Sittengesetz unserer Art / Die Artgemeinschaft

Küre 2

Das Sittengesetz in uns gebietet Tapferkeit und Mut in jeder
Lage, Kühnheit und Wehrhaftigkeit bis zur Todesverachtung
gegen jeden Feind von Sippe, Land, Volk, germanischer Art und
germanischem Glauben.

Man sagt, Tapferkeit sei die erste der germanischen Tugenden, wobei beim Tapferen nicht so sehr an Leibeskraft und Fechtkunst in den nordischen Quellen gedacht sei, sondern drei seelische Züge den Tapferen ausmachten: Mut, Selbstbeherrschung, Todesverachtung

Was die Wertschätzungen dieser Tugenden angeht, so mag dies stimmen. Allerdings hat das Wort „tapfer“ bei uns einen etwas anderen Klang als „mutig“.

Tapfer im Ertragen, und in der Abwehr, sowie mutig im Angriff, so möchte ich die Unterschiede zwischen beiden Begriffen fassen.

Heldenmut ist nicht jedem gegeben. Tapferkeit darf man von allen Menschen unserer Art erwarten. Durch Tapferkeit kann jeder Gefahr getrotzt, jeder Gegner überwunden, jede Schwierigkeit beseitigt werden. Tapferkeit wirkt Wunder.

Selten wirkt das Zusammenspiel von Leib, Seele und Geist so klar wie bei der Tapferkeit. Tapferkeit hat in gleicher Weise Zucht des Leibes, Zucht des Geistes und Zucht der Seele zur Voraussetzung.

Ich schätze den, der tapfer ist und g’rad.

Johann Wolfgang von Goethe, Ölgemälde von Joseph Karl Stieler, 1828

Die größten Beispiele für Tapferkeit finden wir im Kriege. Ernst Jünger stellt als Kriegsteilnehmer des ersten Weltkrieges und seiner Materialschlachten fest:

Der Mensch ist dem Material überlegen, wenn er ihm die große Haltung entgegenzustellen hat, und kein Maß und Übermaß der äußeren Gewalten ist denkbar, dem die seelische Kraft nicht gewachsen wäre.
Und daraus kann jeder, der dazu fähig ist, den Schluß ziehen, daß im Menschen, im wirklichen Menschen, Werte lebendig sind,  die nicht durch Geschosse und nicht durch Berge von Sprengstoff zerstört werden können.

Alle Schicksalsschläge im Leben sind keine Veranlassung zur weinerlichen Klage, sondern eine Aufgabe.

Schrecklichkeiten, die kommen müssen, kann man nur dadurch ihres Schreckenscharakters einigermaßen entkleiden, daß man sie so rasch wie möglich an der Brust packt und den Kampf auskämpft, der doch gekämpft werden muß.

Theodor Fontane (1819-1898)

Tapferkeit ist nicht nur eine im Kriege von Männern zu bewährende Eigenschaft. Sie haben auch Frauen bewiesen, die im Bombenhagel auf Straßen und Häusern auf Brandwache ausgehalten haben, in Kellern ihre Kinder beruhigt, erhalten und geschützt haben.

Und in einem Bereich gibt es etwas, wo nur die Frauen tapfer sind: den Geburtsschmerz auszuhalten. Im Wissen um diese Schmerzen das Kind zu wollen, diese Schmerzen tapfer zu ertragen, das zeigt die Größe der Frauen. Johann Wolfgang von Goethe sagt dazu:

Zwanzig Männer verbunden ertrügen nicht diese Beschwerde, und sie sollen es nicht; doch sollen sie es dankbar einsehen.

Tapferkeit ist ein Wert, den es auch im tiefsten Frieden in vielen Lebenslagen zu bewähren gilt. Bei Unfällen, Verwundungen und Krankheiten zeigt sich, wer tapfer ist. Es gibt unausstehliche Kranke, die quälen und drangsalieren ihre Helfer, auch wenn ihre Schmerzen nicht unausstehlich sind. Und es gibt tapfere Kranke, die strahlen auch unter den bittersten Schmerzen und Qualen eine herrliche Haltung aus und sind anspruchslos auch da, wo sie das Recht hätten, zu fordern.

