletzt lebten sie in einträchtiger Wirkgemeinschaft. Enkelin Mathilde hat zu ihrer eigenen eitlen und übergescheiten, herrschsüchtigen Mutter Adelheit von Burgund, aus italo-langobardischer Tradition kommend – „literatissima“, hat man sie genannt – kein enges Verhältnis gehabt. Ihr Vater Otto I. hatte die um 20 Jahre jüngere Frau aus imperialer Berechnung geehelicht, sie sollte ihm Italien in die Ehe bringen. Als Mutter empfand Mathilde die sächsische Oma gleichen Namens. Ob Adelheit sächsisch sprechen konnte, ist anzuzweifeln, sie beherrschte den altfranzösischen, italienischen, lateinischen und den oberdeutschen Dialekt ihrer heimatlichen Ostschweiz. Deswegen fungierte sie als Dolmetscherin des Königs, wenn ausländische Gäste am Hof empfangen wurden. Sie managte clever Ottos Weg in die große Politik, mit ihrem Insiderwissen hinsichtlich der Machtverhältnisse im „Regnum Italiae“. Ihr hohes Ziel war es, Kaiserin zu werden, was sie auch erreichte, ihre „Mitherrschaft im Reich“ wurde ihr bei Otto I. Kaiserkrönung ausdrücklich zuerkannt. Nach dem Tod von Otto I., und Tod ihres Sohnes Otto II., zog sie sich wieder in südliche Gefilde, nämlich nach Pavia, zurück. Ihr Ruhm als Intellektuelle soll nicht geschmälert werden, bald nach ihrem Tod pries sie der Abt Odilo von Cluny: „Nicht eine war vordem ihr gleich“. Aber sächsisch empfinden und denken, wie ihre Tochter Mathilde, das konnte sie nicht, dafür hat sie in zu hohen reichspolitischen Sphären gelebt.
Schon im Jahre 1936 sind bei Ausgrabungen auf dem Quedlinburger Schloßberg, nahe der Stiftskirche „St. Servatii“, mehrere teilweise in den Felsen eingearbeitete Kopfnischengräber gefunden worden. Sie sollten aus dem 11. Jh. stammen. Skelette konnten damals zwar geborgen werden, sind aber seit dieser Zeit verschollen. Ebenso fand man diese Bestattungsform in Gernrode, heute ein Ortsteil von Quedlinburg. Es wurde i.J. 959 von Markgraf Gero gegründet und i.J. 961 ein Frauen-Stift errichtet. Da das Geschlecht ohne Erben blieb, vermachte Gero dem Stift sein gesamtes Eigentum. Erste Äbtissin wurde Hathui, die Witwe seines Sohnes Siegfried. Sie stammte aus dem Geschlecht der Billunger und war eine Nichte von Königin Mathilde, der Frau von Heinrich I. Auch im ostsächischen Nordhausen hat man zwei Kopfnischengräber höhergestellter Personen des 11. Jhs. entdeckt, eines hinter dem Rathaus, ein zweites im süd-östlichen Bereich der Kirche. Im Bereich des Mersburger „Petriklosters“ gab es an dieser Stelle im 6.-8. Jh. eine heidnische Kapelle, im 9. Jh. eine fränkische Kirche und ab ca. 1012 die sog. „Peterskirche“, welche in ihrer Größe dem Merseburger Dom kaum nachstand. Zwei Kopfnischengräber fand man bei den Grabungen des „Petriklosters“. Das herrschaftliche Grab eines etwa vier bis fünf Jahre alten Kindes ist auf der Königspfalz Helfta (Landkreis Mansfeld-Südharz) bei Eisleben entdeckt worden, einer vor 968 erbauten Kirche Kaiser Otto I.. Der Sarkophag besteht aus einem sorgfältig bearbeiteten trapezförmigen Hohlraum aus weißem Muschelkalk. Der Umriss des Kinderkörpers ist genau ausgearbeitet. Das Grab mißt 1,25 Meter Länge und 30 bis 45 Zentimeter Breite. Ebenso fand sich im ostsächsischen Riesa diese Bestattungsform aus gleicher Zeit, nämlich ottonischer Ostkolonisation. Von hier, dem ottonischen Sachsenland, unter dem Vorbild der urzeitlichen Sonnenwarte in den Wäldern des Osning, vollzog sich wahrscheinlich die Ausbreitung der Kopfnischengrab-Sitte, zunächst im gut vernetzen Orden der Benediktinerinnen im Reich. Gerade im 10. Jh. bewirkten die Reformen vom burgundischen Kloster Cluny und dem von Hirsau im Schwarzwald, zu Unruhen führenden Aktivitätsimpulsen dieser Mönchs- und Nonnenfamilie. Es wurde um den rechten Weg diskutiert, strengere Ordensregeln standen zur Debatte. Die Mönche von Corvey wehrten sich nach 950 gegen jene Bischöfe, die die neuen Ansprüche vertraten, obwohl sie von Otto I. begünstigt wurden. Widukind von Corvey wies in seiner „Sachsengeschichte“ die radikalen Reformer zurück mit der angeblichen „Mahnung Christi“, daß mit dem Unkraut nicht zugleich auch der Weizen ausgerissen werden möge. Daß manche der allzumenschlich eingestellten Kloster-Herren und -Damen ein gar liederliches Leben geführt haben, steht dabei außer Zweifel. Es hatten sich die Kuttenträger und Habitträgerinnen im kirchlichen System häuslich eingerichtet. Das sei nur am Rande erwähnt, um darzutun, wie wenig korrekt nach heutigen Maßstäben, im Allgemeinen das Denken und Handeln vieler damaliger Kleriker und Mitläufer, also der kirchlichen Profiteure, verlaufen ist.
Ich gehe davon aus, daß das nicht zu übersehende Kultmal der Gestirnbeobachtung in den dunklen, geheimnisumwitterten Osning-Wäldern, im gesamten germano-gallischen Norden Beachtung gefunden haben muß und bis in den skandinavischen Raum hinein von einzelnen vorchristlichen Gottsuchern, Mystikern und Gestirnsweisen aufgesucht worden ist. Führende Persönlichkeiten der germanischen Völker müßten davon Kenntnis erhalten haben. So ist es möglicherweise dadurch zu erklären, daß wir vereinzelt Kopfnischengräber auch auf den Westgotenfriedhöfen des 7. Jhs. finden. Das letzte Wort ist zu diesem geistesgeschichtlichen Thema noch lange nicht gesprochen. Ich würde mich herzlich freuen, wenn dazu ein anderer Forscher weiterreichende Erkenntnisse beibringen könnte.

 

Print Friendly, PDF & Email