Alfred Bäumler
Auszug aus der Einleitung zu den Schriften von Alfred Rosenberg
(aus den Jahren 1917-1921)
Typus ist die zeitgebundene, plastische Form eines ewigen, rassisch-seelischen Gehalts.
Der Mythus des Blutes ist an sich unberührt von den Bedingungen der Zeit, das Blut ist die Quelle aller geschichtlichen Gestaltung, aber selber keine zeitgebundene Gestalt. Aus dem mythischen Mutterschoß gehen die großen schöpferischen Persönlichkeiten unmittelbar hervor; der Typus dagegen ist nicht eine unvermittelte Geburt des mythischen Grundes, sondern die zeitlich-persönliche Schöpfung großer Einzelner, die in der Vollmacht eines geschichtlichen Auftrags handeln.
Typenbildend ist die Persönlichkeit und die Idee, die von ihr verkündet und gelebt wird. Der mythische Urgrund bildet die Voraussetzung dafür, daß ein echter und dauernder Typus entstehen kann. Namen wie ›Friedrich der Große‹ und ›Moltke‹ bezeichnen zugleich deutsche Persönlichkeiten und eine Idee. Unfaßbar, mythisch und doch real steht der germanische Blutzusammenhang hinter ihnen.
Jedem Zeitalter ist immer von neuem die Aufgabe gestellt, einen bestimmten Typus hervorzubringen. Die Aufgabe unseres Zeitalters ist, nach Überwindung der Auflösung des 19. Jahrhunderts zuerst den Mythus wiederzugewinnen,
aus einem neuen Lebens-Mythus einen neuen Menschentypus zu schaffen.
Der Mythus selber kann nicht geschaffen werden — seine Wiedergewinnung ist nicht Tat, sondern Erlebnis, Geburt. […] Was ein echter, d. h. auf einen Mythus bezogener Typus bedeutet, kann nur nach Klärung der Begriffe ›Autorität‹ und ›Freiheit‹ verstanden werden. Solange man keine Vorstellung von der rassisch geprägten Persönlichkeit hatte, konnte nur „die“ Autorität „der“ Freiheit gegenübergestellt werden.
Ein vom Mythus des Blutes nicht geleitetes Denken erschöpfte sich fruchtlos in Thesen und Antithesen, ohne der Wirklichkeit einen Schritt näherkommen zu können. Obwohl der Typus, diese ungeheure Realität, vor aller Augen lag, blieb er dem Denken unbegreiflich. Die Probleme der Politik und Pädagogik waren unlösbar, solange sich das Denken in abstrakten Allgemeinheiten erschöpfte; sie entwirren sich in dem Augenblick, wo alles auf einen „wuchshaft bedingten Mittelpunkt“ bezogen wird.
Das naturlose, abstrakte Denken vermag sich nur in der unfruchtbaren Antithese einer abstrakten Autorität und einer abstrakten Freiheit zu bewegen. Die „rasselose Autorität“ ist jedoch ebenso chaotisch und unfähig, Politik und Erziehung zu begründen, wie die rasselose Freiheit.
Autorität ist nur da echt und dauernd, wo sie lebensgebunden ist; eine durch das Leben nicht gebundene Freiheit aber ist nur ein anderes Wort für Anarchie. Wahre Freiheit kann immer nur die Freiheit des Lebens zu sich selber sein. Diese Freiheit wird von Rosenberg als „organische Freiheit“ bezeichnet.
Nur eine Herrschaft, die dieselben Lebenswerte zur Geltung bringt, denen alle von innen her sich verpflichtet fühlen, besitzt wahre Autorität, und nur ein System der wuchshaften Freiheit kann weder dem Anarchismus noch dem Despotismus verfallen.
Die lebensgebundene Persönlichkeit bewegt sich in voller Unabhängigkeit innerhalb des Spielraums, der ihr durch die natürlichen Kräfte und Anlagen gesetzt ist. Es sind ihre lebendigen Kräfte selber, die nach Führung und Richtung verlangen, ohne welche ihnen eine Betätigung und Steigerung innerhalb der geschichtlichen Gemeinschaft nicht möglich ist.
Je stärker die Persönlichkeit, desto stärker das Verlangen nach „Zucht und innerem Hochbau“. Das Zeitalter, das die individuellen Kräfte aufs Geratewohl wuchern ließ, ist vorüber. Eine neue Epoche strenger Typenzucht hat begonnen.
Die stärkste Persönlichkeit ruft heute nicht mehr nach Persönlichkeit, sondern nach Typus.
Man kann den Typus, der als geschichtliche Großform natürlich etwas ganz anderes ist als ein gesellschaftlicher,, „Typ“, gar nicht gründlicher verkennen, als wenn man ihn mit einem Schema verwechselt. Der Typus entsteht durch die prägende Macht großer, auf lebendige Kräfte bezogener und diesen Kräften entsprechender geschichtlicher Ziele. Innerhalb desselben ist die größte Mannigfaltigkeit möglich. Denn der Einzelne erfaßt diese Ziele aus sich heraus durch eigene Phantasie, eigenen Verstand und Willen.