Es ist der schwerste Heroismus, aber auch der wertvollste, daß man es lernt, seine Leiden mit sich selber abzumachen, daß man also nicht fortwährend andere mit ins Elend zieht. (Georg Stammler)

In manigfaltigen Nöten, Leiden und Gefahren des Alltags muß man tapfer sein. Über jeden Menschen, der nicht oberflächlich durchs Leben schlittert oder abgestumpft sein Leben vertrottet, kommen Widerwärtigkeiten, mit denen er fertig werden muß, Konflikte, mit denen er sich auseinanderzusetzen hat, Gefahren, die er überwinden muß.

Geschichte ist ein Meer von Leiden, aber erst damit ist das hohe Leben möglich: stolz auf die Härte, heroisch im Dulden, hart im Wollen, die Klage verachtend, die Ergebung nicht kennend.  Der Held verachtet den Tod, der Heilige verachtet das Leben.
Was ist das Gegenteil der Seele eines Löwen?
Die Seele einer Kuh. Pflanzenfresser ersetzen die starke einzelne Seele durch die große Zahl, die Herde, das gemeinsame Fühlen und Tun von Massen. Eine Seele hat jeder. Aber die Persönlichkeit, die eigentlich bedeutende Seele, ist selten. Der Gegensatz von vornehm ist nicht arm, sondern gemein. (Oswald Spengler)

Und deshalb gilt:

In der Not allein bewährt sich der Adel großer Seelen.

Friedrich Schiller (1759-1805), Bildquelle: Friedrich Schiller Archiv

Deutschland ist, wo tapfere Herzen sind.

Ulrich von Hutten, Holzschnitt, Ernst von Dombrowski (1896-1995)*

Damit komme ich zum Mut. Bei vielleicht keinem anderen Wert ist ein so großer Widerspruch zwischen heidnisch-germanischer Sittlichkeit und christlicher Sittlichkeit gegeben. Mut ist gut, Feigheit ist schlecht – so wertet seit frühesten Zeiten bis in die Gegenwart hinein der unverfälschte Germane. Dem germanischen Mut setzte das Christentum „Demut“, wörtlich übersetzt „Knechtsgesinnung“ entgegen. Es galt nicht mehr, mutig das Schicksal zu bestehen, sondern die Christen hatten demütig die „Strafen“ und „Prüfungen“ hinzunehmen, die ihnen ihr Gott gesandt hatte.

In großen äußern und innern Kämpfen entscheidet Heldenmut. Wer sich selbst aufgibt, den geben andere erst recht auf. Hat man den Wind gegen sich, so ist das nur ein Grund, um so stärker auszuschreiten. Und wenn eine gute Sache mißglückt, so ist das nur ein Grund, sie noch fünfundzwanzigmal zu wiederholen, – bis sie glückt. (Julius Langbehn)

Niemals darf ein Mensch, niemals ein Volk wähnen, das Ende sei gekommen. Güterverlust läßt sich ersetzen. Über anderen Verlust tröstet die Zeit. Nur ein Übel ist unheilbar. Wenn ein Volk sich aufgibt! (Goethe)

Die Deutschen haben sich oft zu Unrecht von Schicksalsschlägen überzeugen lassen. Individuen müssen sich dem Schicksal fügen lernen, Nationen niemals; denn sie sind es allein, die diesem Schicksal zu gebieten vermögen – ein fester Wille mehr, und das Elend wäre gebändigt. (Anne Germaine de Stael)

 

Wer sich selbst verläßt, der wird verlassen; das Volk, das an sich zweifelt, an dem verzweifelt die Welt, und die Geschichte schweigt auf ewig von ihm.

Ernst Moritz Arndt

Wenn der germanische Krieger mutig kämpfte, kam er nach Walhall – und da erwartete ihn alles, was das Herz begehrt. Sein natürliches Draufgängertum wurde nicht gestutzt oder verunsichert, sondern in der Religion gewürdigt. Deshalb waren nordische Menschen sehr oft zum Führer geeignet, weil sie kühn sind.

Es ist immer noch der Geist des einzelnen Kriegers, der die Kriege gewinnt!

Gorch Fock (1880-1916)

Auch vor 2000 Jahren hat es in Germanien so genannte „Realisten“ gegeben, die erklärt haben, gegen die einzige Weltmacht, Rom, mit hochgerüsteten und gut trainierten Berufskriegern könne man einen Kampf als schlecht bewaffnete Freizeitkrieger nicht wagen, weil man darin untergehen würde.

