
Constantin von Hoffmeister
Die selbstproklamierte “moralische” Überlegenheit, mit der die Herrschaft einer kleinen Elite über die Massen gerechtfertigt werden kann, wird durch gesellschaftlich anerkannte Doktrinen und Glaubenssätze garantiert, wie etwa “›Woke‹ ist Aufklärung” oder “Vielfalt ist Stärke”. Diese Axiome lassen die Herrschaft derjenigen, die derzeit an der Macht sind, für fast jedes Mitglied der Gesellschaft vernünftig erscheinen und befriedigen das instinktive Verlangen der Massen nach legitimer, im Gegensatz zu emotional “erzwungener” Alpha-Herrschaft.
Keine politische Klasse, egal zu welchem politischen System sie sich bekennt, wird zugeben, daß sie regiert, weil sie dazu am besten geeignet ist. Deshalb würde sie diese Worte nie laut aussprechen: “Wir sind die Klügeren und wollen unsere visionären Einsichten in das kollektive Bewußtsein des Volkes übertragen.” Vielmehr wird sie immer versuchen, ihre Macht durch eine Abstraktion zu rechtfertigen, z.B.: “Der Wille der Bürger hat uns in dieses Amt gewählt.”
Da die Wahlberechtigten in einem repräsentativen System nicht für jeden beliebigen Kandidaten stimmen können, den sie wollen, sondern nur zwischen den Kandidaten wählen können, die von der tatsächlich herrschenden Minderheit nominiert wurden, wird die Demokratie im Sinne von “Regierung durch das Volk” zum schlimmsten Phantasma.
Die repräsentative Demokratie ist besonders gefährlich, weil der Wettbewerb um Stimmen bedeutet, daß die Kandidaten stets versuchen, die Wunschvorstellungen der Wähler zu erfüllen, und so unpopuläre, aber notwendige Maßnahmen vermeiden. Nur selten weiß die Mehrheit der Wähler, was für das Gemeinwesen gut ist. Massen, die zu demokratischen Gefühlen neigen, können am besten durch ein Gebilde neutralisiert werden, das ihnen die Illusion vermittelt, an der Staatsmacht beteiligt zu sein.
Die Gründung einer politischen Partei führt unweigerlich zu einer internen Spaltung der Organisation und zu einer Entfremdung der Organisationselite von den Mitgliedern an der Basis. Es ist nicht die vollständige Abschaffung des Parlaments, die den Staat stark macht, sondern die verschleierte Übertragung der Entscheidungsbefugnis vom Parlament auf den engen Kreis der Eliten, die nicht in der Öffentlichkeit auftreten, sondern hinter den lächelnden Gesichtern im Fernsehen im Schatten bleiben (der äußere Kreis).
Der Schlüsselsatz lautet “souveräne Demokratie”, bei der die Schiedsgerichtsbarkeit im Interesse des Volkes und vor allem seiner Gesundheit und geistigen Hygiene bei der Regierung liegt. Die antisozialen Tendenzen der Dekadenz und Verderbtheit der äußeren Welt werden durch eine strikte Begrenzung des Kulturkonsums abgewehrt.
Die souveräne Demokratie stellt das Machtgleichgewicht zwischen der höchsten Autorität und ihrer Vertretung wieder her: dem Souverän. Er wird zum Verfassungsgeber, und anstatt nur alle vier oder fünf Jahre gewählt zu werden, erhält er souveräne Rechte, mit denen er die demokratische Politik nach seinen Werten und Prioritäten mitgestalten kann.
Der Begriff ›Elite‹ stammt aus dem Französischen, wo er im 17. Jahrhundert verwendet wurde, um diejenigen zu beschreiben, die durch soziale Segregation über viele Generationen hinweg eine hohe Position in der Gesellschaft erreicht haben. In Wirklichkeit sind es anonyme Mächte, die die Räder der Geschichte drehen.
Im Wesentlichen wird der historische Prozess durch den gnadenlosen Wettbewerb zwischen öffentlichen und geheimen Eliten bestimmt, die verschiedenen (nationalen, wirtschaftlichen oder kulturellen) Fraktionen angehören.