Der Typus ist wuchshaft und seelenhaft, das Schema ist abstrakt und seelenlos. Es entsteht nicht aus den lebendigen Kräften selbst, sondern wird ihnen ohne Rücksicht auf Eigenart und Eigenwillen aufgestanzt.
Der Typus ist die Lebensform der Freiheit; die Schematisierung ist zu allen Zeiten ein Mittel der Knechtung gewesen.
Die Soziologie der Vergangenheit hat das soziale Prinzip dem Individualprinzip gegenübergestellt und zuletzt alle weltanschaulichen Gegensätze auf den Unterschied von Individualismus und Universalismus zurückführen zu können gemeint.
Es war eine geistige Entscheidung hohen Ranges, als Rosenberg der abstrakten Ganzheitslehre entgegentrat und aufzeigte, daß ein Ganzheitsidealismus, der nicht „die rassisch gebundene Volksseele als das Maß aller unserer Gedanken, Willenssehnsucht und Handlungen, als den letzten Maßstab unserer Werte“ anerkennt, sich von dem bekämpften Individualismus weltanschaulich nicht unterscheidet.
Der Universalismus ist nur ein Zwillingsbruder des Individualismus, beide sind rasselos und naturlos. Es ist irreführend und gefährlich, ein ,,organisches“ System im Bereich des reinen, blutfremden und volklosen Geistes aufzubauen, wenn die wirkliche organische Mitte, die einmalige, natürlich-geschichtliche Volksseele, nicht den Ausgangspunkt und Endpunkt der gesamten Konstruktion bildet.
Weder ein abstrakter Individualismus noch ein abstrakter Universalismus oder Sozialismus formen, „gleichsam aus den Wolken sich niederlassend“ die Völker; blutsmäßig gesunde Völker kennen weder den einen noch den anderen Maßstab. Sozialistisch ist ein staatliches System dann, wenn seine Maßnahmen der Gesamtheit dienen.
Dieses politische Ziel wird nicht erreicht durch universalistische Lehren, sondern durch eine ›surhumanistische‹ Führung und durch die Erziehung aller zu einer organischen Weltanschauung, in deren Mittelpunkt die Idee der Ehre der Nation als einer biologisch-geistigen Einheit steht. Sozialismus kann nicht definiert werden als Unterordnung des Einzelnen unter den Willen irgendeines Kollektivs. Sinnvoll ist die Unterordnung des Einzelnen nur dann, wenn das Kollektiv einen wahren Gehalt und eine wuchshafte Mitte hat.
Die Unterordnung unter eine lebensfeindliche Gewalt hat mit Sozialismus nichts zu schaffen. Abstrakte Prinzipien, seien sie individualistisch oder universalistisch, führen immer zu Anarchie und Untergang.
Ob eine Maßnahme sozialistisch ist, kann sich nur aus ihrer Folge ergeben …
Das deutsche Volk ist nicht dazu da, um irgendein abstraktes Schema mit seinem Blute zu verfechten, sondern umgekehrt, alle Schemen, Gedankensysteme und Werte sind in unseren Augen nur Mittel, den Lebenskampf der Nation nach außen hin zu stärken und die innere Kraft durch eine gerechte und zweckmäßige Organisation zu erhöhen.
Mythus und Typus sind die Grundbegriffe des Rosenbergschen Gedankenwerkes. Es gibt wenig Bücher, die so viele Probleme religiöser, politischer, philosophischer und praktischer Art in den Umkreis ihrer Betrachtung und Beurteilung ziehen wie der ›Mythus des 20. Jahrhunderts‹. Kaum zu übersehen ist die Mannigfaltigkeit des Lebens, die hier ausgebreitet, die Fülle des Stoffes, die hier gemeistert wird. […]
Aus einem einzigen Ansatz ist alles entwickelt: was immer der Mensch schafft und hervorbringt, Gemeinschaftsordnungen und Religionen, Bauten und Symphonien, philosophische Systeme und technische Lösungen, ist Ausdruck seines Charakters. Es geht aus einer Seelenmitte hervor, die eingesenkt ist in den Organismus der natürlich-geschichtlichen Einheit, aus der sie stammt.
Jeder geistige Maßstab ist falsch und in seinen letzten Auswirkungen verderblich, wenn er nicht aus der Beziehung des Einzelnen zur Mitte der volkhaften Gesamtheit hervorwächst. Aus der Schwerpunkts- und Mittellosigkeit des vergangenen Zeitalters stammen alle jene Erscheinungen der Zersetzung, deren grauenhafte Offenbarung in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg den Willen zur Erneuerung aus dem gesunden Kern des deutschen Volkstums hervorgehen ließ. […]
Die Wertmaßstäbe des Lebens und aller seiner Schöpfungen können nicht als an sich bestehende Ideen oder geistige Wesenheiten aufgefaßt werden, ohne daß das Leben vergewaltigt wird und in tödliche Gefahr gerät. Denn alle Werte, die das Dasein formen und erhöhen, stammen aus dem Leben und sind an das Leben gebunden.