Armin, der Cherusker, dachte anders. Er studierte den Feind und entwarf dann eine Taktik und wählte ein Gelände für die Schlacht, wobei sich der Feind nicht entfalten konnte, sondern zwischen Wall und Sumpf aufgerieben werden konnte. Er alleine hätte aber den Sieg nicht erringen können; es waren zahlreiche Germanen, seines Stammes und von verwandten Stämmen, die oft mangels Eisen nur mit Speeren, deren Holzspitzen im Feuer gehärtet waren, gegen mit Eisen gepanzerte Legionären vorgingen.

Im Dreißigjährigen Krieg waren es beherzte Bauern, die sich – wie Hermann Löns großartig in „Der Werwolf“ zeigt – gegen marodierende Söldnerbanden zur Wehr setzten.

Und was vielhunderttausendfach an Tapferkeit und Mut von den Soldaten unseres Volkes und germanischer Brudervölker im ersten und zweiten Weltkrieg geleistet worden ist, das könnte Stoff zu etlichen Sagas liefern.

Bitterkeit kommt nicht auf, weil wir in den Weltkriegen unterlagen; Siegfried ist und bleibt der Held, obgleich er ermordet wurde; der Germane fragt den Held nicht nach seinem Erfolg ab, sondern nach der Großartigkeit seines Kampfes.  Mut und Tapferkeit trugen für ihn und tragen für uns Wert in sich; sie sind nicht abhängig davon, ob der Einsatz vernünftig und klug oder unsinnig und verfehlt war.

Es wäre wenig in der Welt unternommen worden, wenn man nur immer auf den Ausgang gesehen hätte. (Lessing)

Weswegen faszinieren die deutschen Soldaten des zweiten Weltkrieges Japaner wie Amerikaner, bringen ihre Uniformen, Orden und Ehrenzeichen auf Auktionen Traumpreise, werden in allen Sprachen der Welt Bücher über hochdekorierte Soldaten unserer Wehrmacht geschrieben, verlegt und in hohen Auflagen verkauft?  Weil mit unvergleichlichem Mut und Tapferkeit und gewaltigen Anfangserfolgen sechs Jahre gegen die ganze Welt durch unsere Soldaten gekämpft wurde.

Die Bitternis kommt nur auf, weil in beiden Weltkriegen dieselbe Tragik, wie sie im Hildebrandslied so ergreifend geschildert wird, wirkte: daß Germanen gegen Germanen standen, daß nordische und fälische Menschen millionenfach an allen Fronten auf allen Seiten verbluteten, und daß Verrat aus dem eigenen Volke die Niederlage brachte. Und wem hat es genutzt? Den Feinden genau dieser Menschen!

Ein Wehe nur und eine Schande
wird bleiben, wenn die Nacht verschwand;
Daß in dem eignen Heimatlande
der Feind die Bundeshelfer fand;
Daß uns von unsern eignen Brüdern
der bittre Stoß zum Herzen drang,
die einst mit deutschen Wiegenliedern
die Mutter in den Schlummer sang;
Die einst von deutscher Frauen Munde
der Liebe holden Laut getauscht,
die in des Vaters Sterbestunde
mit Schmerz auf deutsches Wort gelauscht.

Theodor Storm (1817-1888)

Aber Mut ist eine Tugend, die man nicht nur im Kriege braucht. Bei Unglücksfällen, beim Einsatz in Notlagen wie Feuersbränden, Dammbrüchen, Überschwemmungen, Flutkatastrophen sind Mut und Unerschrockenheit gefordert. Die jederzeit möglichen Gefährdungen erfordern tatbereite und mutige Menschen. Mut zeigt auch jeder, der sich gegen eine von ihm als falsch erkannte gängige Meinung oder Anschauung geschichtlicher oder politischer Art stellt. Mut beweist ein Verantwortlicher, wenn er eine abweichende Meinung seinem Vorgesetzten sagt, auch wenn Tadel oder Zurücksetzung dabei zu erhalten sind.

Da jederzeit – auch unabhängig von einem Krieg – Ungewöhnliches, Gefährliches eintreten kann, wir Zeugen eines Verbrechens oder eines Unfalls werden können, kann von uns jederzeit Einsatz gefordert werden, so daß wir bereit sein müssen, z. B. zu einer Hilfeleistung.