Ein Denken, das Werte und Formen absolut setzt, entspringt einer in ihrem tiefsten Grunde lebensfeindlichen Weltanschauung. Es darf daher nicht als eine der Kritik unzugängliche Fachangelegenheit behandelt werden, sondern ist aus der Mitte des Lebens heraus zu überprüfen. Diese Überprüfung wurde von Rosenberg mit einer Kritik der Absolutsetzung der ästhetischen Form begonnen.
Das Ergebnis war, daß die absolute Ästhetik auf der Verkennung des ästhetischen Willens beruhe. Sie konstruiert eine Schönheit im leeren Raum ohne Rücksicht auf den lebendigen Menschen, für den allein es Schönheit geben kann.
Jede künstlerische Schöpfung ist bezogen auf den Menschen, der sie hervorbringt, und damit auf die Rassenseele, die sein Schaffen bestimmt. Es gibt weder die Kunst noch die Religion, noch den Staat, noch das Recht; es gibt nur menschliche Charaktere und Willensrichtungen, aus denen alles hervorgeht, was uns in geschichtlicher Erfahrung begegnet.
Gegensätze und Kämpfe religiöser, rechtlicher, politischer und geistiger Art sind im letzten Grunde Kämpfe von Seelenhaltungen gegeneinander. Die Weltgeschichte wird uns niemals verständlich, wenn wir sie als eine Entwicklung „der“ Menschheit zu irgendeinem fabelhaften Ziel betrachten.
Die Erfahrung zeigt uns überall nur lebendige Mittelpunkte von Gemeinschaften, die ihren Höchstwert zu verwirklichen und durchzusetzen suchen. Alle Verwirrung und Zersetzung im Dasein der Völker hat ihre Ursache darin, daß die Menschen bisher das Gesetz nicht kannten, das in allem lebendigen Geschehen waltet und das von einer willkürlichen Änderung angeborener Willensrichtungen nichts weiß. Die mit der Fortdauer des Blutes gegebene Konstanz des Charakters ist die Grunderscheinung der menschlich-geschichtlichen Welt.
Religion und Recht, Kunst und Dichtung, Ethik und Politik einer völkischen Gemeinschaft hängen untereinander aufs engste zusammen, weil sie nur verschiedene Äußerungen desselben Grundwillens sind. Die Übereinstimmung dieser Äußerungen untereinander macht das Wesen der Kultur einer Gemeinschaft aus.
In der Vergangenheit hat die Einheit der Kultur widerstrebenden, universalistischen Tendenzen, von denen die Vermischung und Überfremdung gefördert wurden, abgerungen werden müssen. Jahrhundertelang haben die rassenseelisch-volklichen Charaktere trotz aller universalistischen Gegenwirkungen eine Einheit der Kultur herzustellen vermocht. Zuletzt ist die Kraft erlahmt. […]
Die Wiedereinsetzung des Höchstwertes der Ehre führt eine neue Rangordnung aller Werte und zugleich einen Stil des Wertfühlens und Wertdenkens mit sich, der einen Rückfall in den universalistischen Irrtum der Vergangenheit unmöglich macht.
Das vergangene christliche Zeitalter hat die Idee der Liebe (caritas), die in innerem Zusammenhang mit den Tugenden der Barmherzigkeit und der Demut steht, zum Höchstwert der abendländischen Kultur erhoben. War auch die europäische Geschichte immer weit davon entfernt, diesem Höchstwert irgendwie zu entsprechen — es war ein fiktiver Höchstwert, nicht ein realer —, so blieb doch die einmal (von der Kirche) gesetzte Rangordnung der Werte in Geltung, mochte es sich gleich immer von neuem erweisen, daß diese Wertordnung jeder aufbauenden Macht bar war, die Kranken und Schwachen vor die Gesunden und Starken stellte und im übrigen nichts als die Heuchelei begünstigte. Die moderne humanitäre Demokratie ist aus dieser Ideologie hervorgegangen, deren Moral durch Nietzsche als die Moral des „absteigenden Lebens“ gekennzeichnet wurde.
Die Natur im umfangreichsten Sinne ist der Brunnen, aus dem wir ewig schöpfen können. Aber wie wir das machen, darin liegt unsere Eigenart; der Quell kann durch uns hell, klar und farbig sprudeln, und er kann trübe, dumpf und schmutzig werden. Es gehört die Liebe, Studium und Unbefangenheit dazu, um der Natur gewachsen zu sein. Es gehört die „reine Hand”, wie Goethe sagte, dazu, damit das Wasser sich „ballt”. (Alfred Rosenberg, 4.3.1917)
Löscht ich so der Seele Brand
Lied es wird erschallen;
Schöpft des Dichters reine Hand
Wasser wird sich ballen.
(Johann Wolfgang von Goethe: ›Lied und Gebilde‹ aus dem ›West-östlichen Diwan‹)