Bereitschaft ist vielfach gefordert. Aus dem Mutterschoß drängt sich das junge Leben. Die Mutter muß bereit sein, ihr eigenes Leben einzusetzen, um dem Kind das Leben zu geben, bereit zum Ertragen der größten Schmerzen, die ein weiblicher Mensch zu bestehen hat. Daher ist jede Mutter, die in Liebe ihr Kind empfängt und es in Liebe austrägt und gebärt, tapfer und eine Heldin unseres Volkes und unserer Art, wenn sie sich dabei ihres Blutes bewußt war. Und sie ist geehrt und gekrönt, wenn ihr Kind unter ihrer Liebe und Pflege körperlich und seelisch gut gedeiht. Immer wird sie sich sorgen und mühen, nicht nur die lange Zeit des Heranwachsens des Kindes, sondern letztlich ihr ganzes Leben lang, um ihrem Kind zunächst den rechten Weg zu weisen und ihm später zu helfen in allen Lagen des zuweilen verwickelten und gefährlichen Daseins. Ein großes Glück für die Mutter, wenn ihr lebenslanger Einsatz gekrönt wird durch die Liebe ihres Kindes, durch seine Gesundheit, sein Glück und Enkel. Glücklich ein Volk, das solche Frauen noch zahlreich besitzt – dann kann das Volk nicht sterben.

Bereit sein zum höchsten Einsatz muß der Soldat, wenn Krieg ist. Wenn es um die Selbsterhaltung des eigenen Volkes, der eigenen Art geht, dann wird sich der rechte Mann dem Ruf zu den Fahnen nicht entziehen. Wer dann, wenn die Not der Gesamtheit es erfordert, sich verweigert, stellt sich damit außerhalb der Volksgemeinschaft.

Von Brecht wird oft zitiert der Satz:

Stellt Euch vor, es ist Krieg, und keiner geht hin.

Dies soll zum Pazifismus aufrufen und hier die Wehrhaftigkeit untergraben. Der Satz setzt sich aber fort, und zwar wie folgt:

Dann kommt der Krieg zu Euch…

Brecht hat also etwas vollständig anderes ausgesagt, als die in Verfall, Weichheit, genußhaft im Materialismus versumpften Egoisten, denen ihre Schlappheit aus allen ihren Worten und schon ihrer Haltung herausschaut, daraus gemacht haben.

Wer mit seinem Volk nicht Not und Tod teilen will, der ist nicht wert, daß er unter ihm lebe. (Karl Freiherr vom Stein)

Eine „Gewissenspflicht“, sich diesem Anruf zu entziehen, gibt es nicht. Wie könnte der Mann sich aus einer Verpflichtung lösen, der er im Grunde alles verdankt?  Wir leben nicht alleine in dieser Welt. Das Volk hat er erlebt in Freude, Wohlstand und Lust; wenn Not und Gefahr drohen, hat er dieselbe Hingabe und Opferbereitschaft, seine Kraft und alle seine Gaben, notfalls sein Leben der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen, so wie es die Frau tut, wenn sie gebärt. Was die Frau an Opfer auf sich nimmt, indem sie der Nation das Kind schenkt, nimmt der Mann an Opfer auf sich, indem er die Nation verteidigt. Wenn er dazu nicht bereit ist, soll er auf eine Südseeinsel auswandern, wo keine Forderungen an ihn gestellt werden. Hier hat er „seinen Mann zu stehen“, und wir entlassen ihn nicht aus dieser Verpflichtung.

Sollen die Starken und innerlich Gesunden die Schwächlinge und Unwilligen beschützen, damit sie sich ihren Pflichten entziehen können? Wer die Soldaten seines Volkes als Mörder bezeichnet, verdient nicht, in diesem Volke geschützt zu werden. Ich rede hier von dem Einsatz für das eigene Volk und die eigene Art, das eigene Land, nicht etwa für sogenannte „friedenstiftende Interventionen“.

Das Blut keines deutschen Soldaten ist es wert, zur Streitschlichtung in irgendwelchen fremden Ländern vergossen zu werden. Ganz abgesehen davon, daß man sich regelmäßig durch solche Einsätze keinerlei Freunde schafft, und das „Befrieden“ oftmals nur der Eroberung für eigensüchtige Interessen der US-Konzerne gedient hat.

Die Ablehnung solches weltweiten Soldateneinsatzes bedeutet aber nicht, daß wir etwa den Pazifismus gutheißen würden. Er läßt sich auch nicht rechtfertigen damit, daß wir zwei Weltkriege verloren haben.

Ein schimpflicher Friede hat noch nie Bestand gehabt.

Helmuth Johannes Ludwig von Moltke (1848-1916)

Wer kämpft, kann verlieren; wer nicht kämpft, hat schon verloren.

Und oftmals sichert schon allein die Bereitschaft zum Kampf den Erfolg und den Frieden.Wer trotz schwerster Schicksalskämpfe und -prüfungen sich nicht vom Leben enttäuschen läßt, sondern die ursprüngliche Kraft und die Fähigkeit zu aufloderndem Einsatzwillen in sich trägt, der wird weder vergehen noch vergreisen.

Jan de Vries hat hierzu folgendes ausgesagt: Die Nornen spinnen für den heidnisch-germanischen Menschen bei seiner Geburt die Lebensfäden am Himmelsgewölbe auf. Das Leben des Germanen war also im voraus bestimmt, und das Schicksal somit eine formbildende Kraft, die das Leben von der Geburt bis zum Tode in einer von vornherein festgelegten Richtung verlaufen ließ. Doch zugleich wirkte das Los in dem Menschen und durch ihn; dieser war also seinerseits der Vollstrecker des Schicksals. Seine innere Kraft, die ihn auf seinem Wege vorwärts trieb, war nichts anderes als das Schicksal, das die Nornen für ihn bestimmt hatten.

Wenn dann an einer Biegung des Weges der Tod vor ihm steht, so setzt er sich nicht etwa gegen ihn zur Wehr als gegen eine Macht, die ihm fremd ist und die die Erfüllung seiner liebsten Wünsche durchkreuzt, sondern er erkennt den Tod an, weil der Tod ein Teil seines eigenen Willens ist.

Er begehrt nicht gegen den Tod auf; ist doch der Tod bereits in ihn selber eingedrungen, da sein eigener innerer Lebenswille, der ihn von dem einen Erfolge zum anderen führte, ihn jetzt zu verlassen beginnt, und also gar keine Möglichkeit mehr dazu besteht, sich im Streit mit dem Tode zu messen. Daraus ergeben sich die Beispiele eines gelassenen männlichmutigen und entschlossenen Sterbens im überlieferten germanischen Schrifttum.

Jan de Vries (1890-1964)

De Vries fährt fort, daß eine solche Geistesbeschaffenheit der Beweis einer Kultur sei, die von inneren Brüchen frei sei. Der Mensch fühlt sich einsgesinnt mit seinem Willen und mit seinem Schicksal. Das Leben vollzieht sich in Übereinstimmung mit dem, was er selber will, und so ist er stolz darauf, sein Leben so zu führen.

Geschichtlich später erst kommt der Zweifel, die Trennung von Wille und Schicksal. Dann entsteht der Bruch, der innere Kampf; der tragische Held ist der Mensch, der nach verzweifeltem Widerstand sich doch dem Schicksal beugen muß. Der heidnische Germane aber ging mit stolz erhobenem Haupt dem über ihn verhängten Lose entgegen.

Die, die über Moral geschrieben haben, haben oft diejenigen sittlich höher gewertet, die die Furcht überwunden haben, gegenüber denjenigen, die sich nie gefürchtet hatten. Wer Angst und Furcht in sich überwandt, sei anerkennenswerter als derjenige, der über natürlichen Mut und angeborene Tapferkeit verfüge, und zwar, weil der andere den „inneren Schweinehund“ überwunden hatte. Zunächst einmal kann jeder, der den „inneren Schweinehund“ überwunden hat, dies nur dann tun, wenn er eben auch mutige Anlagen in sich hat; hineingelegt werden können sie in ihn nicht. Wer nicht „von Natur aus mutig“ ist, also nicht nur so und nicht anders handeln kann, bedarf eben noch verschiedener Einflüsse, um zu der gewünschten Haltung zu kommen.

Wer insoweit zwei Seelen in seiner Brust hat, also jedesmal sich überwinden muß zum Einsatz der eigenen Person, also ein moralischer Grübler ist, wird vermutlich aber starken Belastungen weniger gewachsen sein als derjenige, der aufgrund seiner Anlage gar nicht anders handeln kann als tapfer und mutig.

Der Feige stirbt tausendmal, der Mutige nur einmal. (H. J. Weber)

Deswegen ist der uneingeschränkt Mutige in Gefahrensituationen, wo rasches, unreflektiertes Handeln gefordert ist, im Vorteil.

Welche Schlüsse ziehen wir für uns aus den Anlagen, die uns unsere Ahnen vererbten? Was nehmen wir mit in unsere heutige Zeit? Werden wir unseren Altvorderen nachstehen? Oder werden wir dieselbe Kraft aufbringen, dem Schicksal mutig und tapfer entgegenstehen? Hierzu möchte ich folgenden Spruch von Erich Limpach mit auf den Weg geben:

Alte Eiche

Hart gezeichnet von den Jahren,
die voll Sturm und Stille waren,
ragt sie stolz empor zum Licht.

Aus zerspellten Ästen spricht
in vernarbten Offenbaren
roter Blitze Niederfahren,
das sie einst verwundend schlug.

Doch in starken Dulden trug
sie die Narben durch die Zeiten
und ließ mächtger Zweige Breiten
siegend über Not und Pein
neuen Schaffens Schöpfer sein.

Quelle: Nordische Zeitung, Gilbhart/Julmond 3822 n.St. /Auszug vom Sittengesetz unserer Art, überarbeitet von Bina

* Ernst von Dombrowski: Über mein Leben

Je älter ich werde, desto mehr beschäftigt mich die Rückschau auf meine Kindheit, meine Jugend. Nichts ist beglückender als die Erkenntnis, daß etwas, das damals galt, heute noch gilt. Es ist etwas über mich gekommen, es mag wohl eine Art Altersweisheit sein, und sie ist es, die das Damals wieder erhellt und zeigt, daß ich zwar unebene Wege, aber doch auf das rechte Ziel zugegangen bin. Und, das Kostbarste ist die Entdeckung, daß ich heute noch liebe, was ich damals geliebt habe. Mit dem, was ich damals geliebt habe, bin ich im klaren, nicht aber mit dem, das ich damals verabscheut habe. Heute hole ich manches, das ich damals verworfen habe, wieder hervor, betrachte es und stelle es vielleicht beiseite, um es später noch einmal zu betrachten und zu versuchen, ihm gerecht zu werden. Die Jugend hat es schwer, gerecht zu sein, aber wehe dem Alten, der es nicht wenigstens versucht.

Ich habe es versucht, aber ich weiß nicht, ob es mir gelungen ist, gerecht zu sein. In der Zeit, in der ich mir Gedanken über mich und die Welt, über meine Welt, zu machen begann, trat mir das Wort Spenglers entgegen: der Untergang des Abendlandes. Damals ist viel darüber geredet worden. Was für die einen ein Anzeichen des Unterganges war, bedeutete für die anderen den Beginn einer großen, neuen Zeit, das Entstehen einer noch nie da gewesenen Weltkultur, die alle früheren Kulturen überwölben sollte. Gerade aus dem Krieg kommend, bin ich in die neue Zeit hineingetappt, ich habe die Wechselwirkungen der Moderne erlebt und habe in ihr die Erkenntnis gesucht. Ich habe gesucht nach einer neuen Ordnung, nach einer Ordnung, die dem Menschen entspricht. Ich habe zauberhafte Gebilde gesehen, aber die Ordnung, nach der ich suchte, habe ich nicht gefunden.

So habe ich mich endlich zurückgewandt, wo an der Schwelle der Zeitwende die großen Geister stehen, in deren Werk das Menschenbild noch einmal deutlich wird. Hier, bei Bach und Goethe, bei Mozart und Stifter, sehe ich das große Licht wieder, das einmal über dem Abendland geleuchtet hat. Ich finde den Glauben wieder, den Glauben daran, daß alles wieder in die ewige Weltordnung einpendeln wird. Das aber gilt letztlich auch für einen Rembrandt. Bleibt ein Bild stumm, dann verstehst du eben seine Sprache nicht – oder es hat dir nichts zu sagen.

Sei vorsichtig mit dem Urteil. Mit dem Verstand, mit dem Wissen, mit aller Gelehrsamkeit wird man ein Kunstwerk allein nicht  begreifen. Der Mensch sieht nur mit dem Herzen gut.

Quelle: Dombrowsi-Stiftung.at

 

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